Universali|enstreit,
eine philosophische Auseinandersetzung im Mittelalter (besonders 12.-15. Jahrhundert) um die Realität oder Unwirklichkeit des Allgemeinen (Universalien) in ihrem Verhältnis zu den konkreten Einzeldingen. Der historische Ausgangspunkt des Universalienstreits war die Kritik und Umdeutung der Ideenlehre Platons (Idee als das Wirkliche, die Urrealität) durch Aristoteles (dem Mittelalter vermittelt durch Porphyrios von Tyros sowie Boethius), der Ideen für eine unnötige Verdoppelung der Dinge und die behauptete Transzendenz für eine nicht begründbare Hypothese hielt.
Gegenstand des mittelalterlichen Streites war die Frage, inwiefern der Begriff »Gott«, der als Konjunktion der Begriffe »gut«, »allmächtig«, »allwissend« u. a. verstanden wurde, als Einer zu denken sei, wenn sein Wesen doch in irgendeiner Weise durch obige Begriffe zusammengesetzt ist. Von dem Begriff »Gott« war also durch die Konjunktion von Prädikaten eine Wesensdefinition gegeben, doch Gott selbst konnte unmöglich das logische Produkt von mehreren Eigenschaften sein. Dies war das Hauptproblem der »alten Logik« (Via antiqua) in ihrer Auseinandersetzung mit dem »modernen Weg« (Via moderna).
Im Wesentlichen entwickelten sich drei Lösungsansätze: 1) Der Nominalismus (Roscelin von Compiègne) verstand die Universalien als bloße Worte (»flatus vocis«, d. h. »Hauch der Stimme«), die lediglich als Namen für Dinge stehen und darüber hinaus nichts Wirkliches bezeichnen. In einer gemäßigten Variante, dem Konzeptualismus (Boethius, P. Abaelardus, Adelard von Bath, v. a. aber W. von Ockham), wurden Universalien als allgemeine Begriffe aufgefasst, die durch Abstraktion aus den Sinneswahrnehmungen gebildet werden, denen über ihr Gedachtsein hinaus jedoch keine Realität zukommt (»universale post rem«). 2) Der Platonismus betrachtete die Universalien als eine vom Denken unabhängig existierende und dem Einzelding vorausgehende Realität, eine die Wirklichkeit normierende Idee, von manchen als Gedanke Gottes aufgefasst (»universale ante rem«). 3) Der Realismus (Johannes Scotus Eriugena, Anselm von Canterbury, Wilhelm von Champeaux, Bonaventura, Thomas von Aquino, J. Duns Scotus) sah in den Universalien eine reale Bestimmung, die »Washeit« oder Formalität des Einzeldinges, in der es mit anderen Dingen übereinstimmt (»universale in re«), im Unterschied zu seiner Individualität. Albertus Magnus fasste, im Universalienstreit vermittelnd, die Universalien als sowohl »ante rem« (als Gedanke Gottes, vor den Einzeldingen) als auch als Gattungswesen in den Einzeldingen (»in re«) und durch die Abstraktion existierend (»post rem«, den Einzeldingen nachgeordnet) auf. (Scholastik)
In anderer Form kehrt das Problem in der modernen, besonders in der sprachanalytischen Philosophie wieder in Gestalt der Auseinandersetzungen zwischen tendenziell nominalistischen Positionen, wie dem Rationalismus, Realismus, Positivismus, historischer Materialismus, Individualismus, Strukturalismus, Formalismus und mit Einschränkungen auch der formalen Logik, und tendenziell realistischen Positionen, wie dem Idealismus, der Phänomenologie, der neuen Ontologie. Der reine Platonismus wird heute kaum noch vertreten.
C. F. Gethmann: Allgemeinheit, in: Hb. philosoph. Grundbegriffe, hg. v. H. Krings u. a., Bd. 1 (1973);
G. I. Ruzavin: Die Natur der mathemat. Erkenntnis (a. d. Russ., Berlin-Ost 1977);
Das Universalien-Problem, hg. v. W. Stegmüller (1978);
W. Van Orman Quine: Von einem log. Standpunkt (a. d. Amerikan., 1979);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Abälard, der Logiker
Albertus Magnus, »Doctor universalis«
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Uni|ver|sa|li|en|streit, der <o. Pl.>: im Mittelalter, bes. in der Scholastik, geführte Diskussion um die Wirklichkeit od. Unwirklichkeit der Universalien (1) in ihrem Verhältnis zu den konkreten Einzeldingen, aus den sie durch Abstraktion gewonnen werden.
Universal-Lexikon. 2012.