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Ästhetik
Liebreiz; Anmut; Grazie; Ebenmaß; Pepp; Pfiff; Schönheit; Reiz; Charme; Erlesenheit

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Äs|the|tik 〈f. 20; unz.〉 Lehre von den Gesetzen u. Grundlagen des Schönen, besonders in Natur u. Kunst [<grch. ästhetike; zu aistanesthai „empfinden“]

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Äs|the|tik, die; -, -en [griech. aisthētike̅̓ (téchnē) = Wissenschaft vom sinnlich Wahrnehmbaren, zu: aisthētikós = wahrnehmend, zu: aisthánesthai̓ = wahrnehmen]:
1. Wissenschaft, Lehre vom Schönen:
Hegels Ä.
2. <o. Pl.> das stilvoll Schöne; Schönheit:
die Ä. darf nicht zu kurz kommen;
sie hat einen Sinn für Ä.
3. <o. Pl.> Schönheitssinn:
der Gestaltung fehlen Geschmack und Ä.

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Ästhetik
 
[griechisch, zu aisthánesthai »(durch die Sinne) wahrnehmen«] die, -, im weiteren Sinn Theorie, die das Schöne in seinen beiden Erscheinungsformen als Naturschönes und als Kunstschönes zum Gegenstand hat, im engeren Sinn Theorie der Kunst. Als Subjektästhetik untersucht Ästhetik die Bedingungen der Entstehung von Kunstwerken (Produktionsästhetik), die Bedingungen und Formen der Rezeption des ästhetischen Gegenstandes (Rezeptionsästhetik), die Bedingungen der Entstehung und Geltung von ästhetischen Wert- oder Geschmacksurteilen (Formalästhetik), die Wirkung des Schönen auf den Betrachter (Wirkungsästhetik). - Als Objektästhetik behandelt die Ästhetik Fragen mit Bezug auf den ästhetischen Gegenstand: Bestimmung der konstitutiven Merkmale und der Funktion des Schönen; das Verhältnis zwischen Natur- und Kunstschönem; Strukturanalyse des Kunstwerks, Bestimmung des Kunstwerkbegriffs und der Funktion von Kunst (Werkästhetik); die Wechselbeziehung zwischen Form und Inhalt, künstlerische Technik und Material im Kunstwerk (Formästhetik beziehungsweise Inhaltsästhetik); das Verhältnis der einzelnen Kunstgattungen zueinander; das Verhältnis der Kunst zu Wirklichkeit, Geschichte, Gesellschaft; das Verhältnis von Schönheit und Kunst zur Wahrheit beziehungsweise Bestimmung des Geltungsanspruchs, den Kunstwerke erheben (Gehaltsästhetik).
 
Die Ästhetik wurde im 18. Jahrhundert als eigenständige philosophische Disziplin begründet und kann je nach dem Ausgangspunkt ihrer Fragestellung existenzialistisch, idealistisch, materialistisch u. a. ausgerichtet sein. Ästhetik ist Gegenstand der Einzelwissenschaften der verschiedenen Kunstgattungen (Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Filmtheorie u. a.). Seit dem 19. Jahrhundert gewann sie Bedeutung im Rahmen empirisch-einzelwissenschaftlicher Forschung (Soziologie, Psychologie). Gebunden an ästhetische Erfahrung als eine besondere Form sinnlicher Wahrnehmung, reicht sie in alle Gebiete menschlicher Lebensgestaltung (Architektur, Wohnen, Alltag). Ästhetische Überlegungen zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass sie sich nicht eindeutig dem Typus der deskriptiven (beschreibenden), evaluativen (wertenden) oder normativen (verbindliche Normen setzenden) Ästhetik zuordnen lassen.
 
 Geschichte
 
Probleme der Schönheit und der Kunst wurden in der Antike weitgehend getrennt behandelt. Bei Platon und Plotin steht die Schönheit im Zusammenhang mit der Richtigkeit (Gutheit) unter vorwiegend metaphysisch-ontologischen Aspekten, die Wirkung der Kunstwerke unter moralischen, nicht unter kunsttheoretischen Aspekten. Kunstwerke entstehen nach Platon durch Nachahmung (Mimesis) der sinnlichen Gegenstände. Da diese selbst nur Abbilder der urbildlichen Ideen sind, gilt Kunst als das »Dritte von der Wahrheit ab«. Bei Aristoteles ist die Kunst (griechisch musike̅́) zweckfrei, insofern sie im Rahmen einer auf Arbeit und Effektivität ausgerichteten Gesellschaft nicht zu pragmatisch auswertbarem Nutzen führt. Von Platon übernahm Aristoteles den Begriff der Mimesis, wertete jedoch den künstlerischen Schaffensprozess nicht als eine Verdoppelung der Wirklichkeit, sondern als eine schöpferische Darstellung dessen, »was möglich wäre nach Angemessenheit oder Notwendigkeit«. An ebendiesen Gedanken knüpft die Ästhetik des deutschen Idealismus mit ihrer Bestimmung des Kunstschönen als Ideal an; in diesem Gedanken liegt auch die seit der Renaissance sich durchsetzende Auffassung vom Künstler als Genie, gottähnlich in Originalität und Schöpferkraft, begründet; auf ihn geht der Autonomieanspruch der Kunst zurück, die sich - im Zusammenhang mit dem Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaftsordnung - immer erfolgreicher aus ihrer Dienstbarmachung zu Zwecken des Kultes (Antike, Christentum) oder der Repräsentation, Dekoration, Unterhaltung (höfische Gesellschaft) zu befreien versucht, um einen eigenen, kritisch-rationalen Geltungsanspruch zu erheben.
 
A. G. Baumgarten begründete mit seinem 1750-58 erschienenen Werk »Aesthetica« die Ästhetik als eine eigenständige Disziplin. Er versteht Ästhetik als allgemeine Theorie der sinnlichen Erkenntnis und bezieht damit den Bereich des Empfindens und Fühlens in den Zusammenhang der Philosophie ein. Im engeren Sinn versteht er unter Ästhetik die »Theorie der freien Künste«, die einen theoretischen (Heuristik, Methodologie, Semiotik) und einen praktischen Teil (Anleitung für die Herstellung von Kunstwerken) enthält. Das Wort »schön« (und Synonyma) bezieht er im theoretischen Teil primär nur auf die Art und Weise der Erkennbarkeit: Etwas kann in schöner Weise erkannt werden, wenn es ein Gegenstand sinnlicher Erkenntnis ist und wenn an ihm gewisse Kriterien der Vollkommenheit aufweisbar sind. I. Kant griff in seinem ästhetischen Hauptwerk, der »Kritik der Urteilskraft« (1790), die Grundidee der Wirkungsästhetik Baumgartens auf, wonach schön ist, was Lustgefühl im Sinne eines Wohlgefallens weckt, und führte sie in der Analyse des Geschmacksurteils aus. Das im Geschmack gründende »Beurteilungsvermögen« als ästhetische Urteilskraft bestimmt als »schön« dasjenige, was interesselos, »ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens erkannt wird«. Diese Bestimmungen beziehen sich nicht auf empfundene Inhalte, sondern auf Form und Proportion, die dem Kunstwerk als Produkt der Freiheit zukommen. Obwohl nach Kants Auffassung das Schöne, definiert als Zweckmäßigkeit des Gegenstandes ohne Zweck, »Symbol des Sittlichguten« ist und die schöne Kunst »den Geist zu Ideen stimmt«, bleibt für ihn Schönheit allein Gegenstand des Gefühls, nicht der Erkenntnis. F. Schiller versuchte Ästhetik als »ästhetische Erziehung des Menschen« zu fassen. Kunst als schöne und autonome ist der »einzig mögliche Ausdruck der Freiheit in der Erscheinung«, sofern der Künstler im Werk »den Stoff durch die Form vertilgt«. Kunst bewirkt die Erweiterung des rezipierenden Subjekts zu welthafter Ganzheit als Totalität in »möglichster Harmonie«, auf der Seite des Subjekts wird dabei die »mittlere Stimmung« vorausgesetzt, »in welcher Sinnlichkeit und Vernunft zugleich tätig sind«. Eine solche »Veredlung des Charakters« des Menschen sah Schiller als Voraussetzung für die Errichtung des »Staats der Freiheit«, dessen Verwirklichung in der Französischen Revolution misslang.
 
Die vorausgehenden Ästhetikentwürfe strebte der deutsche Idealismus mit seiner Gehaltsästhetik (F. W. J. Schelling, K. W. F. Solger, C. H. Weisse, A. Schopenhauer, später F. T. Vischer), eingebettet in das jeweilige philosophische System, spekulativ zu vollenden. Höhepunkt und Abschluss dieser Bemühungen ist G. W. F. Hegels Ästhetik. Diese steht im Rahmen seines philosophischen Systems, das in dialektisch-spekulativer Konstruktion die Selbstverwirklichung des Geistes als logisch notwendige Stufenfolge historisch erscheinender Gestalten darstellt, deren höchste Kunst, Religion und Philosophie sind. In Anschauung (Kunst), Vorstellung (Religion) und Denken (Philosophie) verkörpern diese den absoluten Geist, die herausentwickelte Identität von Subjekt und Objekt, durch welche Hegel die Entzweiung der Wirklichkeit, die das Ergebnis der kantischen Wende zum Subjekt war, überwunden zu haben beansprucht. Das Schöne bestimmt er als das »sinnliche Scheinen der Idee« (wobei er unter »Idee« die Einheit von Begriff und Realität des Begriffs versteht). »Denn in der Kunst haben wir es mit keinem bloß angenehmen oder nützlichen Spielwerk sondern [...] mit einer Entfaltung der Wahrheit zu tun.« Zugleich aber stellte Hegel fest, dass die Kunst nach dieser »Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes« ist, da der »Gedanke und die Reflexion« die »schöne Kunst überflügelt« haben.
 
Nach Vollendung der idealistischen Ästhetik kamen weiterführende Impulse von einer materialistischen, d. h. gesellschaftskritisch orientierten Ästhetik; Kunstwerke - wie alle anderen Kulturprodukte - werden als »Überbau«-Phänomene begriffen, die in einem jeweils bestimmbaren Verhältnis zur gesellschaftlichen »Basis« stehen. Überbau-Erzeugnisse wie Recht, Kunst, Religion haben nach K. Marx im Allgemeinen ideologischen Charakter, d. h., sie drücken das Eigeninteresse der jeweils herrschenden Klasse als vorgebliches Allgemeininteresse aus. Obgleich Künstler meist ökonomisch von der herrschenden Klasse abhängig sind, müssen Kunstwerke als Produkte freier, nicht-entfremdeter Arbeit allerdings nicht in jedem Fall ideologisch sein. E. Bloch spricht in diesem Zusammenhang in seiner materialistischen Inhaltsästhetik vom »Unabgegoltenen« der Kunstwerke als dem »utopischen Überschuss über Ideologie«.
 
War im deutschen Idealismus auch für die Ästhetik das philosophische System verbindlich, so wird für die seither vorgelegten Theorieversuche das Experiment mit dem Leistungscharakter bestimmter methodologischer Einstellungen zunehmend bedeutsam. Wichtige Strömungen bis in die Gegenwart sind: psychologische Ästhetik: G. F. Fechner, F. Brentano, T. Lipps, J. Volkelt; pragmatisch-zeichentheoretische Ästhetik: C. S. Peirce, J. Dewey, C. Morris; mit Wendung zur symbolischen Form: S. K. Langer; phänomenologische Ästhetik (ausgehend von E. Husserl): M. Geiger, M. Scheler, W. Conrad, R. Ingarden. M. Heidegger löst die ästhetische Fragestellung auf, wobei das Kunstwerk »das sich ins Werk setzen der Wahrheit des Seienden« wird.
 
Infolge einer Wendung gegen die herkömmlichen spekulativen Ästhetiktheorien orientieren sich informationstheoretische beziehungsweise abstrakte Ästhetik am Theoriebegriff der exakten Wissenschaften. Auf der Grundlage von Semiotik und Statistik untersucht Ästhetik die kommunikativen Prozesse zwischen Künstler, Kunstwerk (Design-Objekt) und Rezipient. Die im Kunstwerk angebotenen Zeichenstrukturen zielen auf die aktive Rolle des Rezipienten, auf sein »exploratives Verhalten« als »Orientierungs-, Durchmusterungs- und Aufmerksamkeitsverhalten« (H. W. Franke). Schließlich wird versucht, in einer sprachanalytischen Ästhetik methodischer Unsicherheit mit Untersuchungsmethoden aus Logik, Sprachphilosophie und Semiotik einzuschränken. Dies geschieht sowohl auf objektsprachlicher (Künste werden als künstliche Sprachen analysiert) als auch auf metasprachlicher Ebene (Bemühungen, die Rede über die Künste und Kunstwerke verständlich zu machen).
 
Literatur:
 
M. Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerkes (1960);
 R. Assunto: Die Theorie des Schönen im MA. (a. d. Ital. u. Lat., 1963; mit Bibliogr.);
 R. Ingarden: Das literar. Kunstwerk (41972);
 
Ä. heute. 7 Vorträge, hg. v. A. Giannarás (1974);
 E. Cassirer: Philosophie der symbol. Formen, 3 Bde. u. Index-Bd. (7-81977-85);
 
Ä. im Alltag. Kolloquium 2, hg. v. der Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main (1978);
 
Ä., hg. v. W. Henckmann (1979; mit Bibliogr.);
 E. Grassi: Die Theorie des Schönen in der Antike (Neuausg. 1980; mit Bibliogr.);
 
Kolloquium Kunst u. Philosophie, Bd. 1: Ästhet. Erfahrung, hg. v. W. Oelmüller (1981);
 T. W. Adorno: Ges. Schr., Bd. 7: Ästhet. Theorie (41984);
 H. R. Jauss: Ästhet. Erfahrung u. literar. Hermeneutik (21984);
 
Philosoph. Arbeitsbücher, hg. v. W. Oelmüller u. R. Dölle-Oelmüller, Bd. 5: Diskurs: Kunst u. Schönes (21993; mit Bibliogr.).
 

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Äs|the|tik, die; -, -en [griech. aisthētike̅́ (téchnē) = Wissenschaft vom sinnlich Wahrnehmbaren, zu: aisthētikós = wahrnehmend, zu: aisthánesthaí = wahrnehmen]: 1. Wissenschaft, Lehre vom Schönen: Hegels Ä.; zynische Elemente finden wir fast in allen ... -en der Zeit (Sloterdijk, Kritik 703). 2. <o. Pl.> das stilvoll Schöne, Schönheit: die Ä. darf nicht zu kurz kommen; Der Weg zurück in die Stadt, den die Stadtentwicklung in den letzten Jahren verfolgt, hat ein neues Bewusstsein für Raumqualität und Ä. begünstigt (Handelsblatt 19. 3. 99, 45). 3. <o. Pl.> Schönheitssinn: es fehlt seiner Gestaltung Geschmack und Ä. (MM 14. 2. 74, 18).

Universal-Lexikon. 2012.