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Golfkrieg
Golfkrieg,
 
Bezeichnung für zwei Kriege im Gebiet des Persischen Golfs.
 
1. Golfkrieg:
 
Krieg zwischen Irak und Iran 1980-88; verursacht durch den Versuch Iraks, den 1975 in einem Vertrag mit Iran festgelegten Grenzverlauf am Schatt el-Arab auf militärischem Weg zu verändern. Der 1. Golfkrieg war darüber hinaus Folge des Konkurrenzkampfes zwischen den beiden Staaten um die Vorherrschaft über die von der Erdölförderung geprägte Golfregion und des gesellschaftlich-ideologischen Gegensatzes zwischen dem von Ayatollah Khomeini geführten fundamentalistisch-islamischen Iran und dem sozialistisch-laizistischen Irak unter Präsident Saddam Husain. Der Krieg begann am 22. 9. 1980 mit dem Einmarsch irakischer Truppen in die iranische Provinz Khusistan. Nach Errichtung einer weiteren irakischen Front in Kurdistan (Dezember 1980) gelang es den iranischen Streitkräften, 1982 das besetzte Gebiet zurückzuerobern. Bis 1988 entwickelte sich ein »Abnutzungskrieg«, in dem der besseren Bewaffnung der irakischen Armee die zahlenmäßige Überlegenheit der iranischen Streitkräfte gegenüberstand. Zahlreichen Großoffensiven Irans erzielten kaum Geländegewinn auf irakisches Territorium. Unter Propagierung eines »heiligen Kriegs« setzte Iran Kinder und Jugendliche im Kampf ein. Neben einem 1984 entbrannten »Tankerkrieg« (beidseitige Angriffe auf Erdöl transportierende Tanker) kam es auch zu einem »Städtekrieg« (gegenseitige Bombardierung großer Städte und der Erdölförderzentren). Internationale Auswirkungen hatte der 1. Golfkrieg durch die Gefährdung der Erdöltransportwege, was zunächst die USA, später auch Großbritannien und Frankreich zum Anlass nahmen, Flotteneinheiten zu entsenden. Im Zusammenhang mit dem 1. Golfkrieg unternahmen irakische Truppen eine Großoffensive (Einsatz chemischer Waffen am 17./18. 3. 1988) gegen die im Norden Iraks lebenden Kurden, denen eine Unterstützung Irans angelastet wurde. Der 1. Golfkrieg, der auf beiden Seiten etwa 1 Mio. Tote und Verwundete forderte, endete nach langwierigen Vermittlungsaktionen der UNO mit einem Waffenstillstand im August 1988.
 
2. Golfkrieg:
 
Krieg zwischen Irak und alliierten Streitkräften unter Führung der USA vom 17. 1. bis 28. 2. 1991. Dem 2. Golfkrieg ging eine Golfkrise mit internationaler Dimension voraus, die begann, als Irak nach gescheiterten irakisch-kuwaitischen Gesprächen zur Beilegung eines Konfliktes bei der Erdölförderung im gemeinsamen Grenzgebiet am 2. 8. 1990 Kuwait okkupierte (Beseitigung der Monarchie, Angliederung als 19. irakische Provinz) und der UN-Sicherheitsrat daraufhin den »sofortigen und bedingungslosen Abzug aller irakischen Soldaten« (Resolution 660) forderte. Am 6. 8. 1990 wurde ein Wirtschaftsembargo gegen Irak beschlossen (Resolution 661). Die USA entsandten seit August Truppen in die Golfregion (Aufmarsch in Saudi-Arabien) und setzten mit Unterstützung des UN-Sicherheitsrats eine Seeblockade gegen Irak durch, die im September 1990 um eine Luftblockade erweitert wurde. Daraufhin verwehrte die irakische Regierung Ausländern, insbesondere aus westlichen Staaten, die Ausreise und ließ sie zum Teil als »Schutzschilde« an strategisch wichtige Punkte des Landes bringen (diplomatische Missionen erreichten die Freilassung der Geiseln bis Dezember 1990). Der UN-Sicherheitsrat richtete im November 1990 ein Ultimatum an Irak, das den Abzug seiner Truppen bis zum 15. 1. 1991 forderte. Zahlreiche diplomatische Initiativen zur Verhinderung einer kriegerischen Auseinandersetzung scheiterten (u. a. amerikanisch-irakisches Außenministertreffen in Genf 9. 1. 1991). Der Golfkonflikt rief unterschiedliche Reaktionen im arabischen Lager hervor. Während eine kleine Gruppe (z. B. Jordanien, die PLO) den unnachgiebigen Kurs Iraks unterstützte, entsandte ein Großteil der arabischen Staaten, nachdem die Krise auf innerarabische Wege nicht beigelegt werden konnte, Truppenkontingente in die antiirakische Allianz; Iran erklärte seine Neutralität, nachdem Irak am 15. 8. 1990 die iranischen Bedingungen zur formellen Beendigung des seit 1980 bestehenden Kriegszustandes akzeptiert hatte. - Nach Ablauf des von Irak nicht befolgten Ultimatums begannen am 17. 1. 1991 die militärischen Operationen der alliierten Streitkräfte (Aktion »Wüstensturm«) unter dem Oberbefehl des amerikanischen Generals Norman Schwarzkopf (* 1934). Den etwa 550 000 in Kuwait stationierten irakischen Soldaten standen etwa 680 000 Soldaten der antiirakischen Front gegenüber (darunter etwa 450 000 Amerikaner, 34 000 Briten und 15 000 Franzosen sowie auch arabische Soldaten). Es erfolgte eine wochenlange Luftoffensive gegen irakische Stellungen; die Vernichtung der militärischen Objekte und Kommandozentralen richtete auch im zivilen Bereich starke Zerstörungen an (u. a. in Bagdad, Basra). Der irakische Präsident Saddam Husain versuchte durch den Abschuss von Scudraketen (seit seit 18. 1.) auf das an den militärischen Aktionen nicht beteiligte Israel, dieses in den Krieg zu ziehen und damit die Anti-Irak-Front zu spalten. Israel enthielt sich jedoch aufgrund des amerikanischen Drängens und der Installierung des Raketenabwehrsystems »Patriot« zum Schutz der Bevölkerung jegliche Vergeltungsaktionen.
 
Irak wurde zur bedingungslosen Annahme aller UN-Resolutionen bis zum 23. 2. 1991 aufgefordert. Nach Ablauf dieser Frist zerschlugen die Alliierten in einer am 24. 2. 1991 eingeleiteten Landoffensive bis zum 27. 2. die irakischen Truppen in Kuwait; außerdem wurden südliche Teile des Irak besetzt. Nachdem Irak alle UN-Resolutionen bedingungslos anerkannt hatte, trat am 28. 2. Waffenruhe ein. Die am 6. 4. 1991 von Irak angenommenen Waffenstillstandsbedingungen (UN-Resolution 687 vom 3. 4. 1991, Inkraftsetzung am 11. 4. 1991) legten u. a. die Inspektion und Vernichtung aller irakischen Massenvernichtungswaffen fest. Das Wirtschaftsembargo wurde nicht aufgehoben (erst 1996 durch die UNO Erlaubnis zu beschränktem Erdölexport). Gemäß dem von einer UN-Kommission im April 1992 neu festgelegten Grenzverlauf zwischen Irak und Kuwait bekam das Emirat einen Teil der Hafenstadt Umm Kasr und einen Streifen irakischen Landes im Rumaila-Erdölfeld. - Im März 1991 begannen oppositionelle schiitische Kräfte und die Kurden in Irak einen bewaffneten Aufstand, der nach anfänglichen Erfolgen (Einnahme zahlreicher Städte im Norden) von Regierungstruppen niedergeschlagen wurde. Die nachfolgenden Repressalien lösten eine Massenflucht der Kurden nach Iran und in das Grenzgebiet zur Türkei aus (daraufhin Errichtung einer Schutzzone für Kurden in Nordirak).
 
Der Krieg forderte auf irakischer Seite eine hohe Zahl von Opfern (nach irakischen Angaben Tod von etwa 85 000 bis 110 000 Soldaten und 40 000 Zivilisten, zum Teil auch wesentlich höhere Schätzungen); er führte zur Zerstörung der Infrastruktur besonders in Bagdad und im Süden Iraks. In Kuwait kamen beim militärischen Überfall und der nachfolgenden irakischen Besatzungszeit mehrere Tausend Kuwaitis ums Leben; das Emirat erlitt ebenfalls (nicht zuletzt auch bei seiner Rückeroberung) erhebliche materielle Schäden, die mehr als 700 dort in Brand gesetzten Ölquellen (deren letzte erst am 6. 11. 1991 gelöscht werden konnte) riefen im Nordteil des Persischen Golfs eine Umweltkatastrophe hervor. - Nach ihrem militärischen Einsatz im 2. Golfkrieg erkrankten zahlreiche amerikanische und britische Soldaten (in den USA circa 20 000) am Golfkriegssyndrom (Gedächtnisverlust, chronische Müdigkeit, Depressionen, Muskel- und Gliederschmerzen); zur Ermittlung seiner (bislang nicht geklärten) Ursachen wurden in den USA mehrere Untersuchungen (1995 Veröffentlichung von Studien der Nationalen Akademie der Wissenschaften und des Verteidigungsministeriums) durchgeführt; auch der Verteidigungsausschuss im britischen Parlament forderte im November 1995 eine Klärung der Hintergründe.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Golfkrieg: Regional- und weltpolitische Aspekte der Golfkriege
 
UN: Die gewandelte Rolle der UNO
 

Universal-Lexikon. 2012.