Lụn|gen|tu|ber|ku|lo|se 〈f. 19; unz.; Med.〉 Tuberkulose der Lunge
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Lụn|gen|tu|ber|ku|lo|se, die:
Tuberkulose im Bereich der Lunge.
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Lungentuberkulose,
meldepflichtige Infektionskrankheit der Lunge, häufigste Form der vom Mycobacterium tuberculosis hervorgerufenen Tuberkulose.
Bei der Erstansteckung gelangen die Tuberkelbakterien von einem Ausscheider durch Tröpfcheninfektion, selten durch bakterienhaltigen Staub mit der Atemluft in die Lunge. Die früher häufige Infektion über die Milch erkrankter Kühe kommt nach weitgehender Ausrottung der Rindertuberkulose in den Industrieländern kaum noch vor. Von den Infizierten erkranken im Laufe ihres Lebens lediglich 5-10 %; in den übrigen Fällen entwickelt sich eine relative Immunität, die einen weitgehenden Schutz vor Zweitinfektionen von außen (Superinfektion) verleiht.
Wenige Wochen nach der Erstinfektion entsteht als Reaktion des Immunsystems eine Allergie gegen Tuberkelproteine, die (bei fehlender Impfung) einen Nachweis der Ansteckung mittels Tuberkulinprobe ermöglicht. Zu Beginn der Krankheitsphase (Primärperiode) kann es zu einer entzündlichen Reaktion in Form eines Erstherdes (Primärherd) mit Schwellung der regionalen Lymphknoten im Lungenwurzelgebiet (Hilus) kommen. Der Primärherd bildet sich in der Regel von selbst zurück, jedoch bleiben hierin zum Teil zeitlich unbegrenzt lebensfähige Erreger zurück, die unter ungünstigen Bedingungen (Schwächung der Körperabwehr) wieder aktiv werden.
Als subprimäres Stadium wird eine in zeitlich mehr oder weniger engem Anschluss an die Erstinfektion auftretende weitere Ausbreitung (Generalisation) der Erreger bezeichnet. Durch Streuung auf dem Blutweg können kleine Absiedlungen (lokalisierte hämatogene Herdbildungen) in der gesamten Lunge und in anderen Organen, z. B. Knochen, Gelenken, Nieren, Geschlechtsorganen oder peripheren Lymphknoten, entstehen, die möglichen Ausgangspunkte einer späteren Organtuberkulose sind. Durch Beteiligung weiterer regionaler Lymphknoten entsteht das relativ selbstständige Krankheitsbild einer Hilusdrüsentuberkulose. Weitere Formen sind die tuberkulöse Rippenfellentzündung (häufig mit Pleuraerguss) und die Bauchfelltuberkulose. Durch Massenaussaat von Bakterien ist die Ausbildung einer Miliartuberkulose möglich.
Ein drittes Stadium stellt die postprimäre oder Spätlungentuberkulose dar. Sie entsteht durch Reaktivierung alter, im primären oder subprimären Stadium gebildeter Herde infolge einer Schwächung der Körperabwehr, seltener durch eine Superinfektion, und führt im Endstadium zu teilweiser Zerstörung der Lunge oder anderer betroffener Organe (Organtuberkulose). Es kommt zunächst zur Entwicklung eines frischen Infiltrats (Frühinfiltrat) mit begrenzter Entzündung. Auch hierbei ist eine spontane Rückbildung möglich; andernfalls schreitet die Lungentuberkulose mit entzündlichen Rundherden (Tuberkel) fort und weitet sich durch Gewebeeinschmelzung, Übergreifen auf das Bronchialsystem, Bildung von Kavernen aus. Durch Ausscheidung von Erregern im Auswurf (offene Lungentuberkulose) besteht Ansteckungsgefahr für Kontaktpersonen. Entsprechend dem möglichen weiteren Verlauf werden folgende Formen unterschieden: 1) die akute oder subakute exsudative (einschmelzende), vorwiegend entzündliche Lungentuberkulose, die bei schneller Ausdehnung ohne Chemotherapie zur Verkäsung der Kavernen und zu einer lebensbedrohenden allgemeinen käsigen Lungenentzündung führt (früher galoppierende Schwindsucht genannt); 2) die meist chronisch verlaufende produktiv-fibrotische Lungentuberkulose mit Granulom-, Narben- und Schwartenbildung; 3) die zirrhotische Lungentuberkulose mit starker Bindegewebebildung, Schrumpfung, Verdichtung und Verkalkung des Lungengewebes.
Die Symptome der Lungentuberkulose sind meist uncharakteristisch und können zu einer Verwechslung mit harmlosen Infekten der Atmungsorgane führen. Häufig bestehen Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Leistungsschwäche, erhöhte Temperatur, Nachtschweiß, Gewichtsverlust sowie Husten, Auswurf, Luftnot, Brustschmerzen, teils auch Appetitlosigkeit.
Die Diagnose wird durch Röntgenaufnahme des Brustkorbs, Erregernachweis im Auswurf oder auch durch Bronchoskopie gestellt.
Bei der Behandlung, die zu Beginn meist stationär durchgeführt wird, steht heute die möglichst frühzeitige Anwendung von Tuberkulostatika, die in Mehrfachkombination mindestens über sechs Monate verabreicht werden, im Vordergrund. Chirurgische Maßnahmen wie Kollapstherapie, Thorakoplastik, Ausräumung von Kavernen und Lungenresektionen kommen nur noch selten in Betracht. Die B.-C.-G.-Impfung als vorbeugende Maßnahme wird heute in Mitteleuropa nicht mehr durchgeführt; bei stark erhöhtem Erkrankungsrisiko ist eine präventive Chemotherapie mit Tuberkulostatika möglich. In Ländern mit hohem Tuberkulosevorkommen (Inzidenz >100/100 000 Einwohner und Jahr) kommt sie teilweise noch zum Einsatz.
Die Lungentuberkulose war v. a. seit dem 17. und 18. Jahrhundert in vielen europäischen Ländern stark verbreitet und gehörte seit Beginn der industriellen Revolution zu den großen Epidemien. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert stellte sie in Mitteleuropa die häufigste Todesursache dar. Durch Verbesserung der Lebensverhältnisse (Ernährung, Hygiene), systematische Behandlung in Heilstätten und organisierte Tuberkulosefürsorge, chirurgische Maßnahmen, Sanierung der Rindertuberkulose, Schutzimpfung und Einführung der Chemotherapie nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein starker Rückgang erzielt. Für Lungentuberkulose lag die Sterblichkeit 1901 in Deutschland bei 211,7 je 100 000 Einwohner, 1994 starben an Lungentuberkulose in Deutschland 670 Personen. Im gleichen Jahr wurden 12 982 neue Erkrankungsfälle registriert. Gefährdet sind v. a. ältere und kranke Menschen; erhöhte Risiken bestehen für Infizierte v. a. bei Patienten mit HIV-Infektion, aber auch bei Erkrankung an Masern, Keuchhusten, grippalen Infekten, Lungenschädigungen (v. a. Silikose), Diabetes mellitus und bei Alkoholkrankheit. In den Entwicklungsländern zählt die Lungentuberkulose hingegen noch zu den häufigsten Infektionskrankheiten.
Hb. der Tuberkulose, hg. v. J. Hein u. a., 4 Bde. (1958-82);
R. Hoppe: Die Bedeutung sozialhygien., soziolog. u. medizin. Faktoren für die Behandlungsergebnisse bei L. (1969);
J. Voigt: Tuberkulose. Gesch. einer Krankheit (1994).
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Lụn|gen|tu|ber|ku|lo|se, die: Tuberkulose im Bereich der Lunge.
Universal-Lexikon. 2012.