Hammond-Orgel
[englisch, 'hæmənd-], elektromechanisches Tasteninstrument; erste kommerziell erfolgreiche E-Orgel. Die ursprüngliche Version dieses Instruments wurde 1933/34 von dem amerikanischen Ingenieur Laurens Hammond (1895-1973) in Zusammenarbeit mit John Marshall Hanert (1909-1984) entwickelt und von 1935 bis 1974 von der Hammond Organ Company (vorher Hammond Clock Company), Chicago, produziert. Die erste öffentliche Präsentation erfolgte im April 1935 auf der Industrial Arts Exposition in New York, und bis Ende der Dreißigerjahre konnte die Produktion auf monatlich 200 Instrumente gesteigert werden. Ein vor der Federal Trade Commission ausgetragener Rechtsstreit, ob Hammond für sein Gerät die Bezeichnung »Orgel« führen dürfe, endete 1938 zu seinen Gunsten.
Die Klangerzeugung in der Hammond-Orgel beruht auf Zahnradgeneratoren, einem technischen Verfahren, das Thaddeus Cahill (1867-1934) bereits um 1900 für sein Telharmonium (auch Dynamophon) entwickelt hatte. Die gleichmäßige Rotation von metallenen Profilscheiben (der Rand ist entsprechend der zu erzeugenden Tonhöhe mit einer unterschiedlichen Anzahl von Zähnen versehen) ruft in elektromagnetischen Tonabnehmern eine elektrische Wechselspannung in Form einer Sinusschwingung hervor. Die klassische Hammond-Orgel Modell A (zweimanualig mit Basspedal) verfügte über 91 Tonräder mit Durchmessern zwischen 4 und 7 cm, die jeweils eine Tonhöhe erzeugen konnten. Dabei handelte es sich jedoch nur um sinusförmige Grundschwingungen, sodass der eigentliche Klang erst durch das Zuschalten weiterer Generatoren (für jeden Oberton einen ) entstand. Die Mischung der einzelnen Tonfrequenzen (additive Klangsynthese) erfolgte über ein Zugriegelsystem getrennt für Pedal und beide Manuale. Die auf diese Weise erzeugte künstliche Obertonreihe — aus praktischen Gründen blieb der Klang auf sieben Teiltöne beschränkt, wobei der sechste Oberton ausgelassen wurde — entspricht der temperierten Stimmung des Instruments. Daraus resultieren feine Schwebungen, die charakteristisch für das Klangbild der Hammond-Orgel sind. Trotz zahlreicher Registriermöglichkeiten (Register) und elektronischer Schaltungen zur Erzeugung bestimmter Effekte (Vibrato, Tremolo, Hall, seit 1955 Percussion) bleibt dieser typische Grundsound, gekennzeichnet vor allem durch die beschriebenen Schwebungen im Klangspektrum und das Schaltgeräusch (key-click) beim Tastenanschlag, erhalten. Zur Klangwiedergabe diente meist ein Tonkabinett, das Verstärker und Lautsprecherkombination enthielt und gleichzeitig als klangbelebendes Effektgerät (Leslie) arbeitete.
Mitte der Sechzigerjahre reduzierte Hammond die Zahl der Zahnradgeneratoren auf zwölf für die Halbtonstufen der obersten Oktave. Die Töne der darunter liegenden Oktavbereiche wurden durch Frequenzteilung gewonnen (Prinzip der Muttergeneratoren). Die Produktion vollelektronischer Hammond-Orgeln begann gegen Ende der Sechzigerjahre, wobei man versuchte, das von der Originalversion bekannte Klangbild zu übernehmen.
Hammond-Orgeln fanden schnell in Kinos, Cafés und Hotelrestaurants als stationäres Instrument für Alleinunterhalter Verbreitung. Vor allem in der populären Musik verbinden sich mit dem typischen Hammond-Sound Idealvorstellungen vom Klang einer E-Orgel. Bereits 1935/36 machte u. a. Milt Herth (1903-1965) als Organist des Rundfunksenders WIND in Gary, Indiana/USA, mit seiner »swingenden« Staccato-Spielweise (bedingt durch die noch nicht ausgereifte Anschlagskontrolle der frühen Modelle) die Hammond-Orgel bekannt. Zu den stilprägenden Interpreten in Unterhaltungsmusik und Jazz zählten Shirley Scott (* 1934), Ethel Smith (* 1921), Jimmy Smith (* 1925), Fats Waller (1904-1943) und Larry Young (1940-1978). Im Bestreben, den reinen Gitarrensound durch andere Klangfarben zu bereichern, verwendeten einige Rockbands in den Sechzigerjahren eine Hammond-Orgel (z. B. die Beatles in »Mr. Moonlight« auf der LP »Beatles for Sale«, 1964), wobei sie seltener die rhythmische Funktion des Klaviers übernahm, sondern vorwiegend als harmonische Stütze (ausgehaltene Akkorde) diente. Durch einige hervorragende Instrumentalisten konnte sich die Hammond-Orgel (Modell B3 und die spätere elektronische Variante B 3000) in Rockgruppen unterschiedlichster Stilistik als gleichberechtigtes, teilweise soundbestimmendes Instrument etablieren, z. B. Ray Manzarek (* 1935) bei den Doors, Keith Emerson (* 1944) bei The Nice und Emerson, Lake & Palmer, Jon Lord (* 1941) bei Deep Purple. Im Laufe der Siebzigerjahre fanden andere E-Orgeln und elektronische Musikinstrumente Verbreitung, die den Hammond-Klang nachbilden konnten und gleichzeitig neue Soundvorstellungen schufen, sodass die Bedeutung der Hammond-Orgel in starkem Maße zurückgegangen ist. Doch selbst in den Achtzigerjahren griff man gelegentlich auf dieses legendäre Instrument zurück, wovon die LP »Back in the High Life« (1986) von Steve Winwood (* 1948) oder das von Jimmy Smith (* 1952) auf einer Hammond B3 gespielte Orgelsolo in »Bad« (LP »Bad«, 1987) von Michael Jackson (* 1958) zeugen.
Universal-Lexikon. 2012.