Augustinus,
1) Aurelius, lateinischer Kirchenlehrer des christlichen Altertums, * Tagaste (Numidien) 13. 11. 354, ✝ Hippo Regius 28. 8. 430. Sein Vater, ein kleiner Beamter, war Anhänger des spätrömischen Götterglaubens, seine Mutter, die heilig gesprochene Monnika, eine engagierte Christin, die den Lebensweg ihres Sohnes maßgeblich mit bestimmte. Augustinus studierte in Karthago klassische Literatur und Rhetorik. Großen Eindruck hinterließ Ciceros (verloren gegangene) Schrift »Hortensius«, die ihn zur Beschäftigung mit der Philosophie anregte. Im Vergleich dazu fand er zur christlichen Lehre keinen Zugang, zum Unbehagen seiner Mutter erklärte er die Bibel für intellektuell wertlos. Die Zeit seines Studiums beschreibt er in seinen »Confessiones« als Zeit sexueller Ausschweifungen. Den Gewohnheiten seiner Zeit gemäß wählte er sich mit 17 Jahren eine ständige Lebensgefährtin, deren Namen er geheimhielt und die ihm einen Sohn, Adeodat, gebar. Unter dem Druck seiner Mutter und im Hinblick auf eine zukünftige Ehe trennte sich Augustinus später von ihr.
Seine geistige Entwicklung wurde bestimmt durch seinen Anschluss an den Manichäismus, der ihn intellektuell und ästhetisch faszinierte. Immanente Widersprüche in dessen Lehre führten Augustinus jedoch zum Skeptizismus der mittleren Akademie, die unter Berufung auf Sokrates die Position eines wissenden Nichtwissens vertrat. Die entscheidende Wende in Augustinus' Leben brachte seine Berufung als kaiserlicher Rhetor nach Mailand, wo er die von einem christlichen Platonismus geprägten Predigten des Ambrosius hörte. Die dadurch angeregte Beschäftigung mit dem Neuplatonismus (Plotin, Porphyrios) mündete in die von Augustinus literarisch gestaltete Bekehrung zum Christentum durch ein mit einer Audition verbundenes Bekehrungserlebnis, das »Gartenereignis« von Mailand (August 386, »Confessiones« VIII; 12, 28). 387 ließ er sich von Ambrosius taufen, brach seine weltliche Laufbahn ab, um im engsten Kreis seiner Schüler und Freunde ein dem christlich-asketischen Ideal verpflichtetes, philosophisch inspiriertes Leben zu führen, zunächst in Cassiciacum und Mailand, dann, nach dem Tod seiner Mutter 387, in Rom und Tagaste. Trotz seiner Abneigung, sein zurückgezogenes Leben zugunsten eines kirchlichen Amtes aufzugeben, wurde Augustinus anlässlich einer Reise nach Hippo Regius erst zum Priester berufen und fünf Jahre darauf Nachfolger des alternden Bischofs Valerius. Von 396 bis zu seinem Tod (und der Belagerung der Bischofsstadt durch die Wandalen) führte er die bischöflichen Amtsgeschäfte, die geprägt waren durch innerkirchliche Streitigkeiten. Hierzu zählen v. a. die, zum Teil gewaltsam durch staatlichen Eingriff beendeten, Auseinandersetzungen mit den Donatisten (Fragen der Sakramente) und den Pelagianern (Fragen der Sünden- und Gnadenlehre, Pelagianismus).
Die Theologie und Philosophie Augustinus' hat sich in seinen über hundert Werken (autobiographische, dogmatische und exegetische Schriften, Dialoge, Selbstgespräche und philosophische Traktate) niedergeschlagen. In der 386 entstandenen (der ersten erhaltenen) Schrift »Contra academicos« wandte sich Augustinus gegen den Skeptizismus der mittleren Akademie mit der These, dass das Wahrscheinliche als ein dem Wahren Ähnliches notwendig das Wahre als sein Maß voraussetze; Nichtzweifeln lasse sich am eigenen Leben gewinnen (»De beata vita«, 386), und das Sich-irren-Können sei das sicherste Zeichen für die Evidenz des eigenen Seins (»De libero arbitrio«, 388-395). In seiner heute wohl bekanntesten Schrift, den »Bekenntnissen« (»Confessiones«, 397-401), legt Augustinus Zeugnis ab über seinen Lebensweg, seine Irrtümer, Sünden und seine Suche nach göttlicher Wahrheit. Gegen den Vorwurf der Manichäer, der christliche Glaube entbehre vernünftiger Gründe und basiere auf bloßer Autorität und Wunderglauben, berief sich Augustinus auf eine neuplatonisch inspirierte, Wissen und Glauben dialektisch vermittelnde Erkenntnislehre, für die er in den »Sermones« (418?) die berühmt gewordene Formel prägte: »Crede ut intelligas; intellige, ut credas« (Glaube, um zu erkennen; erkenne, um zu glauben). Die Seele des Menschen ist durch göttliche Erleuchtung (Illumination) zur Erkenntnis befähigt und von der Erleuchtung in der Weise abhängig wie das Auge vom Licht. In der Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus hat Augustinus Ursünde und Erbsünde und die Wirkung der göttlichen Gnade und Auserwählung in einer zum Teil übersteigerten Prädestinationslehre hinsichtlich der menschlichen Willensfreiheit bisweilen einseitig gesehen. Der allgemeine Heilswille Gottes gegenüber der schuldigen Menschheit steht bei Augustinus nicht im Vordergrund. Gott schenkt, wem er will, göttliche Liebe, die die Begierlichkeit der Welt überwindet und durch die der Glaube des Menschen erst seine Rechtfertigung erhält. Die in Adam schuldig gewordene Menschheit steht der in Christus erlösten gegenüber. Die Gemeinschaft der Erlösten ist die Kirche, die mit Christus einen Leib bildet. Außerhalb dieser einen Kirche gibt es kein Heil. In ihr leben Heilige und Sünder. Liebe zu Gott und zum Mitmenschen sind entscheidend für den Christen. - Augustinus hat für seine Zeit und für die nachfolgenden Jahrhunderte nicht nur für die Kirche, sondern für das gesamte Abendland besonders durch seine Geschichtsphilosophie und Geschichtstheologie größte Bedeutung erlangt. Das geschichtsphilosophische Modell, das er in »De civitate Dei« (413-426), der letzten großen christlichen Apologie der Antike, entwickelte, ist gekennzeichnet durch den Gegensatz und den Kampf zwischen der »Civitas Dei«, der Gemeinschaft der Erwählten, der Gottesbürger, und der »Civitas terrena«, der »irdischen Bürgerschaft der Selbstliebe«. Die Weltgeschichte wird nicht in antiker Sicht als ein sich ewig wiederholender Kreislauf interpretiert, sondern als Abfolge von sechs heilsgeschichtlichen Perioden mit einem sich sukzessiv verschärfenden Kampf zwischen den beiden »Reichen« mit dem Ziel der Trennung im göttlichen Endgericht. Augustinus's Gedanken prägten im starken Maße die scholastische Theologie (Augustinismus) und beeinflussten wesentlich den Staatsbegriff der abendländischen Kirche. Auch heute noch ist der Einfluss von Augustinus und die Auseinandersetzung mit seinen Werken nicht abgeschlossen. - Heiliger (Tag: 28. 8.).
Augustinus wird in der bildenden Kunst dargestellt als Bischof im Ornat, auch als Mönch mit schwarzer Kutte; seine Attribute sind v. a. ein Herz, Buch oder Kreuz. In bildlichen Darstellungen werden auch verschiedene Legenden um Augustinus wiedergegeben (u. a. S. Botticelli). M. Pacher stellte ihn auf dem Kirchenväteraltar (um 1480; München, Alte Pinakothek) dar; Statuen u. a. von Luca della Robbia und N. Hagnower.
Ausgabe: Augustinus' Werke in deutscher Sprache, herausgegeben von C. J. Perl, 19 Bände (1-41955-81).
Augustiniana (Löwen 1951 ff.).
A. magister. Congrès international augustinien, 3 Bde. (Paris 1954-55);
W. v. Loewenich: Augustin. Leben und Werk (1965);
A. Schöpf: A. Eine Einführung in sein Philosophieren (1970);
H. von Campenhausen: Lat. Kirchenväter (51983);
A.-Lexikon, hg. v. Cornelius P. Mayer u. a., auf mehrere Bde. ber. (1986 ff.);
K. Flasch: Augustin. Einf. in sein Denken (21994).
2) Benediktiner, Apostel der Angelsachsen, ✝ 26. 5. 604 (?); war Prior des römischen Klosters Sankt Andreas; wurde 596 von Papst Gregor I. mit der Missionierung der Angelsachsen beauftragt und auf dem Weg nach England im Frankenreich zum Bischof geweiht; landete 597 mit rd. 40 Mönchen auf der Insel Thanet vor der Küste von Kent; begann mit Erlaubnis König Aethelberhts seine Missionstätigkeit; wurde 601 erster Erzbischof des nach der Taufe des Königs errichteten Erzbistums Canterbury. - Heiliger (Tag: 27. 5.; Gedenktag in der anglikanischen Kirche: 26. 5.).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Augustinus: Freiheit und Gnade
Universal-Lexikon. 2012.