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Re|li|gi|ons|wis|sen|schaft 〈f. 20; unz.〉 Lehre von den verschiedenen Religionen, Religionsformen u. ihrer Entwicklung; Sy Religionsgeschichte (2)
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Re|li|gi|ons|wis|sen|schaft, die:
Wissenschaft, die Form u. Inhalt der Religionen u. ihre Beziehung zu anderen Lebensbereichen erforscht.
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Religionswissenschaft,
wissenschaftliche Disziplin, deren Aufgabe die empirische historische und systematische Erforschung und Darstellung der Religionen und religiösen Phänomene ist. Als integrale Wissenschaft von den Religionen untersucht sie die jeweilige Gesamtheit religiöser Erscheinungsformen oder deren Einzelaspekte und ihre Beziehungen zu anderen Lebensbereichen. Ihr Gegenstand sind die sich selbst als religiös verstehenden Menschen, deren religiöse Erfahrungen in den unterschiedlichsten Formen zum Ausdruck kommen. Diese durch den jeweiligen historischen, kulturellen und sozialen Kontext geprägten Ausdrucksformen religiöser Erfahrung lassen sich in drei umfassende Komplexe gliedern: den theoretischen Bereich des »Glaubenssystems«, wie er sich in Lehre, Tradition und Unterweisung darstellt, den praktischen des »Aktionssystems«, der sich in den religiösen Handlungen manifestiert, und den sozialen Komplex religiöser Gemeinschaftsbildung. Die Religionswissenschaft versucht in diesem Rahmen, religiöses Verhalten zu beschreiben und zu erklären, die Strukturen einzelner religiöser Erscheinungen aufzudecken und deren Beziehungszusammenhänge deutlich zu machen, herauszufinden, welche Komponenten und Zusammenhänge die Identität (das Wesen und den Kern) einer Religion konstituieren und den Wandel und die Veränderungen von Religionen ebenso wie das Entstehen von neuen Religionen zu erforschen, zu erklären und darzustellen.
Als wissenschaftliche Disziplin umfasst sie einen historischen Teil, die Religionsgeschichte, und einen systematischen Teil, die auf jener aufbauende materiale und formale Religionssystematik. Diesen beiden Teilbereichen sind eine Reihe von Spezialdisziplinen zugeordnet: Religionssoziologie, Religionsphänomenologie, Religionspsychologie, Religionsgeographie. Die Religionsphilosophie wird eher als eine Disziplin der Philosophie angesehen. Die Religionstheologie gehört in den Bereich der systematischen Theologie.
Die Geschichte der Religionswissenschaft nahm ihren Anfang in Europa im 18. Jahrhundert, als man im Rahmen der Aufklärung begann, sich mit Religion kritisch auseinander zu setzen. Neben der Aufklärung mit ihrem Begriff der »natürlichen« (allen Menschen von Natur her eigenen) Religion wurde v. a. der Einfluss der Romantik mit ihrer Frage nach dem Urgrund und dem Ursprung der Religion für die Religionswissenschaft prägend. Als wissenschaftliche Disziplin wurde die Religionswissenschaft von F. M. Müller in Parallele zur vergleichenden Sprachwissenschaft als vergleichende Religionswissenschaft Ende des 19. Jahrhunderts begründet. V. a. in Auseinandersetzung mit der im 19. Jahrhundert entwickelten Projektionslehre (Religion als Projektion menschlicher Sehnsüchte bei L. Feuerbach und K. Marx) geriet die Religionswissenschaft jedoch immer mehr in die Rolle einer theologischen Hilfswissenschaft, aus der sie sich erst im 20. Jahrhundert zu befreien begann. Fast alle traditionellen Religionstheorien sind daher deduktiv und spekulativ und lassen sich entweder der Projektionslehre oder der Vorstellung vom irrationalen übernatürlichen Charakter aller religiösen Inspiration zuordnen. Beispiele sind die astralmythologische Schule, die Theorien des Animismus (E. B. Tylor) und des Präanimismus (K. T. Preuss, M. Mauss u. a.), der Dynamismus (G. van der Leeuw u. a.), der ideal-mystische Evolutionismus (R. Otto u. a.), die Offenbarungstheorie (F. Heiler u. a.) sowie die Urmonotheismusthese (W. Schmidt). Erst seit J. Wach gibt es Ansätze, die Religionswissenschaft als eigenständige Wissenschaft im Kontext der Geistes- und Humanwissenschaften mit eigenständigen Zielsetzungen und den diesen angemessenen Methoden zu sehen.
Als akademisches Fach ist Religionswissenschaft heute an vielen europäischen und amerikanischen Universitäten, ebenso in Afrika und Japan vertreten.
Friedrich M. Müller: Einl. in die vergleichende R. (Straßburg 21876, Nachdr. Ann Arbor, Mich., 1980);
J. Wach: R. Prolegomena zu ihrer wissenschaftstheoret. Grundlegung (1924);
International bibliography of the history of religions, 20 Bde. (Leiden 1954-79);
K. Rudolph: Die Religionsgesch. an der Leipziger Univ. u. die Entwicklung der R. (Berlin-Ost 1962);
The history of religions. Essays in methodology, hg. v. M. Eliade u. a. (Neuausg. Chicago, Ill., 1970);
Selbstverständnis u. Wesen der R., hg. v. G. Lanczkowski (1974);
J. Waardenburg: Religionen u. Religion (1986);
R. Eine Einf., hg. v. H. Zinser (1988);
Kritik an Religionen. R. u. der krit. Umgang mit Religionen, hg. v. G. M. Klinkhammer u. a. (1997);
F. Stolz: Grundzüge der R. (21997);
Vergleichen u. Verstehen in der R., hg. v. H.-J. Klimkeit (1997).
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Re|li|gi|ons|wis|sen|schaft, die: Wissenschaft, die Form u. Inhalt der Religionen u. ihre Beziehung zu anderen Lebensbereichen erforscht.
Universal-Lexikon. 2012.