Meis|ter|sang, der <o. Pl.> (Literaturwiss.):
Kunstrichtung des 15. u. 16. Jh.s mit der von Angehörigen der Zünfte nach festen Regeln hervorgebrachten Dichtung.
* * *
Meistersang,
von den Meistersingern zunftmäßig betriebene Liedkunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Meistersinger waren v. a. in Städten sesshafte Dichter-Handwerker. Vorläufer waren die fahrenden Spruchdichter des 13. und 14. Jahrhunderts, die sich »meister« nannten: Frauenlob, Heinrich von Mügeln, Muskatplüt, auch noch M. Beheim. Bekanntester Meistersinger des 15. Jahrhunderts war H. Folz, des 16. Jahrhunderts H. Sachs. Nach dem Tod von Sachs (1576) setzte der Niedergang des Meistersangs ein, institutionell bestand er zum Teil bis zum 19. Jahrhundert weiter (in Ulm bis 1839, in Memmingen bis 1875). - Als Stifter verehrte der Meistersang die »vier gekrönten Meister« Frauenlob, Barthel Regenbogen, den Marner und Heinrich von Mügeln, als Vorbilder dienten auch die »zwölf alten Meister« (u. a. Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach); als Ursprungssitz galt Mainz, wo Frauenlob um 1315 die erste Meistersingerschule begründet haben soll.
Die Anlehnung an den Minnesang zeigt sich besonders in der Form der Meisterlieder (Meistersangstrophe), die Nähe zur Spruchdichtung im Inhalt; die Meistersinger betonten ihre gelehrte Bildung und neigten zum Lehrhaften und Erbaulichen. Oberstes Gebot war die Einhaltung der Norm. Das Stoffrepertoire des Meistersangs blieb konstant, geistliche Stoffe hatten zunächst Vorrang. Formale Neuerungen waren u. a. das Prinzip der Silbenzählung, die strenge Alternation, der jambische Gang der Verse. Die Regeln, Praktiken und die Terminologie des Meistersangs wurden v. a. in der Tabulatur niedergelegt.
Die Meistersinger einer Stadt organisierten sich in der Singschule, eine Bezeichnung, die auch auf die einzelne Singveranstaltung angewendet wurde. Hier unterschied man zwischen dem Hauptsingen in der Kirche (anfangs nur über religiöse Themen, später auch über ernste weltliche) und dem der Unterhaltung dienenden Zechsingen im Wirtshaus. Der Vortrag der Lieder war solistisch, ohne Instrumentalbegleitung. Anfangs durften die Dichter lediglich den Tönen der »zwölf alten Meister« neue Texte unterlegen, gegen 1480 vollzog Folz eine Reform: Es konnte nur der ein Meister werden, der einen neuen Ton (Text und Melodie) geschaffen hatte. Die Meistersingerzunft war streng hierarchisch gegliedert: Auf der untersten Stufe standen die nur reproduzierenden »Singer«; wer auf eine der autorisierten Melodien einen eigenen Text verfassen konnte, durfte sich »Dichter« nennen; als »Meister« galt der Schöpfer eines neuen Tons; an der Spitze dieser Pyramide rangierten als künstlerische Zensoren, die »Merker«.
Die Zentren des Meistersangs lagen in Süd- und Südwestdeutschland. In der ersten Phase war Mainz der führende Ort des Meistersangs, später gingen die wesentlichen Impulse von Nürnberg aus, das seinen Ruhm besonders Sachs verdankte. Weitere Schulen befanden sich v. a. in Augsburg (seit 1449; im 16. Jahrhundert mit relativ vielen Nichthandwerkern, u. a. Schulmeistern), Straßburg, Freiburg im Breisgau, Colmar (J. Wickram), Steyr, Iglau und Breslau. - Die bedeutendste erhaltene Sammlung von Meisterliedern ist die Colmarer Liederhandschrift.
H. O. Burger: Die Kunstauffassung der frühen Meistersinger (1936);
B. Nagel: Der dt. M. (1952);
B. Nagel: M. (21971);
Der dt. M., hg. v. B. Nagel (1967);
H. Brunner: Die alten Meister (1975);
H. Kugler: Handwerk u. Meistergesang (1977);
C. Petzsch: Die Kolmarer Liederhandschrift (1978);
Repertorium der Sangsprüche u. Meisterlieder des 12. bis 18. Jh., hg. v. H. Brunner u. a., auf zahlr. Bde. ber. (1986 ff.);
Die Schulordnung und das Gemerkbuch der Augsburger Meistersinger, hg. v. H. Brunner u. a. (1991).
* * *
Meis|ter|sang, der <o. Pl.>: Meistergesang.
Universal-Lexikon. 2012.