Odỵs|seus:
griechischer Sagenheld (König von Ithaka).
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Odỵsseus,
griechisch Odysseus, lateinisch Ulịxes, griechischer Mythos: Sohn des Laertes und der Antikleia, Gemahl der Penelope und Vater des Telemach, König von Ithaka, einer der Helden des Trojanischen Krieges. Zunächst suchte er sich der Teilnahme am Krieg, zu dem er als ehemaliger Freier der Helena verpflichtet war, zu entziehen, indem er sich wahnsinnig stellte (Palamedes). Dann jedoch zeichnete er sich durch besondere List, diplomatisches Geschick (so gewann er Achill für den Kampf und holte Philoktet von Lemnos sowie Neoptolemos von Skyros), aber auch durch Kampfkraft aus (nach dem Tod Achills gewann er dessen Waffen, nach späterer Version entführte er auch das Troja schützende Palladion); auf seinen Rat hin wurde auch das hölzerne Pferd gebaut, mit dessen Hilfe die Griechen Troja eroberten. Bei allen seinen Unternehmungen half ihm die Göttin Athene.
Odysseus' Irrfahrten und seine Heimkehr nach dem Fall Trojas schildert die Odyssee. Er gelangte zu den Lotophagen und zu den Kyklopen, wo er den einäugigen Riesen Polyphem, den Sohn des Poseidon, blendete, was ihm den unerbittlichen Hass Poseidons eintrug, zur Insel des Windgottes Aiolos, den Menschen fressenden Lästrygonen und zur Zauberin Kirke. Am Rand des Hades befragte er Teiresias über seine Heimkehr und fuhr dann an den Sirenen vorbei, deren gefährlich betörendem Gesang er entrann, indem er seinen Gefährten die Ohren mit Wachs verstopfte und sich selbst an den Mast seines Schiffes festbinden ließ. Er durchfuhr die Meerenge zwischen den Seeungeheuern Skylla und Charybdis und landete auf der Insel des Helios, wo seine Gefährten die Rinder des Gottes schlachteten und mit ihrem Schiff vom Blitz zerschmettert wurden. Allein erreichte er dann die Insel Ogygia der Nymphe Kalypso, die ihn sieben Jahre bei sich zurückhielt. Auf der Weiterfahrt wurde sein Floß im Sturm von Poseidon zerstört. Durch den Schleier der Leukothea (Ino) wurde er jedoch gerettet und durch Nausikaas Vermittlung von König Alkinoos auf Scheria, der Insel der Phäaken, aufgenommen. Schlafend wurde er von den Phäaken in Ithaka abgesetzt und betrat nach zwanzigjähriger Abwesenheit in Bettlergestalt sein Haus. Mit Telemachs und der Hirten Eumaios und Philoitios Hilfe tötete er die Freier, die sich um die Hand seiner Gemahlin Penelope bewarben und sein Gut verprassten; als Einziger bestand er die von Penelope ihren Freiern auferlegte Probe als Bedingung für den Gewinn des Königtums und ihrer Gunst: Nur ihm gelang es, seinen früheren Bogen zu spannen; dann gab er sich Penelope zu erkennen. Über sein weiteres Schicksal gehen die Überlieferungen auseinander; bekannt ist u. a. die Geschichte seiner Tötung durch Telegonos, seinen Sohn mit Kirke, der auf der Suche nach seinem Vater diesen, ohne ihn zu erkennen, umbrachte.
Odysseus und seine Taten und Abenteuer wurden seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. auf Vasen dargestellt: In der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts entstand in Attika eine geometrische Kanne mit der Darstellung des Schiffbruchs des Odysseus (München, Antikensammlung), im 7. Jahrhundert wurde u. a. die Flucht aus der Höhle des Polyphem oder dessen Blendung gestaltet (Krater des Töpfers Aristonothos; Rom, Konservatorenpalast), im 6. Jahrhundert kamen Motive aus dem Trojanischen Krieg (Raub des Palladions, Streit um die Waffen Achills, Tötung des Rhesos) sowie weitere Motive der Irrfahrten (z. B. Odysseus bei Kirke, Odysseus und die Sirenen) hinzu. Auch freiplastische Zyklen (Funde in Sperlonga, Baia) und Wandmalereien sind erhalten. Die Odysseelandschaften aus einer römischen Villa auf dem Esquilin (1. Jahrhundert v. Chr.) zeigen den an die Küste des Landes der Lästrygonen verschlagenen Odysseus, Odysseus vor dem Palast der Kirke und Odysseus in der Unterwelt. Auf frühchristlichen Sarkophagen und im Mittelalter lassen sich das Sirenen- und Skylla-Abenteuer nachweisen. Der gesamte Themenkreis gewann seit der Renaissance wieder an Bedeutung.
Bei Homer erscheint Odysseus als listenreicher Held (»Ilias«) und siegreicher Dulder (»Odyssee«), in den Dichtungen der griechischen Tragiker wird er überwiegend negativ gezeichnet. Die mittelalterliche Dichtung verurteilte Odysseus als einen durch Irrfahrten bestraften Ruhelosen (Dante, »Divina Commedia«, entstanden seit 1311, gedruckt 1472). Im 17. Jahrhundert rückte Odysseus in den Mittelpunkt dichterischer Werke, in denen zum Teil nur einzelne Episoden bearbeitet wurden. Dramen schrieben u. a. P. Caldéron de la Barca (»El mayor encanto, amor«, 1635), S. Rettenpacher (»Prudentia victrix seu Ulysses«, 1680) und N. Rowe (»Ulysses«, 1706). Moderne dramatische Bearbeitungen stammen u. a. von G. Hauptmann (»Der Bogen des Odysseus«, 1914), R. J. Sorge (»Odysseus«, 1925), K. Klinger (»Odysseus muß wieder reisen«, 1954), Romane von H. W. Geissler (»Odysseus und die Frauen«, 1947; »Odysseus und Penelope«, 1970), Erzählungen von L. Feuchtwanger (»Odysseus und die Schweine«, 1946). N. Kasantzakis führt in seinem Epos »Odisia« (1938) das Schicksal des Helden über seine Heimkehr hinaus fort. J. Joyce übernahm für seinen monumentalen Roman »Ulysses« (1922) die Grundstruktur der »Odyssee«, kehrte aber die Irrfahrt in eine Bewusstseinsreise um. J. Giraudoux (»Elpénor«, 1919) und W. Jens (»Das Testament des Odysseus«, 1957) setzten in ihren Romanen parodistische Akzente. Musikalisch verarbeitet wurden die Abenteuer des Odysseus u. a. in den Opern von C. Monteverdi (»Il ritorno d'Ulisse in patria«, 1640), R. Keiser (»Ulysses«, 1702), W. Egk (»Circe«, 1948, nach Caldéron de la Barca) und von L. Dallapiccola (»Ulisse«, 1968).
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Odỵs|seus: griechischer Sagenheld (König von Ithaka).
Universal-Lexikon. 2012.