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Berufskrankheiten
Berufskrankheiten,
 
früher Gewerbekrankheiten, Erkrankungen, die durch Arbeitsweise, Arbeitsverfahren oder zu verarbeitende Stoffe in Ausübung einer gegen Unfall versicherten Arbeit entstehen und nach § 551 Absatz 1 RVO (ab 1. 1. 1997 § 9 Absatz 1 SGB VII) als solche bezeichnet werden und in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen sind. Auf der Grundlage der RVO (§ 547 alter Fassung) wurden bereits 1925 in Deutschland die Berufskrankheiten den Arbeitsunfällen versicherungsrechtlich gleichgestellt. Sie sind anzeigepflichtig und werden durch die gesetzliche Unfallversicherung entschädigt. Eine Berufskrankheit wird nicht durch ein plötzlich auftretendes Ereignis wie ein Arbeitsunfall ausgelöst, sondern durch schädigende Einwirkungen und Tätigkeiten, die in der Anlage I zur Berufskrankheitenverordnung vom 20. 6. 1968 (mit späteren Änderungen) genannt und geeignet sind, die dort aufgeführten Krankheiten zu verursachen. Die Berufskrankheitenverordnung findet seit 1. 1. 1992 in den neuen Ländern Anwendung. Die Berufskrankheitenliste umfasst zurzeit 64 entschädigungspflichtige Berufskrankheiten. Nach Ursachen und Formen werden hierbei unterschieden:
 
1) Berufskrankheiten infolge chemischer Einwirkungen, und zwar durch a) Metalle und deren Verbindungen, v. a. Blei, Quecksilber, Chrom, Cadmium, Mangan, Thallium, Vanadium, Arsen, Phosphor, Beryllium, b) die Erstickungsgase Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff, c) Lösungsmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel u. a. chemische Stoffe, v. a. aromatische Amine, die zu Schleimhautveränderungen, Krebs oder anderen Neubildungen der Harnwege führen, Halogenkohlenwasserstoffe, Benzol und seine Homologe und deren Abkömmlinge, Schwefelkohlenstoff, Methanol, organische Phosphorverbindungen, Fluor und Fluorverbindungen, Salpetersäureester, halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide und -sulfide, Säuren, die zu Zahnschäden führen, Benzochinon, Butylphenol, Isocyanate;
 
2) Berufskrankheiten infolge physikalischer Einflüsse, und zwar a) durch mechanische Einwirkungen, die zu Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze führen, sofern sie zur Unterlassung der verursachenden Tätigkeit gezwungen haben, Meniskusschäden durch mehrjährige, überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten, Erkrankungen infolge mechanischer Schwingungseinflüsse (z. B. durch Druckluftwerkzeuge), chronische Schleimbeutelerkrankungen und Nervenlähmungen durch ständigen Druck (Drucklähmung), Abrissbrüche der Wirbelfortsätze, bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule durch langjährige Überlastung oder Ganzkörperschwingungen, b) Erkrankungen bei Arbeiten unter erhöhtem Luftdruck (Druckluftkrankheit), c) Schädigungen durch Lärm (Lärmschwerhörigkeit), d) Schäden durch Wärmestrahlen (Feuerstar) und ionisierende Strahlen;
 
3) Berufskrankheiten durch Infektionserreger oder Parasiten, insbesondere a) Infektionskrankheiten von Versicherten im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege, in Laboratorien oder bei ähnlichen Tätigkeiten mit Infektionsrisiko, b) von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten (Zoonosen), c) Wurmkrankheiten der Bergleute (Hakenwurmkrankheit, Strongyloidose), d) Tropenkrankheiten, Fleckfieber;
 
4) Berufskrankheiten der Atemwege, Lunge, des Rippen- oder Bauchfells, verursacht durch a) anorganische Stäube in Form der Staublungenkrankheit (auch in Verbindung mit Lungentuberkulose und -krebs) durch Quarz-, Asbest-, Aluminium-, Hartmetallstaub, Thomasmehl (Asbesterkrankungen, Staublunge), b) organische Stäube, v. a. Dreschstaub (Farmerlunge) oder Rohbaumwoll- und Flachsstaub (Byssinose) sowie Holzstäube (Krebs der Nase und der Nasennebenhöhlen), c) obstruktive Atemwegerkrankungen durch allergisierende, chemisch reizende oder giftig wirkende Stoffe, wenn die Schädigung zur Tätigkeitsaufgabe geführt hat (Atemwegsobstruktion, Berufsasthma);
 
5) Berufskrankheiten in Form von Hautkrankheiten, a) v. a. schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren (Berufsdermatosen), b) als Hautkrebs oder zu Krebsbildung neigende Hautveränderungen, v. a. durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthracen und Pech (Krebs, Krebs erzeugende Arbeitsstoffe);
 
6) Berufskrankheiten sonstiger Ursache wie das Augenzittern der Bergleute (Nystagmus).
 
Nach § 551 Absatz 2 RVO (ab 1. 1. 1997 § 9 Absatz 2 SGB VII) kann die gesetzliche Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn diese nicht in der Berufskrankheitenliste enthalten ist, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Absatz 1 RVO (ab 1. 1. 1997 § 9 Absatz 1 SGB VII) erfüllt sind. Unter den entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten nehmen die Lärmschwerhörigkeit und die berufsbedingten Hauterkrankungen die vorderen Plätze ein.
 
Literatur:
 
B.-Recht, bearb. v. W. Elster u. a., Losebl. (1977 ff., Stand Oktober 1994);
 
Die B.-Verordnung, begr. v. M.-E. Wendland, fortgef. v. G. Mehrtens u. a., Losebl. (1977 ff., Stand Februar 1996);
 F. Eggeling: B.-Risiken der 196 am häufigsten betroffenen Berufe (1980);
 F. Eggeling: Zur Epidemiologie der B. (1980);
 H. Thiele: B. (1986);
 
B. u. medizin. Arbeitsschutz, begr. v. R. Wagner u. a., fortgef. v. T. Giesen u. a., Losebl. (71988 ff.).
 

Universal-Lexikon. 2012.