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Jean Paul
Jean Paul
 
[ʒã-], eigentlich Johann Paul Friedrich Rịchter, Schriftsteller, * Wunsiedel 21. 3. 1763, ✝ Bayreuth 14. 11. 1825. Studierte nach entbehrungsreicher Jugend Theologie und Philosophie in Leipzig, brach aus finanziellen Gründen das Studium ab, wurde 1786 Hauslehrer auf Schloss Töpen bei Hof; 1790-94 leitete er in Schwarzenbach eine Privatschule und lebte dann bis zum Tod seiner Mutter in Hof, 1797 in Leipzig, auf Veranlassung Charlotte von Kalbs 1798-1800 in Weimar, dort Freundschaft mit Herder, während Goethe und Schiller ihm reserviert begegneten; 1800/01 hielt er sich in Berlin auf, heiratete Caroline Mayer (* 1777, ✝ 1860), zog dann für zwei Jahre nach Meiningen, für ein weiteres Jahr nach Coburg und nahm 1804 seinen ständigen Wohnsitz in Bayreuth. Von 1808 an erhielt er eine von K. T. von Dalberg, dem Fürstprimas des Rheinbundes, gewährte und später von Bayern übernommene jährliche Pension.
 
Jean Paul begann sein schriftstellerisches Werk als Satiriker im Geist der Aufklärung und des Rationalismus unter dem Einfluss J. Swifts, A. Popes und J.-J. Rousseaus. In der Erzählung »Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal. Eine Art Idylle« (1793) nimmt die Idylle auf einer höheren Stufe die Thematik der Satire wieder auf, zeigt die kleinbürgerliche Welt in ihrer Beschränkung, den Rückzug in die Innerlichkeit. Das Romanfragment »Die unsichtbare Loge. Eine Biographie« (1793, 2 Bände) begründete Jean Pauls eigentümlichen humoristischen Erzählstil, in dem sich - in der Nachfolge L. Sternes und H. Fieldings - empfindsame Elemente mit satirischer Entlarvung der Wirklichkeit verbinden. Ein großer literarischer Erfolg wurde in der von der Empfindsamkeit geprägten Gefühlskultur der Roman »Blumen- Frucht- und Dornenstükke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. S. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel« (1796, 3 Bände). In »Titan« (1800-03, 4 Bände), einem Bildungsroman in der Nachfolge von Goethes »Wilhelm Meister«, setzte sich Jean Paul kritisch mit dem Bildungsideal der Weimarer Klassik auseinander, ohne sich jedoch vollständig davon zu lösen. Die Synthese von Poesie und Wirklichkeit, begonnen mit dem Roman »Flegeljahre. Eine Biographie« (1804/05, 2 Bände), ist das Thema des Spätwerks. In der »Vorschule der Ästhetik. ..« (1804, 3 Teile) gab er Einblicke in den Vorgang der poetischen Produktion und besonders in Form und Wesen des Humors, der die Aufgabe habe, das Irdische am Unendlichen zu messen und beide miteinander zu verknüpfen. Seine »Levana oder Erziehungslehre« (1807, 2 Bände) und die »Politischen Fastenpredigten während Deutschlands Marterwoche« (1817) zeugen von seinem pädagogischen und politisch-sozialen Engagement. Der unvollendet gebliebene Roman »Der Komet, oder Nikolaus Marggraf. Eine komische Geschichte« (1820-22, 3 Bände), der reich an Selbstzitaten ist, zeigt die tiefe Skepsis des Dichters gegenüber der Verselbstständigung der Einbildungskraft.
 
Charakteristisch für Jean Pauls ausschließlich in Prosa verfasstes Werk sind einander widersprechende Erzählelemente, Abschweifungen und Unterbrechungen der linearen Handlung. Der Sprach- und Metaphernschatz ist pietistisch geprägt. Im Mittelpunkt seiner Poetik steht der Humor als Synthese aus Gefühl, visionärer Kraft und satirischem Witz. Die bei den Zeitgenossen sehr beliebten Romane beeinflussten u. a. G. Keller und A. Stifter. Erzählweise und ästhetische Konzeption weisen bereits auf die Moderne.
 
Weitere Werke: Romane und Idyllen: Hesperus, 3 Bände (1795); Der Jubelsenior. Ein Appendix (1797); Das Kampaner Thal oder Über die Unsterblichkeit der Seele (1797); D. Katzenbergers Badereise, 2 Bände (1809).
 
Erzählungen: Leben des Quintus Fixlein, aus fünfzehn Zettelkästen gezogen (1795); Jean Pauls biographische Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin (1796); Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten nebst der Beichte des Teufels bey einem Staatsmanne (1809); Leben Fibels, des Verfassers der Bienrodischen Fibel (1812).
 
Ausgaben: Sämtliche Werke, herausgegeben von N. Miller, 9 Bände und Kommentarband (1-51970-87); Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, herausgegeben von E. Berend und anderen, 33 Bände (1975-88).
 
Literatur:
 
J. P., hg. v. U. Schweikert (1974);
 
J. P., hg. v. H. L. Arnold (31983);
 G. de Bruyn: Das Leben des J. P. Friedrich Richter (Neuausg. 1991);
 G. Ueding: J. P. (1993);
 Götz Müller: J. P. im Kontext (1994).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Jean Paul, Hölderlin, Kleist: Sonderwege
 

Universal-Lexikon. 2012.