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Irokesen
Irokesen,
 
französisch und englisch Iroquois [irɔ'kwa, französisch, 'ɪrəkwɔɪ, englisch], nordamerikanische Indianerstämme, die ursprünglich an den östlichen Großen Seen lebten. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Irokesen die Stämme, die sich um 1570 zur Irokesischen Liga (»Bund der fünf Nationen«) zusammengeschlossen hatten: Seneca, Cayuga, Oneida, Onondaga, Mohawk; ab 1722 auch die Tuscarora. Die irokesischen Stämme, die nicht der Liga angehörten (Huronen, Erie, Neutrale, Tabakleute, Susquehannock), wurden außer den Huronen im 17. Jahrhundert von der Liga absorbiert. In den USA leben heute etwa 35 000 Irokesen, in Kanada etwa 30 000, teils in Städten, teils in den Reservationen: Six Nations Reserve in Ontario; Kahnawake und Kanasetake (Oka) in Quebec; Akwesasne (Saint Regis) in Quebec, Ontario und im Bundesstaat New York; Allegany-, Cattaraugus-, Tonawanda-, Onondaga- und Tuscarora-Reservation, alle im Bundesstaat New York; die meisten Oneida leben auf einer eigenen Reservation bei Green Bay in Wisconsin; eine Gruppe von Seneca-Cayuga lebt auf einer ehemaligen Reservation in Oklahoma.
 
Die Irokesen trieben zur Zeit der Ankunft der Europäer intensiven Ackerbau (Mais, Bohnen, Kürbisse, Sonnenblumen, Hanf, Tabak); Jagd und Fischfang waren ebenfalls von Bedeutung; seit der Kolonialzeit wurden auch etwas Viehhaltung und Obstbau betrieben. Von ökonomischer Bedeutung war besonders in der frühen Kolonialzeit der Handel mit den atlantischen Küstenstämmen der Algonkin und den europäischen Kolonisten, wobei die Irokesen das Zwischenhandelsmonopol im Pelzhandel (v. a. Biber) mit den subarktischen Jägern innehatten. Die Irokesen bewohnten große, von Palisaden umzäunte Siedlungen, die aus mehreren Langhäusern (danach ihre Selbstbezeichnung Ho-dé-no-sau-nee »Langhausleute«) bestanden. In ihnen lebten die Angehörigen einer matrilokalen Großfamilie. Matrilineare Sippen standen unter Leitung einer Matrone (jedoch kein Matriarchat). Die Liga, als deren Gründer Deganawida und Hiawatha genannt werden, wurde von einem Rat aus 50 Friedenshäuptlingen geleitet. Der Seneca-Prophet Handsome Lake gründete 1799 die Langhausreligion, eine synkretistische Religion mit irokesischen und christlichen Glaubensvorstellungen, die noch heute unter den Irokesen weit verbreitet ist; es gibt elf Langhäuser (Kirchen). Schon in früher Kolonialzeit wurden die Irokesen, im Grenzgebiet zwischen englischen Kolonisten und dem französischen Kanada lebend, in die Streitigkeiten der europäischen Kolonialmächte verstrickt. 1649 vernichteten sie in einem Entscheidungskampf die mit den Franzosen verbündeten Huronen fast völlig und schalteten diese als Konkurrenten im Fellhandel aus. Sie kämpften aufseiten der Engländer gegen die Franzosen, im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Amerikaner, die die Irokesen 1779 besiegten. 1784 wurde ihnen ein Anspruch auf eigenes Land abgesprochen, und die meisten Irokesen zogen nach Kanada. Später kehrten viele in die USA zurück. - Die Irokesen leben überwiegend als Kleinbauern. Zahlreiche Mohawk sind jedoch als Facharbeiter im Hochbau tätig, weil sie als schwindelfrei gelten. In den Reservationen und in Siedlungen ohne Reservationsstatus werden noch manche religiöse Riten und Feste in traditioneller Weise abgehalten, z. B. die Riten des Falschgesichterbundes, v. a. bei der Heilung von Kranken. Die Saint-Regis-Mohawk geben eine Zeitung (Akwesasne Notes) heraus, die eine zentrale Rolle in der politischen Irokesenbewegung des späten 20. Jahrhunderts spielt. Nach den Irokesen ist auch eine Sprachfamilie benannt, die von mehreren Stämmen gesprochen wird, deren Südgruppe die Cherokee bilden, die sich vor 3 500-4 000 Jahren von den nördlichen Irokesen trennten.
 
Die Irokesensprachen sind polysynthetisch (sowohl präfigierend wie suffigierend; möglich ist auch die Inkorporation des Objekts). Bei den Personalpräfixen wird zwischen den Genera unterschieden. Eine strukturelle Besonderheit des irokesischen Sprachtyps liegt darin, dass nicht nur Verben, sondern auch Nomina (mit wenigen Ausnahmen, meist Tier- und Pflanzenbezeichnungen) stets Personalpräfixe tragen (z. B. »er, der ein Mann ist, singt«, statt »der Mann singt«). Ferner neigen die Irokesensprachen stark zur Metaphernbildung.
 
Literatur:
 
L. H. Morgan: League of the Ho-dé-no-sau-nee, or Iroquois, 2 Bde. (Neuausg. (New York 1966);
 
Parker on the Iroquois, hg. v. W. N. Fenton (Syracuse, N. Y., 1968);
 A. F. C. Wallace: The death and rebirth oft the Seneca (New York, N. Y., 1969);
 W. Lindig: Geheimbünde u. Männerbünde der Prärie- u. der Waldlandindianer Nordamerikas (1970);
 D. A. Grinde: The Iroquois and the founding of the American nation (San Francisco, Calif., 1977);
 L. M. Hauptman: The Iroquois and the New Deal (Syracuse, N. Y., 1981);
 W. N. Fenton: The false faces of the Iroquois (Norman, Okla., 1987);
 S. Jahn: Die I. (41996);
 D. R. Snow: The Iroquois (Neuausg. Oxford, 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
französische Kolonien: Das erste französische Kolonialreich
 

Universal-Lexikon. 2012.