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Sakramente
Sakramẹnte
 
[von lateinisch sacramentum »Weihe«, »Fahneneid«, zu sacrare »(einer Gottheit) weihen«], Singular Sakramẹnt das, -(e)s, christliche Theologie: die Gnade Gottes vermittelnde kirchliche Zeichenhandlungen. Die Einsetzung der Sakramente wird auf Jesus Christus zurückgeführt; in ihrem Vollzug wird die im Erlösungswerk Jesu Christi vermittelte Gnade an die Glaubenden weitergegeben, wodurch die Nähe und Zuwendung Gottes für sie persönlich »sichtbar« und erlebbar wird.
 
In der altkirchlichen Theologie ist Sakrament lateinische Übersetzung des in der orthodoxen Theologie beibehaltenen griechischen Begriffs »mysterion« (Mysterium), worunter sowohl Glaubenswahrheiten als auch rituelle Vollzüge gefasst wurden. In der juridisch-praktisch denkenden lateinischen Theologie wurde der Begriff Sakrament meist eingeengt auf konkrete zeichenhafte Vollzüge. Nach der von Augustinus entwickelten Sakramentenlehre sind Sakramente Zeichen (»signa«), die selbst wieder aus dem »Element« (z. B. Essen von Brot und Trinken von Wein in der Eucharistie) und einem Deutewort (»verbum«) bestehen und - richtig vollzogen - die Gnade vermitteln, auf die das Zeichen hinweist. Augustinus unterscheidet wiederholbare Sakramente von anderen, die nur einmal empfangen werden (wie Taufe, Firmung, Ordination). Während es in der frühen Kirche noch keine Festlegung auf eine bestimmte Zahl von Sakramenten gab, kam es im Mittelalter im Abendland zu einer allmählichen Beschränkung des Sakramentenbegriffs auf wenige, für die kirchliche Praxis zentrale Vollzüge. Die Zahl von sieben Sakramenten ist erstmals im 12. Jahrhundert bezeugt und setzte sich in der Folgezeit durch. Sakramente spiegeln im Sinne von Rites de Passage entscheidende Zäsuren des (christlichen) Lebens (Taufe, Firmung, Ehe, Krankensalbung) und weitere konstitutive Elemente des Christentums: die Darstellung und Feier des Glaubens (Eucharistie), die neue Umkehr (Buße) und die Organisation von Kirche (Ordination). Andere Zeichenhandlungen (z. B. galt in der frühen Kirche die Überreichung von Salz an Taufbewerber als Sakrament) wurden seither unter dem Begriff Sakramentalien von den sieben Sakramenten unterschieden. Charakteristisch für die Sakramente ist in der westlichen Theologie des Mittelalters, dass sie allein aufgrund ihres richtigen Vollzugs (»ex opere operato«) zumindest ein Gnadenangebot gewährleisten, das aber zu seiner Verwirklichung die Intention des Spenders und Empfängers (»zu tun, was die Kirche tut«) und die Disposition (z. B. den Glauben) des Empfängers erfordert. Theologischer Maßstab für die Auswahl der sieben Sakramente war ihre (vermeintliche) Einsetzung durch Jesus Christus. Aufgrund dieses Maßstabes erkennen die reformatorischen Kirchen in der Regel nur zwei (Taufe und Eucharistie) oder drei (außerdem die Buße) Vollzüge als Sakrament an; die orthodoxe Kirche hat erst im 17. Jahrhundert die Siebenzahl der Sakramente übernommen, die heute von vielen orthodoxen Theologen wieder infrage gestellt wird.
 
In der ökumenischen Diskussion wird darauf verwiesen, dass der Sakramentenbegriff nicht biblisch begründet, sondern ein späterer Ordnungsbegriff ist und so die Zahl dessen, was Sakrament genannt wird, kein gravierendes Problem darstellt. Auch in der katholischen und orthodoxen Theologie wird zwischen mehr oder weniger wesentlichen Sakramenten unterschieden (»Hierarchie« der Sakramente); andererseits werden in den evangelischen Kirchen die nicht als Sakramente anerkannten Vollzüge (z. B. Ehe oder Ordination) als wichtig für ein christliches Leben eingeschätzt. Umstritten ist jedoch noch die Theologie der Sakramente, die in der katholischen Kirche oft ekklesiologisch (Sakramente als »Selbstvollzüge der Kirche«; K. Rahner), in den evangelischen Kirchen und in der neueren katholischen Theologie v. a. christologisch (als wirksame Zeichen des Glaubens an Jesus Christus) gedeutet werden.
 
In der Religionswissenschaft wird der Begriff Sakrament gelegentlich auf vergleichbare Praktiken in anderen Religionen (Rites de Passage) übertragen.
 
Literatur:
 
K. Rahner: Kirche u. S. (31968);
 G. Wenz: Einf. in die ev. S.-Lehre (1988);
 U. Kühn: S. (21990);
 
Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, Bd. 3: Materialien zur Lehre von den S. u. vom kirchl. Amt, Beitrr. v. H. H. Esser u. a. (1990);
 W. Beinert: Gottes Gegenwart. Eine Einf. in die Welt der S. (1991);
 A. Ganoczy: Einf. in die kath. Sakramentenlehre (31991);
 H. Vorgrimler: S.-Theologie (31992);
 L. Boff: Kleine S.-Lehre (a. d. Port., 141995);
 F.-J. Nocke: S.-Theologie. Ein Hb. (1997).

Universal-Lexikon. 2012.