Kommunịstische Partei der Sowjẹtunion,
Abkürzung KPdSU, 1917/18-91 (bei mehrfacher Namensänderung) Staats- und Regierungspartei in Sowjetrussland beziehungsweise der UdSSR; beanspruchte darüber hinaus die führende Rolle in der kommunistischen Weltbewegung (KI, Kominform, kommunistische Parteien) und war die bestimmende Kraft des Ostblocks.
Organisationsstruktur und Arbeitsweise der KPdSU wurden weitestgehend von den (v. a. Macht ausübenden) kommunistischen Parteien übernommen und besaßen für diese - zusammen mit dem Marxismus-Leninismus - unbestrittenen Leitbildcharakter.
Die Organisation der KPdSU fußte auf dem von Lenin durchgesetzten Grundsatz einer zentralistisch aufgebauten Kaderpartei; ihr hauptamtlich fungierender Parteiapparat war nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus organisiert. Das formell oberste Parteiorgan - der Parteitag - tagte (seit 1971) alle fünf Jahre (zuvor in unterschiedlichen Abständen, zwischen 1939 und 1952 gar nicht); für die Zeit zwischen den Parteitagen wählte er das Zentralkomitee (Abkürzung ZK; 1918 15 Mitglieder und 8 Kandidaten, 1952 mehr als 230 Mitglieder und Kandidaten) als Leitungsorgan. Dieses wiederum bestimmte die Mitglieder der beiden höchsten (die tatsächliche Macht ausübenden) Entscheidungsgremien: das Politbüro (1917 erstmals konstituiert, 1919 als ständige Institution eingerichtet, 1952-66 durch ein Präsidium ersetzt; bestand aus einer wechselnden Zahl von Mitgliedern und Kandidaten, 1987 vierzehn Vollmitglieder) und das Sekretariat des ZK. Unter dem Vorsitz des Generalsekretärs (1953-66 Erster Sekretär) trafen das Politbüro, das die Leitlinien der Politik festlegte, und das ZK-Sekretariat, das die Beschlüsse durch Direktiven an den Parteiapparat ausführte, alle gesellschaftspolitischen, ökonomischen und außenpolitischen Grundsatzentscheidungen. Die Verwaltungsgliederung der Partei war am Territorialprinzip des Staatsaufbaus orientiert (Union, Republiken [außer RSFSR], Gebiete, Bezirke, Städte, Kreise); die Zellen (Grundorganisationen) arbeiteten in Produktions- und Ausbildungsstätten, Staatsorganen und Verwaltungsbehörden sowie in den Einheiten der Streitkräfte. Politische Nachwuchsorganisation der KPdSU war der Jugendverband Komsomol.
Die KPdSU ging hervor aus der 1898 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Abkürzung SDAPR), die sich 1903 in Menschewiki und die von Lenin geführten Bolschewiki (Abkürzung B) spaltete. Letztere konstituierten sich 1912 formell als selbstständige Partei unter der Bezeichnung SDAPR (B). In der Oktoberrevolution 1917 übernahmen die Bolschewiki nach einem bewaffneten Aufstand die Macht, die sie nach Ausschaltung ihrer Bündnispartner (linke Sozialrevolutionäre) ab März 1918 allein innehatten und in einem blutigen Bürgerkrieg sowie im Kampf gegen eine ausländische militärische Intervention (1918-21/22) behaupten konnten. 1918 benannte sich die Partei in Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki) [Abkürzung KPR (B)] um. Nach dem Tod Lenins (1924) gelang es Stalin, der bereits seit 1922 Generalsekretär war, seine innenparteilichen Rivalen L. D. Trotzkij, L. B. Kamenew, G. J. Sinowjew und N. I. Bucharin nach und nach auszuschalten und später zu liquidieren (Schauprozesse und Hinrichtungen). Die alte Führungsschicht der - 1925 in KPdSU (B) umbenannten - Partei wurde in der »Großen Säuberung« (1935-39; Tschistka) durch Stalin stark dezimiert; unter ihm wurde die KPdSU (B) zu einem Herrschaftsinstrument seiner persönlicher Diktatur (Stalinismus). Nach Stalins Tod (1953) wurden unter dem neuen Ersten Sekretär N. S. Chruschtschow Deformierung der Partei und Personenkult im Zuge der Entstalinisierung (XX. Parteitag 1956) rückgängig gemacht. Die KPdSU (1952 Streichung des Zusatzes »B«) wurde wieder der eigentliche politische Machtträger. Die von Chruschtschow gegenüber dem Westen verfolgte Politik der »friedlichen Koexistenz« führte zum politischen Bruch und zur Rivalität mit der KP Chinas (bis um 1989). Nach Chruschtschows Sturz 1964 wurde eine kollektive Leitung konstituiert, in der L. I. Breschnew als Generalsekretär jedoch eine große Machtfülle auf seine Person vereinigen konnte. Seine Nachfolger waren J. W. Andropow (1982-84) und K. U. Tschernenko (1984/85).
Mit Generalsekretär M. S. Gorbatschow (seit 1985-91) und seiner Reformpolitik von »Glasnost« und »Perestroika« begann in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre ein grundlegender staatlich-gesellschaftlicher Umbau, der auch die Partei erfasste (Auswechseln führender Kader, Umstrukturierung des Apparates), jedoch vielfach in Ansätzen stecken blieb und Kritik von Radikalreformern sowie orthodoxer Kräften hervorrief. Gegen starken innenparteilichen Widerstand setzte Gorbatschow im Februar 1990 den Verzicht auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Machtmonopol der KPdSU durch (im März 1990 Streichung des Führungsanspruchs aus der Verfassung). Der Prestige- und Machtverlust der KPdSU äußerte sich in einem starken Rückgang der Mitgliederzahl (1990/91 rd. 4,2 Mio. Austritte, u. a. B. N. Jelzin, E. A. Schewardnadse).
Um dem Zerfall der KPdSU entgegenzuwirken, unterbreitete Gorbatschow 1991 den Entwurf eines neuen Parteiprogramms, der sich an Prinzipien der Sozialdemokratie orientierte. Dennoch kam es zu organisatorischen Abspaltungen von der KPdSU.
Nach dem gescheiterten Putschversuch orthodox kommunistischer Funktionäre im August 1991 wurde die Tätigkeit der KPdSU auf dem gesamten Staatsgebiet der UdSSR untersagt. Gorbatschow trat am 24. 8. 1991 als Generalsekretär zurück. In einer Reihe von Unionsrepubliken, die zumeist bereits ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, wurden die bisher der KPdSU eingegliederten nationalen KP-Organisationen verboten (u. a. Ukraine, Georgien), in anderen formierten sie sich unter neuem Namen (Usbekistan) oder lösten sich selbst auf (z. B. in Aserbaidschan). 1993 konstituierte sich die von G. A. Sjuganow geführte »Kommunistische Partei der Russischen Föderation« (Abkürzung KPRF), die bei den Parlamentswahlen von 1993 zweitstärkste und bei denen von 1995 stärkste Partei wurde (22,3% der Stimmen, 157 Sitze in der Staatsduma). Sowjetunion, Geschichte; Russland, Geschichte
L. Schapiro: Die Gesch. der KPdSU (a. d. Engl., 1961);
B. Meissner: Das Parteiprogramm der KPdSU: 1903-1961 (31965);
Histor. Lex. der Sowjetunion 1917/22 bis 1991, hg. v. H.-J. Torke (1993);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Russland: Vom Zarenreich zur Oktoberrevolution
Sowjetunion: Der russische Bürgerkrieg und die Gründung der Sowjetunion
Sowjetunion: Gorbatschows Politik der Erneuerung
Universal-Lexikon. 2012.