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Selbstorganisation
Sẹlbst|or|ga|ni|sa|ti|on 〈f. 20
1. eigenständiges Organisieren (ohne Vorgaben von höheren od. staatlichen Instanzen)
2. 〈Phys.; Chem.〉 Entstehung, Bildung aus sich selbst heraus (ohne Einwirkung von außen)
● die \Selbstorganisation von Schülern fördern; die \Selbstorganisation der Wirtschaft unterstützen; \Selbstorganisation von Materie; die Evolution als \Selbstorganisation interpretieren

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Sẹlbst|or|ga|ni|sa|ti|on, die:
spontane Entstehung, Bildung aus sich selbst heraus, ohne von außen wirkende Faktoren.

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Selbst|organisation,
 
Naturwissenschaften: das spontane Entstehen von (neuen) räumlichen und zeitlichen Strukturen in dynamischen Systemen (komplexe Systeme), das auf das kooperative Wirken von Teilsystemen zurückgeht. Beispiele für Selbstorganisation finden sich bei atmosphärischen Vorgängen (z. B. Wolkenbildung, Wirbel), in der Flüssigkeitsdynamik (z. B. beim Bénard-Effekt), beim Strahlungsfeld eines Lasers, bei neuronalen Netzen, der Selbsterregung von Schwingungen, bestimmten chemischen Reaktionen oder bei der spontan erfolgenden Umorganisation von Zellen oder Zellverbänden während der Gestaltbildung lebender Organismen (Morphogenese). Die Selbstorganisation erweist sich dabei als Vorgang zur Entstehung von Ordnung und Komplexität aus einem System selbst heraus. In diesem Sinne können auch die verschiedenen Stufen der Evolution der Materie von der Entwicklung des Universums bis zur Bildung biologischer Makromoleküle und zur Entstehung des Lebens als eine Verkettung elementarer Prozesse der Selbstorganisation verstanden werden (M. Eigen; Hyperzyklus).
 
Physikalisch gesehen kann Selbstorganisation in offenen Systemen auftreten, die sich in einem Zustand weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht befinden (jenseits einer spezifischen kritischen Grenze) und denen aus der Umgebung Energie zugeführt wird. Die nichtlineare innere Systemdynamik nutzt diese Energie in irreversiblen Prozessen zur Ausbildung von Strukturen höherer Ordnung. Dies ist mit der Umwandlung der zugeführten »höherwertigen« Energie (z. B. Wärme hoher Temperatur, mechanische Arbeit) in »niederwertigere« Energie (z. B. Wärme geringer Temperatur, chemische Bindungsenergie) und einem Export von Entropie in die Umgebung verbunden. Der neue Ordnungszustand entsteht dabei meist spontan, d. h. durch einen diskreten, symmetriebrechenden Übergang, und lässt sich durch einen charakteristischen Ordnungsparameter beschreiben. Dabei bestehen Analogien zu den Phasenübergängen in Gleichgewichtssystemen.
 
Zu den verschiedenen theoretischen Konzeptionen von Selbstorganisation gehören die Theorie der dissipativen Strukturen (I. Prigogine), die phänomenologisch im Rahmen der Thermodynamik irreversibler Prozesse vorgeht, die Synergetik (H. Haken), die die Bedeutung von Ordnungsparametern als Bindeglied zwischen mikroskopisch kooperativem Verhalten und makroskopische Strukturbildung betont, sowie das Konzept der Autopoiese (H. Maturana), nach dem es in einer autopoietischen Organisation keine Trennung zwischen Erzeuger und Erzeugnis gibt. - Das Erklärungsprinzip der Selbstorganisation wird auch in der Wirtschaftswissenschaft und den Sozialwissenschaftenen (N. Luhmann) angewendet, um kooperative Phänomene wie die Entstehung von wirtschaftlichen Zyklen oder von Sozialstrukturen zumindest qualitativ zu erfassen oder erkenntnistheoretische Fragen neu zu beantworten. Auch die Philosophie u. a. Geisteswissenschaften bemühen sich um die Anwendung von Selbstorganisationsmodellen.
 
Literatur:
 
G. Nicolis u. I. Prigogine: Die Erforschung des Komplexen. Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis der Naturwissen.en (a. d. Engl., 1987);
 W. Ebeling: Chaos, Ordnung, Information. S. in Natur u. Technik (Thun 21991);
 H. R. Maturana u. F. J. Varela: Der Baum der Erkenntnis. Die biolog. Wurzeln des menschl. Erkennens (a. d. Span., Neuausg. 1991);
 E. Jantsch: Die S. des Universums (Neuausg. 1992).

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Sẹlbst|or|ga|ni|sa|ti|on, die: spontane Entstehung, Bildung aus sich selbst heraus, ohne eine von außen hinzukommende Kraft, ohne von außen wirkende Faktoren: das hochkomplexe Ökosystem, das sich in der ... Erdgeschichte durch einen raffinierten Prozess der S. ... entwickelt hat (natur 8, 1991, 85).

Universal-Lexikon. 2012.