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Turkestan
Turkestan
 
['tʊrkɛstaːn, 'tʊrkɛstan, tʊrkɛs'taːn],
 
 1) kasachisch Tụ̈ristan, Stadt im Süden von Kasachstan, Gebiet Tschimkent, in den südwestlichen Vorbergen des Karatau, 81 200 Einwohner; Baumwollreinigung, Herstellung von Antibiotika, Baustoffindustrie.
 
 2) veraltet Turkistan, historisch-geographischer Begriff für das von Turkvölkern bewohnte Gebiet Asiens östlich des Kaspischen Meeres, durch Pamir und westlichen Tienschan gegliedert in Westturkestan (Russisch-Turkestan) mit Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgistan und dem Nordteil von Afghanistan und in Ostturkestan (Chinesisch-Turkestan), das in China den südwestlichen Teil des Autonomen Gebiets Sinkiang mit dem Tarimbecken umfasst.
 
Geschichte:
 
In Westturkestan (zum historischen Raum sind auch Teile der heutigen Länder Iran und Afghanistan zu rechnen) siedelten im 1. Jahrtausend v. Chr. indogermanische (iranische) Stämme, so die Saken, Baktrer (Baktrien), Sogdier (Sogdiana), Charismier (Charism) und Parther. Die südlichen Teile Westturkestans (Baktrien, Sogdiana mit dem später Transoxanien genanntes Kerngebiet) gehörten seit der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. als Satrapie zum Perserreich der Achaimeniden, fielen dann an Alexander den Großen, die Seleukiden und schließlich an das Hellenobaktrische Reich, das im 2. Jahrhundert v. Chr. von Saken und Tocharern überrannt wurde; große Teile des Gebiets gehörten in der Folge zum Reich der tocharischen Kushana. Um 450 n. Chr. kam Baktrien an die Hephthaliten, deren Reich um die Mitte des 6. Jahrhunderts von den persischen Sassaniden mithilfe von Turkvölkern vernichtet wurde. Seitdem wanderten zunehmend auch turksprachige Völker in das Gebiet ein. Seit dem frühen 8. Jahrhundert eroberten Araber Teile Turkestans; unter den sunnitischen Samaniden setzte von Buchara aus die Islamisierung Zentralasiens ein. Die türkische Iligchane, die 1141 den Kara-Kitai (Kitan) unterlagen, eroberten 999 Transoxanien und bereiteten die Turkisierung auch der iranischsprachigen Bevölkerung vor, die erst nach der mongolischen Eroberung (1220) und der Herrschaft Timurs und der Timuriden (seit 1369) unter den usbekischen Schaibaniden (seit 1500) vollendet wurde. Auch die iranischsprachig gebliebenen Tadschiken gerieten unter großen Anpassungsdruck. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert entstanden die Khanate Chiwa, Buchara (später Emirat) und Kokand. 1865 eroberte Russland Taschkent und bildete 1867 das Generalgouvernement Turkestan (Russisch-Turkestan); 1868 kam Buchara unter russischer Oberhoheit, 1873 Chiwa, 1876 Kokand. 1918 wurde die Turkestanische ASSR innerhalb der RSFSR geschaffen, 1920 die Kirgisische (ab 1925 Kasachisch) ASSR, die 1936 als Kirgisische SSR Unionsrepublik wurde. 1920 erfolgten die Vertreibung des Khans von Chiwa und des Emirs von Buchara mithilfe der Roten Armee und die Bildung der Sowjetischen Volksrepublik (später Sozialistische Sowjetrepubliken) Choresm (Chiwa) und Buchara. Aus der Neuorganisation der Turkestanischen ASSR 1924 gingen die Sowjetrepubliken Turkmenistan, Usbekistan sowie schließlich Kirgistan und Tadschikistan hervor. 1991 erlangten die fünf mittelasiatischen Republiken der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit und schlossen sich der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an.
 
Ostturkestan war gleichfalls von indogermanischen (iranischen) Stämmen besiedelt und in viele Stadtstaaten gegliedert; das Gebiet war immer wieder zwischen Chinesen und Xiongnu sowie Saken, Tocharern u. a. umkämpft. Seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. wurde Turkestan in verschiedene Reichsbildungen der Turkvölker einbezogen; der Westen gehörte seit dem 9. Jahrhundert den Iligchanen, der Osten den Uiguren. Seitdem drangen verstärkt turksprachige Siedler in das Gebiet vor, dessen Islamisierung im 10. Jahrhundert einsetzte. Seit 1141 war Turkestan in das Reich der Kara-Kitai, seit 1218/20 in die mongolischen Teilreiche Dschagatai und Ögädäi (bis 1309) einbezogen. Im 16. Jahrhundert setzten sich Hodjas (muslimische Geistliche) als Träger einer neuen Islamisierungswelle durch; 1680-1758 herrschten die Dsungaren (Oiraten). Seitdem untersteht das Gebiet meist chinesischer Oberhoheit (Sinkiang, Geschichte).
 
Literatur:
 
B. Hayit: T. zw. Rußland u. China (Amsterdam 1971);
 B. Hayit: T. im Herzen Eurasiens (1980);
 B. Hayit: »Basmatschi«. Nat. Kampf T.s in den Jahren 1917 bis 1934 (1992);
 A. Belenickij: Zentralasien, dt. Bearb. v. G. Doerfer (Neuausg. 1978);
 
T. als histor. Faktor u. polit. Idee, hg. v. E. von Mende (1988).

Universal-Lexikon. 2012.