zentrale Orte,
Siedlungen unterschiedliche Bedeutung und Größe, die aufgrund ihrer Ausstattung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen für sich und ihr Umland Versorgungsfunktionen übernehmen. Zentrale Orte und Umland bilden eine funktionale Einheit. Je umfangreicher ihr Angebot an Einrichtungen (Kaufhäuser, Spezialgeschäfte, Behörden, Banken, Versicherungen, Fachärzte, Kliniken, Bildungseinrichtungen) und je größer ihr Überschuss an Diensten und Leistungen für das Umland ist, desto höher ist der Grad der Zentralität.
Die Konzeption der zentralen Orte wurde erstmals von dem Geographen W. Christaller (1933) entwickelt, wonach Zentralität als der Bedeutungsüberschuss definiert wurde, den ein Ort über andere Siedlungen in Bezug auf die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen hat. Die jeweilige Zentralitätsstufe wurde damals anhand der vorhandenen Telefonanschlüsse bestimmt. Die Hauptphase der weiteren Zentralitätsforschung im deutschsprachigen ebenso wie skandinavischen und angelsächsischen Raum, jetzt mit stärker wirtschafts- und raumwissenschaftlichen orientierten Fragestellungen, fällt in die Jahre 1950-75, als unterschiedliche Zentrale-Orte-Modelle entwickelt wurden. Gleichzeitig erfuhr die Zentrale-Orte-Konzeption eine flächendeckende Implementierung in den Programmen und Plänen der Raumordnung und Landesplanung (erster Raumordnungsbericht 1963, Raumordnungs-Gesetz 1965, Entschließungen der Minister-Konferenz für Raumordnung 1968-72). Zu Beginn der 1990er-Jahre erfolgte ein Übertrag der Konzepte, Rechtsgrundlagen und Organisationsformen auch auf die neuen Länder.
Raumordnung und Landesplanung gehen in der Regel von einem vierstufigen Ordnungssystem zentraler Orte aus, mit Kleinzentren (ländlicher Kernsiedlungen für die Grundversorgung mit Hauptschule, Apotheke, Arzt, bäuerliche Genossenschaft), Unterzentren (Standorte mit Versorgungseinrichtungen für Güter des längerfristigen Bedarfs; Realschule), Mittelzentren (Städte mit vielseitigen Einkaufsmöglichkeiten zur Deckung des gehobenen Bedarfs; Verwaltungen der Landkreisebene, Gymnasien, Fach- und Berufsschulen, Krankenhäuser, größere Sportanlagen) und Oberzentren auf der höchsten Zentralitätsstufe (höherer und spezialisierter Bedarf, überregionale Verwaltungs- und Wirtschaftsfunktionen, Universitäten und Fachhochschulen, Spezialkrankenhäuser und Großkliniken, Theater, Museen, Banken). Die höherrangigen zentralen Orte umfassen auch die Funktionen der nachrangigen zentralen Orte. Die Nomenklatur ist in den Ländern nicht einheitlich, und der Wunsch nach perfektionistischer Zuordnung hat weitere Zwischenstufen geschaffen (z. B. mögliches Oberzentrum oder Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums).
Der Ausbau zentraler Orte in den ländlichen Räumen hat insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem Raumordnungsziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen einer »passiven« Sanierung und damit einer großflächigen Verödung dieser Räume entgegengewirkt. Darüber hinaus sind von den zentralen Orten bislang jedoch kaum lenkende Einflüsse auf die Siedlungsstrukturentwicklung ausgegangen; so haben sie etwa das Ausufern der Agglomerationen, den Aufbau von Verbrauchermärkten auf der »grünen Wiese« nicht behindern können. Inzwischen entwickeln sich als Konkurrenz zu den Zentrale-Orte-Konzepten Städtenetzkonzepte, die als »kooperative Gesamtstandorte« komparative Vorteile bieten.
W. Christaller: Die z. O. in Süd-Dtl. (1933, Nachdr. 1980);
G. Heinritz: Zentralität u. z. O. (1979);
Z.-O.-Theorie, bearb. v. W. Kaiser (41993; Bibliogr.);
W. Strubelt u. H.-P. Gatzweiler: Z. O. im Wandel der Anforderungen, in: Informationen zur Raumentwicklung, H. 10, (1996).
Universal-Lexikon. 2012.