Cassirer,
1) Bruno, Verleger, * Breslau 12. 12. 1872, ✝ Oxford 29. 10. 1941; arbeitete zuerst mit seinem Vetter Paul Cassirer zusammen, gründete 1901 den Verlag Bruno Cassirer in Berlin; Hauptgebiete: bildende Kunst, Literatur und Philosophie (u. a. Werke seines Vetters Ernst Cassirer). Er ging 1939 nach England und gründete in London den Verlag Bruno Cassirer Publishers.
2) Ernst, Philosoph, * Breslau 28. 7. 1874, ✝ New York 13. 4. 1945, Vetter von 1) und 3); war 1919-33 Professor in Hamburg. Cassirer emigrierte nach England und lehrte 1933-35 in Oxford, dann in Schweden in Göteborg, seit 1941 in den USA an der Yale University, 1944-45 an der Columbia University in New York. Cassirer kam von der Marburger Schule des Neukantianismus her (Schüler von H. Cohen). In Weiterbildung des transzendentalphilosophischen kritischen Idealismus I. Kants deutete er die gesamte kulturell-geistige Wirklichkeit als eine Vielheit von »Bildwelten«, deren »symbolische Formen« (Cassirer unterscheidet Sprache, wissenschaftliche Erkenntnis sowie Mythos, Kunst und Religion) autonome Schöpfungen des Geistes darstellen; denn erst durch dessen sinnverleihende Formung werden die Erscheinungen zur Welt als einem objektiven Sinnzusammenhang. Die Geistesgeschichte wird in diesem Sinn als symbolgestaltender Ideenprozess gedeutet. In ihm komme der Mensch zur Freiheit wachsender Selbstbewusstheit und Selbstbestimmung. Cassirer schrieb neben seinen systematischen Werken richtungweisende Arbeiten zur Geschichte der Philosophie (Renaissance, Aufklärung, R. Descartes, G. W. F. Leibniz, J.-J. Rousseau, I. Kant) und zur Geistesgeschichte (Goethe, F. Hölderlin, H. von Kleist); außerdem befasste er sich mit erkenntnistheoretischen Fragen der modernen Physik (besonders Kausalproblem und Relativitätstheorie). Cassirer gab die philosophischen Werke von Leibniz (5 Bände, 1916-26) und Kant (11 Bände, 1912-18) heraus.
Werke: Leibniz' System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen (1902); Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, 4 Bände (1906-57); Substanzbegriff und Funktionsbegriff. Untersuchungen über die Grundfragen der Erkenntniskritik (1910); Freiheit und Form (1917); Kants Leben und Lehre (1918); Zur Einsteinschen Relativitätstheorie (1921); Philosophie der symbolischen Formen, 3 Bände (1923-29); Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance (1927); Die Philosophie der Aufklärung (1932); Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik (1936); Descartes (1939); Zur Logik der Kulturwissenschaft (1942); An Essay on man. An introduction to a philosophy of human culture (1944; deutsch Was ist der Mensch? Versuch einer Philosophie der menschlichen Kultur); The myth of the state (1946; deutsch Vom Mythus des Staates).
Wesen und Wirken des Symbolbegriffs (1956; Teilsammlung).
Ausgaben: Nachgelassene Manuskripte und Texte, herausgegeben von J. M. Krois und O. Schwemmer, auf mehrere Bände berechnet (1995 ff.); Gesammelte Werke, herausgegeben von B. Recki, auf zahlreiche Bände berechnet (1998 ff.).
E. C., hg. v. P. A. Schilpp (a. d. Engl., 1966);
Philosophy and history. Essays presented to E. C., hg. v. R. Klibansky u. H. J. Paton (Neuausg. Gloucester, Mass., 1975);
T. Cassirer: Mein Leben mit E. C. (1981);
A. Graeser: E. C.. (1994);
O. Schwemmer: E. C.Ein Philosoph der europäischen Moderne (1997).
K.-N. Ihmig: Grundzüge einer Philosophie der Wissenschaften bei E. C.. (2001).
3) Paul, Verleger und Schriftsteller, * Görlitz 21. 2. 1871, ✝ (Selbstmord) Berlin 7. 1. 1926; gründete 1898 mit seinem Vetter Bruno Cassirer eine Kunst- und Verlagsbuchhandlung in Berlin, trennte sich von diesem und gründete 1908 den Verlag Paul Cassirer in Berlin; Hauptgebiete: Kunstliteratur und Belletristik; setzte sich für die Impressionisten ein und wurde bahnbrechend für den Expressionismus. Der Verlag wurde 1931 aufgelöst.
Universal-Lexikon. 2012.