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Nụ̈rn|berg:
Stadt in Mittelfranken.
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Nụ̈rnberg,
1) kreisfreie Stadt in Mittelfranken, mit 486 600 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Bayerns. Nürnberg liegt an der Pegnitz, 10 km östlich des Zusammenflusses mit der Rednitz, 290-407 m über dem Meeresspiegel; im Westen mit Fürth verwachsen. Nürnberg ist Wirtschafts-, Verwaltungs- und kulturelles Zentrum Mittelfrankens, hat die Fachbereiche Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg, Fachhochschule, Evangelische Stiftungsfach-Fachhochschule (für Erziehung), Akademie der bildenden Künste; Sitz der Bundesanstalt für Arbeit; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; Oberfinanzdirektion, Oberlandesgericht. Zu den zahlreichen Museen gehören u. a. Germanisches Nationalmuseum, Neues Museum - Staatliches Museum für Kunst und Design, Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, Spielzeugmuseum, Verkehrsmuseum, Gewerbemuseum, Museum Natur und Mensch, Centrum Industriekultur; Staatsarchiv, Bibliotheken; Opernhaus, Schauspielhaus, Kammerspiele, Meistersingerhalle; zoologischer Garten; Automobilrennstrecke (Norisring).
Nürnberg ist als Teil des Wirtschaftsgebietes Nürnberg-Erlangen-Fürth-Schwabach das wichtigste Dienstleistungs- und Industriezentrum Nordbayerns. Von den vielfältigen Industriezweigen, die zum Teil aus dem mittelalterlichen Handwerk hervorgegangen sind, wurde nach 1945 die Elektrotechnik der wichtigste, gefolgt von Maschinen-, Fahrzeugbau, Druck-, chemische, Metallwaren-, Spielwaren-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie (u. a. Lebkuchen), Schmuckwaren-, Bleistiftherstellung. Die alljährliche Spielwarenmesse (neues Messezentrum im Südosten der Stadt) besitzt weltweite Bedeutung; zu den jährlich rd. 50 Messen gehörten die Erfindermesse sowie die Jagd- und Sportwaffenmesse. Überregionale Anziehungskraft hat der um 1640-50 entstandene »Christkindlesmarkt« (Freitag vor dem 1. Advent-24. 12.; ursprünglich »Kindleinsmarkt« genannt, da hier die Eltern für ihre Kinder einkauften); das mit dem Fasching verbundene »Schembartlaufen« ist seit dem 14. Jahrhundert bezeugt. - Seit 1972 ist der Hafen Nürnberg am Rhein-Main-Donau-Großschifffahrtsweg in Betrieb, seit 1967 wird an einem U-Bahn-Netz gebaut, das heute die Trabantenstadt Langwasser mit der Innenstadt und Fürth verbindet; eine zweite Linie führt von Röthenbach über die Stadtmitte in den Nordosten der Stadt und weiter bis zum Flughafen (Die Fertigstellung erfolgte 1999). - Stadtkern und Geschäftszentrum ist die von der etwa 5 km langen, um 1400 errichteten Stadtbefestigung umgebene Altstadt. Noch landwirtschaftlich geprägtes Stadtgebiet ist das »Knoblauchsland« im Norden, das traditionelle Gemüseanbaugebiet.
Trotz starker Zerstörung im Zweiten Weltkrieg lässt Nürnberg nach dem Wiederaufbau das historische Stadtbild erkennen. Die Pegnitz teilte Nürnberg in die ältere Sebalderstadt (im Norden) und die seit dem 12. Jahrhundert entstandene Lorenzerstadt (im Süd). Die Stadtbefestigung mit rund 60 Türmen (14./15. Jahrhundert) ist größtenteils erhalten. Der riesige Komplex der Burg besteht aus der Burggrafen- und Kaiserburg (Museum), sie entstand im 11./12. Jahrhundert, Umbauten bis ins 15./16. Jahrhundert, den Kaiserstallungen (1494/95; jetzt Jugendherberge) sowie der staufischen Doppelkapelle (um 1180). Die evangelische Stadtpfarrkirche Sankt Sebald, eine doppelchörige Pfeilerbasilika (um 1240-73) mit beherrschender Doppelturmfassade, verfügt über eine hervorragende Ausstattung; mehrere Arbeiten von V. Stoß, das Sebaldusgrab von P. Vischer dem Älteren und bedeutende Wand- und Glasgemälde. In der doppeltürmigen Lorenzkirche, Baubeginn 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts (mit spätgotischem Hallenchor, 1439-77), der Englische Gruß von Stoß (1517/18), das Sakramentshaus von A. Krafft (1493-96) sowie eine Fensterrose in der Westfassade. Am Hauptmarkt die Frauenkirche mit fialenbesetztem Staffelgiebel (1352 begonnen) und Kunstuhr (»Männleinlaufen«, 1509), im Innern reicher Skulpturenschmuck und »Tucheraltar« (um 1440/50). Vor der Kirche der Schöne Brunnen (14. Jahrhundert). In der gotischen Jakobskirche (14./15. Jahrhundert) kunsthistorisch bedeutende Altäre; barocker Neubau der Egidienkirche (1711-18; ursprünglich 12. Jahrhundert). Die Elisabethkirche der ehemaligen Deutschordenskommende ist ein klassizistischer, überkuppelter Zentralbau (1784 begonnen, 1805 Baueinstellung). Am Ludwigsplatz der »Ehekarussell-Brunnen« von Jürgen Weber (1984). Nachdem das Pellerhaus (1602-05) im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde (heute Teile wiederhergestellt und in den Neubau von Stadtarchiv und -bibliothek einbezogen), gilt das Rathaus (1616-22) mit dem Saalbau (1332-40) und dem Ratsstubenbau (1514/15) als ältester Profanbau der Stadt. Das Nassauer Haus ist ein mittelalterliches Turmhaus (13./15. Jahrhundert), davor der Tugendbrunnen (1585-89); Heilig-Geist-Spital (1332-39, ab 1489 erweitert); die Mauthalle (1498-1502) wurde als Kornhaus erbaut. Spätgotischer Fachwerkbau des Albrecht-Dürer-Hauses (Museum); Haus zum geharnischten Mann (1489); Fembohaus (1591-96) mit dreigeschossigen Hofgalerien (Stadtmuseum). Das Tucherschlösschen (1533-44) ist ein vollständig eingerichteter, repräsentativer Renaissance-Sommersitz (Museum). In neubarockem Stil gebaut sind Hauptbahnhof (1900-05) und Opernhaus (1903-05, im Foyer die Amazonenschlacht von A. Feuerbach, 1873). Zeppelinfeld (1937, von A. Speer) und Kongresshalle (1937, von L. Ruff) sind unvollendet gebliebene Teile des nationalsozialistischen Reichsparteitaggeländes. Die Meistersingerhalle (1963 eröffnet) ist Kulturzentrum. Das Süd-Klinikum gehört durch seine architektonische Konzeption zu den fortschrittlichsten Krankenhäusern der Erde (Architekten J. Joedicke u. a.). 1995 wurde ein modernes Kinozentrum, die »Cinecittà«, eröffnet. Gegenüber dem Hauptbahnhof entstand das Neue Museum - Staatliches Museum für Kunst und Design (1996-2000, Architekt: Volker Staab). Der österreichische Architekt Günther Domenig errichtete das Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände (2001 eröffnet).
Auf ursprünglich bairisches Siedlungsgebiet entstand gegen 1000 die anlässlich eines Hoftags 1050 erstmals urkundlich belegte Nourenburc (»Felsberg«). In Anlehnung an die Burg entwickelte sich eine Ortschaft, die vor 1062 Sitz einer Münzstätte und vor 1122 Zollstätte war. 1219 erhielt Nürnberg, seit 1200 Stadt, von Kaiser Friedrich II. weit reichende Privilegien. Die seit 1245 bezeugte Stadtgemeinde, der Zusammenschluss der auf beiden Pegnitzufern erwachsenen Ortschaften, wurde 1323 mit einer gemeinsamen Mauer befestigt. 1256 traten erstmals Ratsherren in Erscheinung. Unter Rudolf I. von Habsburg begann Nürnbergs Aufstieg zur Reichsstadt. 1320 wurde die Hochgerichtsbarkeit erlangt. Die Goldene Bulle bestimmte 1356, dass jeder neu gewählte Römische König seinen ersten Reichstag in Nürnberg abzuhalten habe. 1424-1796 (und wieder 1938-45) war die Stadt Aufbewahrungsort der Reichskleinodien. Die Entwicklung der patrizischen Ratsverfassung war gegen 1400 abgeschlossen. Bis 1427 konnte sich Nürnberg durch Kauf der Burg und finanzielle Ablösung der meisten burggräflichen Rechte aus der Abhängigkeit seiner Burggrafen lösen. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts waren die Gewerbe, besonders die Metallverarbeitung, hoch entwickelt. Das Nürnberger Gewerberecht hatte ebensolche Vorbildfunktion wie das Stadtrecht.
Um 1500 erlebte Nürnberg einen Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens: 1504/05 im Landshuter Erbfolgekrieg und danach erwarb die Stadt ein großes Landgebiet, konnte sich aber in dem unmittelbar vor der Stadt gelegenen Gebiet nicht endgültig durchsetzen.
Bereits früh hatte Nürnberg durch Bodenkultur und strenge Forstaufsicht (u. a. seit 1368 Waldbesamung) sein Umland systematisch genutzt und geschützt. 1524 führte die Stadt die Reformation ein und erreichte in dieser Zeit neben der wirtschaftlichen auch eine kulturelle Blüte. A. Dürer, V. Stoß, W. Pirckheimer, C. Celtis, M. Behaim, Regiomontanus, H. Sachs, H. Rosenplüt wirkten in der Stadt. Das 1526 in Nürnberg gegründete Deutsche Gymnasium wurde 1575 nach Altdorf verlegt und zur Akademie erhoben (ab 1623 Universität). Erst im Dreißigjährigen Krieg setzte der politische und wirtschaftliche Abstieg Nürnbergs ein. 1792 und 1796 musste die Stadt die Okkupationen von Teilen des Stadtgebiets durch Bayern und Preußen hinnehmen. Durch die Rheinbundakte von 1806 fiel Nürnberg unter Verlust der Reichsfreiheit an Bayern. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Nürnberg zur führenden Industriestadt Bayerns. 1835 wurde zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen. In der nationalsozialistischen Zeit wurde Nürnberg als »Stadt der Reichsparteitage« bezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die Siegermächte in der Stadt die Nürnberger Prozesse durch.
W. Schwemmer: Das Bürgerhaus in N. (1972);
G. Schneider-Hiller: Das Landgebiet der Reichsstadt N. (1976);
Industriekultur in N., hg. v. H. Glaser u. a. (1980);
L. Schnurrer: Das Territorium der Reichsstadt N., in: Jb. des Histor. Vereins für Mittelfranken, Bd. 89 (1982);
Reformation der Stadt N., hg. v. G. Köbler (1984);
N. 1300-1550. Kunst der Gotik u. Renaissance, hg. v. G. Bott u. a., Ausst.-Kat. (1986);
W. Schultheiss: Kleine Gesch. N.s (21987);
Architektur in N. 1904-1994, bearb. v. K. J. Sembach u. a. (21994);
Bauen in N. 1933-1945, Architektur u. Bauformen im Nationalsozialismus, Beitrr. v. H. Beer u. a., Ausst.-Kat. Stadtarchiv Nürnberg (1995).
2) ehemalige Burggrafschaft im Bereich der Stadt Nürnberg. Die gegen 1000 entstandene Reichsburg Nürnberg entwickelte sich zum Mittelpunkt eines umfangreichen Reichsterritoriums, dessen Grundlagen die gegen 1105 mit der Burg belehnten Grafen von Raab schufen. Ihnen folgten die ihnen in weiblicher Linie verwandten Grafen von Zollern, die in ständigen Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt ihr Herrschaftsgebiet im heutigen Mittel- und Oberfranken ausbauten. So umfasste ihr Besitz u. a. Bayreuth, Ansbach, Kulmbach, Hof, Erlangen, Schwabach. Nachdem Burggraf Friedrich VI. 1415/17 mit der Mark Brandenburg belehnt worden war, ging die Burggrafschaft Nürnberg in der Folge in den Markgrafschaften Bayreuth und Kulmbach auf (Hohenzollern). 1420 wurde die Burg in Nürnberg zerstört, 1427 verkauften die Burggrafen sie und die meisten ihrer Rechte in Nürnberg an die Reichsstadt.
Christian Meyer: Gesch. der Burggrafschaft N. u. der späteren Markgrafschaften Ansbach u. Bayreuth (1908);
A. Schwammberger: Die Erwerbspolitik der Burggrafen von N. in Franken (1932).
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Nụ̈rn|berg: Stadt in Mittelfranken.
Universal-Lexikon. 2012.