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nordamerikanische Indianer
nọrd|amerikanische Indianer,
 
Sammelbezeichnung für die indigenen Völker Nordamerikas, deren kulturelle Vielfalt weit in voreuropäischer Zeit zurückgeht (Nordamerika, Geschichte), die vom einfachen Wildbeuterdasein bis zum Bewässerungsfeldbau reichte. Ihre in Abhängigkeit von der jeweiligen Umwelt spezifischen Wirtschaftsformen und entsprechenden Kulturen lassen sich zu »Kulturarealen« zusammenfassen: an der Nordwestküste eine Küstenfischerkultur mit komplexer Gesellschaft (Nordwestküstenindianer), in den subarktischen Wäldern mit ihren vielen Flüssen und Seen eine Jäger- und Fischerkultur (subarktische Indianer), in den Trockenlandschaften des Westens eine intensive Sammlerkultur (Kalifornische Indianer, Indianer des Großen Beckens, Plateau-Indianer), auf den Grasländern der Plains - v. a. nach Übernahme des Pferdes von den Spaniern - eine Bisonjägerkultur (Prärie- und Plains-Indianer). Die Einführung von tropischen Kulturpflanzen (Mais, Bohne, Kürbis) trug zur Entstehung sesshafter Kulturen im östlichen Waldland mit Brandrodung, im Südwesten mit Bewässerung bei (Östliche Waldlandindianer, Südwest-Indianer).
 
Kunst:
 
In der Mehrheit der traditionellen Gesellschaften war die Herstellung künstlerischer Ausdrucksformen nicht Aufgabe von Spezialisten, sondern unterlag primär der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Immer waren die Formen auch mit praktischen Funktionen verbunden. Der Kontakt mit der euroamerikanischen Kultur bereicherte die Kunst durch Einführung neuer Materialien, Techniken, die Entstehung neuer Märkte und die Förderung von Berufskünstlertum.
 
Die herausragende Mal- und Schnitzkunst der Nordwestküstenindianer war das Werk von Spezialisten, die im Auftrag des lokalen Adels Manifestationen von dessen ererbten Privilegien schufen (z. B. Wappenpfähle, Masken). Holzschnitzerei fand sich auch im östlichen Waldland (z. B. Falschgesichtsmasken der Irokesen). Figürliche und symbolische Malerei auf Lederkleidung ist v. a. für die östliche Subarktis und die Prärien und Plains typisch, die hier und im Waldland überdies mit Perlen aus Schneckenschalen und v. a. gefärbten Stachelschweinborsten (Quillwork) verziert war. Die von den Europäern eingeführten Seidenbänder und Glasperlen (Perlenarbeiten) ergänzten beziehungsweise ersetzten die Borstenarbeiten. Zur traditionell vorwiegend abstrakt-geometrischen Motivik traten im 19. Jahrhundert verstärkt florale Ornamentik, die an alte kurvilineare Stile des Waldlands anknüpfte, und aus der Malerei abgeleitete figürliche Darstellungen.
 
Während die Töpfereitraditionen des Waldlands frühzeitig verloren gingen, haben sie die sesshaften Stämme des Südwestens bewahrt. Die seit dem 14. Jahrhundert vorherrschende polychrome Keramikmalerei, die auch Bezüge zur Freskomalerei in Sakralräumen der Puebloindianer aufweist, hat sich in großer Stilvielfalt (geometrisches und figürliches Dekor) erhalten und wird seit dem späten 19. Jahrhundert überwiegend für den Verkauf hergestellt. Ähnliches gilt für die aus Holz geschnitzten Kachinapuppen (Kachinas). Die Navajo wurden in ihrer Kunst sowohl von Puebloindianern wie von Weißen beeinflusst. Sie entwickelten die zeremonielle Trockenmalerei der Pueblos weiter und veränderten deren Weberei durch die Verwendung von Schafwolle und neuartigen Webstühlen. Ihre von mexikanischen Grobschmieden erlernte Silberschmiedekunst wurde von den Hopi und Zuni übernommen. Korbflechterei war besonders an der Nordwestküste (hier neben der Herstellung technisch hochwertiger Textilien), im Großen Becken, im Südwesten und in Kalifornien entwickelt, wo Federn sowohl zum Korbdekor als auch zur Herstellung von Decken und Gürteln verwendet wurden.
 
Neben den alten Kunstformen haben sich im 20. Jahrhundert auch euroamerikanische (Malerei auf Leinwand, Grafik, auch Skulptur), v. a. über die Ausbildung in staatlichen Kunstschulen (u. a. Institute of American Indian Arts in Santa Fe, N. Mexiko), durchgesetzt. Die Mehrzahl der Künstler beliefert regionale Märkte für »Indianerkunst« (vor allem im Südwesten, aber auch in Kanada), strebt aber nach Anerkennung im Rahmen moderner und postmoderner Gegenwartskunst.
 
Literatur:
 
W. Haberland: Nordamerika. Indianer, Eskimo, Westindien (31979);
 
Indian. Kunst im 20. Jh., hg. v. G. Hoffmann (1985);
 P. Bolz u. B. Peyer: Indian. Kunst Nordamerikas (1987);
 
Zeitgenöss. Kunst der Indianer u. Eskimos in Kanada, hg. v. G. Hoffmann (1988);
 C. F. Feest: Native arts of North America (Neuausg. London 1992).

Universal-Lexikon. 2012.