Spiegel|affäre,
üblich gewordene Bezeichnung für einen schweren innenpolitischen Konflikt, besonders für eine zeitweilig tiefe Vertrauenskrise zwischen der Regierung Adenauer und der Öffentlichkeit, ausgelöst durch eine Aktion der Polizei und Staatsanwaltschaft gegen das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«: die Festnahme des Herausgebers R. Augstein und mehrerer Redakteure (u. a. des stellvertretenden Chefredakteurs C. Ahlers) in Verbindung mit der Besetzung und Durchsuchung der Verlagsräume am 27. 10. 1962 unter dem Vorwurf des publizistischen Landesverrats und der Beamtenbestechung. Das Blatt hatte in seiner Ausgabe vom 10. 10. 1962 unter dem Titel »Bedingt abwehrbereit« einen Beitrag von Ahlers über die Herbstübung der NATO (»Fallex 62«) veröffentlicht, was eine rechtspolitische Diskussion über die gegenseitige Abwägung der Verfassungsgrundsätze der Staatssicherheit und der Meinungsfreiheit auslöste. Im Zuge dieser Krise mussten der damalige Bundesverteidigungsminister F. J. Strauss und zwei Staatssekretäre zurücktreten. Am 13. 5. 1965 lehnte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Ahlers und Augstein ab. Die Verfassungsbeschwerde des Spiegel-Verlags Rudolf Augstein wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. 8. 1966 zurückgewiesen; allein die Hauptanträge der Beschwerde, den Durchsuchungsbefehl und die Beschlagnahmebeschlüsse betreffend, wurden als zulässig erkannt.
Spiegelaffäre
Das Hamburger Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« hatte sich in seiner Ausgabe vom 10. Oktober 1962 in einem Artikel des Redakteurs Conrad Ahlers unter dem Titel »Bedingt abwehrbereit« mit dem NATO-Manöver »Fallex 62« befasst und dabei die Bonner Verteidigungspolitik kritisiert. Am 26. Oktober 1962, kurz nach 21 Uhr, wurden die Redaktionsräume des »Spiegel« im Hamburger Pressehaus von etwa 50 Polizisten besetzt. Unter dem Verdacht des publizistischen Landesverrats, der landesverräterischen Betätigung und der aktiven Bestechung wurden auf Antrag der Bundesanwaltschaft der Herausgeber Rudolf Augstein und die Chefredakteure sowie - in seinem spanischen Urlaubsort - Conrad Ahlers verhaftet. Die Redaktionsräume wurden durchsucht und wochenlang besetzt gehalten, um belastendes Material aufzuspüren. Diese Polizeiaktion, an der auch Dienststellen der Bundeswehr beteiligt waren und in der, wie sich erst später herausstellte, auch der Verteidigungsminister Strauß selbst seine Hände im Spiel hatte, führte zu einer heftigen innenpolitischen Auseinandersetzung unter starker Beteiligung der Bevölkerung und schließlich zu einer Regierungskrise, als die FDP-Minister aus Protest gegen das Verhalten des Verteidigungsministers aus der Koalitionsregierung austraten. In einer leidenschaftlich geführten Bundestagsdebatte musste sich Bundeskanzler Adenauer gegen den Vorwurf der SPD-Opposition zur Wehr setzen, mit Mitteln des Staates gegen das Grundrecht der Pressefreiheit verstoßen zu haben. Strauß, der erst nach langem Leugnen seine Beteiligung an der Verhaftung des Redakteurs Ahlers zugab, verlor sein Ministeramt bei der notwendig gewordenen Regierungsneubildung am 14. Dezember 1962; ebenso mussten zwei beteiligte Staatssekretäre aus dem Verteidigungs- und dem Justizministerium ihre Ämter aufgeben. Der Bundesgerichtshof lehnte 1965 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Augstein und Ahlers ab, weil der Inhalt des »Spiegel«-Artikels nicht der Geheimhaltung unterlag. Die Verfassungsbeschwerde des »Spiegel« scheiterte 1966 beim Bundesverfassungsgericht, weil nur vier der acht Verfassungsrichter einen Verstoß gegen die Pressefreiheit feststellten.
Universal-Lexikon. 2012.