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Graphologie
Gra|pho|lo|gie 〈f. 19; unz.〉 = Grafologie

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Graphologie
 
die, -, Kunst der Handschriftdeutung; heute gelegentlich auch als Schriftpsychologie bezeichnet. Die Graphologie versucht, aus der Handschrift Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsstruktur des Schreibers zu ziehen. Wichtige Schriftcharakteristika sind u. a. Größe, Lage, Raumverteilung der Schrift, Schreibdruck und Schreibdruckverteilung, Fülle, Magerkeit und Schärfe der Schrift. Bedeutung wird auch der Buchstabenschreibung selbst sowie den Buchstabenbindungen (z. B. »Winkel«, »Girlanden« oder »Arkaden« - je nachdem, ob man sie als eckig, kurvig oder bogig ansieht), der Zeilenführung (Duktus), der Rechts- oder Linksläufigkeit beigemessen. Außerdem trägt der Gesamteindruck der Schrift zur graphologischen Begutachtung bei, da jedes Einzelmerkmal für sich mehrdeutig sein kann.
 
Die Graphologie wird hauptsächlich zu psychodiagnostischen Zwecken in der Erziehungs- und Berufsberatung, im Bereich betrieblicher Personalpolitik, im klinisch-psychologischen und psychiatrischen Bereich (auch als Graphotherapie) sowie zum Nachweis von Handschriftenfälschungen eingesetzt. Viele Psychologen weisen jedoch darauf hin, dass sich Schriftmerkmale wissenschaftlich kaum präzis erfassen lassen und dass es an empirischen Untersuchungen über den Zusammenhang von Schriftmerkmalen und Persönlichkeitseigenschaften mangelt.
 
Geschichte:
 
Kunst und Lehre der Handschriftdeutung entwickelten sich parallel zur Physiognomik. In seinen »Physiognomischen Fragmenten. ..« (1775-78, 4 Bände) beschäftigte sich J. K. Lavater auch mit dem Charakter der Handschrift. Sein Einfluss auf die französischen Graphologen zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist unverkennbar. Mit J.-H. Michon, der als Erster ein graphologisches System aufstellte und den Namen Graphologie einführte, beginnt die moderne Graphologie. Aufbauend auf den Arbeiten von Michon und J. Crépieux-Jamin wurde in Deutschland die Graphologie v. a. durch die Arbeiten von W. T. Preyer (»Zur Psychologie des Schreibens«, 1895) und Georg Meyer (»Die wissenschaftlichen Grundlagen der Graphologie«, 1925) entwickelt. Die gegenwärtige Graphologie ist jedoch stark an der »biozentrischen« Methodik von L. Klages (»Handschrift und Charakter«, 1917) orientiert.
 
Literatur:
 
J.-H. Michon: System der G. (a. d. Frz., 1965);
 P. Miller: Einf. in die G. (109.-113. Tsd. 1980);
 A.-M. Cobbaert: G. (a. d. Frz., Neuausg. 1982);
 M. Pulver: Symbolik der Handschrift (Zürich 91984);
 G. Hargreaves u. P. Wilson: Die Schrift als Ausdruck der Persönlichkeit (a. d. Engl., 1985).
 

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Gra|pho|lo|gie, die; - [frz. graphologie, eingeführt zu Ende des 19. Jh.s von dem frz. Abt u. Schriftsteller J.-H. Michon, dem Begründer der modernen Graphologie; zu griech. gráphein = schreiben u. ↑-logie]: Wissenschaft von der Deutung der Handschrift bes. als Ausdruck des Charakters.

Universal-Lexikon. 2012.