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Mandschurei
Man|d|schu|rei, die; -:
nordöstlicher Teil Chinas.

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Mandschurei
 
[nach den Mandschu] die, der nordöstliche Teil Chinas, zwischen Amur im Norden und Gelbem Meer im Süden; umfasst die Provinz Heilongjiang, Jilin und Liaoning sowie Teile der Inneren Mongolei. Kernland der Mandschurei ist die mandschurische Ebene, ein zentrales, flachwelliges Tiefland, das von den Flüssen Sungari und Liao He entwässert wird und allseits von Bergländern umschlossen ist: im Nordwesten der Große Chingan, im Nordosten der Kleine Chingan, im Südosten und Süden das ostmandschurische Bergland, das von der Niederung an Sungari, Amur und Ussuri bis an die Südküste der Halbinsel Liaodong reicht (bis 2 744 m über dem Meeresspiegel), im Südwesten das tief zerschnittene südwestmandschurische Bergland (Bergland von Jehol).
 
Das Klima ist gekennzeichnet durch lange, kalte Winter und kurze, subtropisch heiße Sommer; die nördliche Mandschurei weist Dauerfrostböden auf. Die Niederschläge nehmen von Südosten (mit etwa 1 000 mm pro Jahr) nach Nordwesten (250 mm pro Jahr) ab; Schnee fällt während sechs bis sieben Monaten im Jahr.
 
Das Ackerland wird überwiegend für den Anbau von Sojabohnen (etwa 40 % der Gesamterzeugung Chinas), Kauliang (35 %) und Hirse, ferner von Sommerweizen, Gerste, Hafer, Zuckerrüben, Reis und Mais, von Ölfrüchten (Sonnenblumen, Erdnüsse), Baumwolle, Flachs und Tabak genutzt. In den westlichen Steppengebieten hat dagegen die Weidewirtschaft Vorrang. Die riesigen Waldbestände im Großen und Kleinen Chingan sowie im ostmandschurischen Bergland bilden die Grundlage einer bedeutenden Holzwirtschaft. Basis der Industrie sind die reichen Bodenschätze: Steinkohle (Fushun, Fuxin, Benxi u. a.), Eisenerze (Anshan u. a.), Erdöl (Daqing). Der Aufbau der Eisen- und Stahlindustrie (heutige Zentren Anshan, Benxi und Fushun) unter den Japanern in den 1930er-Jahren machte die Mandschurei lange Zeit zum Mittelpunkt der chinesischen Schwerindustrie; Weiterverarbeitung (v. a. Maschinenbau) in Shenyang, Dalian, Harbin und Changchun. Außerdem Aluminium-, chemische, Zement-, Glas-, Papier- und Nahrungsmittelindustrie.
 
Geschichte:
 
Die südliche Mandschurei, seit etwa dem 3. Jahrhundert v. Chr. unter chinesischem Einfluss, gehörte vom 5. bis zum 7. Jahrhundert zum Macht- und Einflussbereich des koreanischen Reiches Koguryŏ, das 668 von dem mit dem chinesischen Tang-Reich verbündeten Königreich Silla unterworfen wurde. Mongolische und tungusische Stämme, die hauptsächlich das Gebiet der Mandschurei bewohnten, gründeten in der Folge verschiedene Reiche (u. a. die Kitan und die Dschurdschen), bis die tungusische Mandschu im 16. und 17. Jahrhundert das Gebiet einigten und 1644, von der regierenden Mingdynastie zur Niederschlagung eines Aufstandes ins Land geholt, die Regierungsmacht in China übernahmen. 1689 wurde die Nordgrenze der Mandschurei gegen russische Angriffe im Vertrag von Nertschinsk dem östlichen Jablonowyjgebirge entlang festgelegt, 1858 aber das Amurgebiet, 1860 die Küstenprovinz an Russland abgetreten. 1896 erhielt Russland die Erlaubnis zum Bau der Ostchinesischen Eisenbahn und besetzte im Boxeraufstand 1900 das ganze Land. Die Aufrechterhaltung der Besetzung war einer der Gründe für den Russisch-Japanischen Krieg (1904-05). Im Frieden von Portsmouth (5. 9. 1905 wurden zwar die chinesischen Hoheitsrechte anerkannt, de facto kam es jedoch zu einer Aufteilung der Mandschurei in ein russisches und ein japanisches Einflussgebiet.
 
Nach dem Zerfall der chinesischen Zentralregierung war die Mandschurei seit etwa 1919 unter Zhang Zuolin und Zhang Xueliang faktisch unabhängig. Auf dem »Nordfeldzug« (China, Geschichte) unterstellte Chiang Kai-shek die Mandschurei 1929 formell wieder der chinesischen Zentralgewalt. Seine Bestrebungen, die Einheit Chinas wiederherzustellen, kollidierten in der Mandschurei mit den Plänen nationalistisch-expansionistischer Militärkreise Japans, den japanischen Herrschaftsraum auf Kosten Chinas zu erweitern.
 
Nach dem von japanischen Offizieren am 18. 9. 1931 inszenierten Anschlag auf die in japanischer Hand befindliche südmandschurische Eisenbahn bei Mukden (Shenyang; »Zwischenfall von Mukden«) marschierten japanischen Truppen (die »Kwantungarmee«) in die Mandschurei ein. Am 18. 2. 1932 erklärte Japan die Mandschurei zum unabhängigen Staat Mandschukuo; die tatsächliche Macht blieb jedoch in japanischer Hand. Am 9. 3. 1932 setzten die Japaner Pu Yi, den letzten chinesischen Kaiser aus der Dynastie der Mandschu, als Regenten ein. Mit dessen Ernennung zum Kaiser am 1. 3. 1934 wurde Mandschukuo zum Kaiserreich. Der Protest Chinas und des Völkerbundes gegen die japanische Aggression in der Mandschurei blieb wirkungslos. Der von einer Kommission des Völkerbundes erarbeitete Lytton-Bericht (September 1932) stellte zwar den überfallartigen Angriff der Japaner fest, suchte aber zugleich politisch zwischen Japan und China zu vermitteln.
 
Die mandschurischen Kohlen- und Eisengruben waren die Hauptstützen der japanischen Rüstung. Trotz des Verkaufs der in sowjetischem Besitz befindlichen Ostchinesischen Eisenbahn an Mandschukuo (1935) ließen die sowjetisch-japanischen Spannungen nicht nach; 1938/39 kam es zu zahlreichen Grenzzwischenfällen; 1939 trat Mandschukuo dem Antikominternpakt bei. Die Konferenzen von Kairo (1943) und Jalta (1945) beschlossen die Rückgabe der Mandschurei an China. Für ihre Zusicherung, in den Krieg gegen Japan einzutreten, erhielt die UdSSR Vorrechte in den (heute zur Stadt Dalian zusammengefassten) Hafenstädten Dairen und Port Arthur. Mit der japanischen Niederlage (August 1945) löste sich das Kaiserreich Mandschukuo auf.
 
Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen (1946) war die Mandschurei Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen nationalchinesischen und kommunistischen Truppen (Oberbefehlshaber: Lin Biao), die mit dem Sieg der Kommunisten (1948) endeten. 1949 wurde das Gebiet der Mandschurei Bestandteil der Volksrepublik China. Die sowjetischen Vorrechte konnten erst allmählich abgebaut werden (1955 Ende der sowjetischen Besetzung von Port Arthur).

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Mand|schu|rei, die; -: nordöstlicher Teil Chinas.

Universal-Lexikon. 2012.