Spịtz|ber|gen; -s:
Inselgruppe im Nordpolarmeer.
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Spịtzbergen,
norwegisch Spịtsbergen, zu Norwegen gehörende Inselgruppe im Nordpolarmeer, 567 km vom norwegischen Festland entfernt, die Hauptinseln sind Spitzbergen (bis 1969 Westspitzbergen, norwegisch Spitsbergen, 39 368 km2), Nordostland (Nordaustland, 14 530 km2), Edge-Insel (Edgeøya, 5 030 km2), Barentsinsel (Barentsøya, 1 330 km2) und Prinz-Karl-Vorland (Prins Karls forland, 640 km2); nur die Insel Spitzbergen ist bewohnt.
Spitzbergen bildet den Hauptteil des Verwaltungsgebietes Svalbard, das alle Inseln und Felsen zwischen 74º und 81º nördliche Breite sowie 10º und 35º östliche L. umfasst, also auch die Inseln Hopen (46 km2, mit ständig besetzter Wetterstation) und Kvitøya (250 km2), die Inselgruppe König-Karl-Land (Kong Karls land, 330 km2) und die Bäreninsel (Bjørnøya, 178 km2, mit ständig besetzter Wetterstation); zusammen rd. 63 000 km2. Etwa 60 % der Fläche sind vergletschert. Von den 2 900 Einwohner sind 1 300 Norweger, 1 600 v. a. Russen u. a. Bürger der GUS. Sitz des Gouverneurs (»sysselmann«) von Svalbard ist Longyearbyen (1 100 Einwohner).
Geologisch bestehen die noch zum europäischen Festlandsockel gehörenden Inseln hauptsächlich aus präkambrischen bis tertiären Gesteinen; Spitzbergen wurde von der kaledonischen Gebirgsbildung erfasst und erneut im Tertiär gefaltet. Die Kohlenflöze von Pyramiden wurden im Karbon, die von Longyearbyen und Barentsburg in der Kreide und im Tertiär gebildet. Die Küsten sind vielfach durch Fjorde stark gegliedert. Alpine, stark vergletscherte Oberflächenformen herrschen im Westteil der Insel Spitzbergen vor, im Inneren und auf den Inseln im Osten zumeist eisbedeckte Hochflächen; höchster Berg der Inselgruppe ist die Newtonspitze auf der Insel Spitzbergen (1 717 m über M.).
Durch den Westspitzbergenstrom im Europäischen Nordmeer ist das Klima an der Westküste der Insel Spitzbergen milder als nach der geographischen Lage zu erwarten wäre: Die Durchschnittstemperaturen betragen im Juli 5-6 ºC, von Januar bis März —8 bis —16 ºC. Andere Gebiete von Svalbard haben niedrigere Temperaturen. Die Jahresniederschlagsmengen sind gering (Longyearbyen 200 mm). Polarnacht herrscht in Longyearbyen vom 28. Oktober bis 14. Februar, Mitternachtssonne vom 21. April bis 21. August. Der Dauerfrostboden ist 100 m (im Küstenbereich) bis 500 m mächtig. Auf den Inseln gibt es über 175 Gefäßpflanzenarten (Tundrenvegetation); Bäume und Sträucher fehlen, weite Gebiete sind vegetationslos. Landsäugetiere sind Eisbär, Polarfuchs und das Svalbard-Ren. Der Bestand an Meeressäugetieren ist aufgrund der Jagd in früheren Zeiten stark reduziert. Auf den Inseln brüten regelmäßig über 30 der etwa 150 vorhandenen Vogelarten; nur das Schneehuhn überwintert.
Jagd und Fischerei sind heute streng reglementiert. Wichtigster Wirtschaftszweig ist der Steinkohlenbergbau: Russische Grubensiedlungen sind Barentsburg (etwa 1 000 Einwohner) und Pyramiden (etwa 700 Einwohner); das norwegische Unternehmen Store Norske Spitsbergen Kulkompani A/S hat Bergwerke in Longyearbyen und in Svea (hier ist die Förderung zurzeit eingestellt). Das norwegische Bergwerk in Ny-Ålesund (78º 55' nördliche Breite) wurde 1962 stillgelegt. Die Kohleförderung betrug 1994 auf norwegischer Seite 301 000 t sowie auf russischer Seite 486 000 t. Seit 1968 befindet sich in Ny-Ålesund die ganzjährig besetzte Forschungsstation des norwegischen Polarinstituts (v. a. Nordlichtbeobachtung, auch Startplatz für Forschungsraketen) und seit 1991 die deutsche Carl-Koldewey-Station des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung (Erforschung der Lufthülle der Erde, besonders der Ozonschicht über der Arktis; ganzjährig von 14-20, im Sommer von bis zu 100 Wissenschaftlern besetzt). Eine polnische Forschungsstation liegt am Hornsund im Südwesten der Insel Spitzbergen. In Longyearbyen, das seit 1975 einen Flughafen hat, wurden 1994 31 000 Übernachtungen von Touristen registriert. Jährlich wird Svalbard von etwa 30 Kreuzfahrtschiffen besucht; die Zahl der Tagestouristen liegt bei rd. 24 000. Die Kohle wird hauptsächlich von Juli bis September verschifft.
Spitzbergen ist wahrscheinlich identisch mit dem 1194 in isländischen Annalen erwähnten Svalbard (»kalte Küste«), das im 12. Jahrhundert von Wikingern aufgesucht wurde. 1596 entdeckte der Niederländer W. Barents die Inselgruppe neu; bis ins 18. Jahrhundert glaubte man aber noch, dass Spitzbergen mit Grönland verbunden sei. 1611 begann der Wal- und Walrossfang, zunächst v. a. durch Engländer und Niederländer, die 1618 die Küste teilten, später auch unter Beteiligung von Dänen, Norwegern, Deutschen, Franzosen und Russen (Letztere seit 1715); die Niederländer legten als Sommersiedlung Smeerenburg an. Mit dem Rückgang des Wal- und Walrossfangs nach radikaler Reduzierung der Bestände ließ das Interesse an Spitzbergen nach (weiterhin Pelztier- und Robbenjagd). Spitzbergen war Ausgangspunkt zahlreicher Nordpolarexpeditionen. Wichtige wissenschaftliche Expeditionen zur Erforschung von Spitzbergen unternahmen im 19. Jahrhundert die Schweden A. E. Nordenskiöld, Alfred Nathorst (* 1850, ✝ 1921), G. De Geer und der Deutsche C. Koldewey auf seiner ersten deutschen Nordpolarexpedition, im 20. Jahrhundert die Norweger Gunnerius Isachsen (* 1868, ✝ 1939) und Adolf Hoel (* 1879, ✝ 1964). In einem internationalen Abkommen (Vertrag von Sèvres vom 9. 2. 1920, Spitzbergenvertrag) wurden die zwischen Norwegen und Sowjetrussland strittigen Inseln 1920 Norwegen zugesprochen, vorbehaltlich dem Recht aller Signatarmächte zum freien Zugang, zu Jagd, Fischerei und Bergbau, insbesondere der Möglichkeit der Kohleförderung, von der neben Norwegen nur die UdSSR Gebrauch machte (in ihrer Nachfolge Russland). 1925 wurde Spitzbergen Norwegen eingegliedert. Im Zweiten Weltkrieg evakuierten alliierte Truppen 1941 die Bevölkerung und steckten die Bergwerke in Brand; 1943 zerstörte die deutsche Kriegsmarine mehrere Siedlungen. 1949 wurde Spitzbergen gegen den Widerspruch der UdSSR in die NATO einbezogen.
V. Hisdal: Geography of Svalbard (Oslo 1976);
A. Umbreit: S.-Handbuch (1989);
C. Wüthrich: Die Bodenfauna in der arkt. Umwelt der Kongsfjords (S.) (Basel 1989);
Geowiss. S.-Expedition 1990 u. 1991 »Stofftransporte Land-Meer in polaren Geosystemen«. Zwischenbericht, hg. v. W. D. Blümel (1992);
Geowiss. S.-Expedition 1990 bis 1992 (SPE) »Stofftransporte Land-Meer in polaren Geosystemen«. Kurzfassungen publizierter Arbeiten, hg. v. W. D. Blümel: (1996).
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Spịtz|ber|gen; -s: Inselgruppe im Nordpolarmeer.
Universal-Lexikon. 2012.