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Ge|dächt|nis [gə'dɛçtnɪs], das; -ses:1. Fähigkeit, sich an etwas zu erinnern:
er hat ein gutes Gedächtnis; sein Gedächtnis trainieren.
Zus.: Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis, Namengedächtnis, Personengedächtnis, Zahlengedächtnis;
☆ ein Gedächtnis wie ein Sieb haben (ugs.): sehr vergesslich sein.
2. Erinnerung (2):
etwas im Gedächtnis behalten; die Erlebnisse seiner Jugend sind ihm deutlich im Gedächtnis geblieben.
Syn.: ↑ Bewusstsein.
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Ge|dạ̈cht|nis 〈n. 11〉
1. Fähigkeit, sich Gesehenes, Gehörtes, Gelesenes, Erlebtes zu merken u. sich später daran zu erinnern, Erinnerungsvermögen
2. Andenken, Erinnerung
● ich will mein \Gedächtnis nicht mit diesen Kleinigkeiten belasten; wenn mich mein \Gedächtnis nicht trügt ● ein gutes, schlechtes, 〈umg.〉 kurzes \Gedächtnis haben ● ein Gedicht aus dem \Gedächtnis hersagen auswendig; jmdn. od. etwas aus seinem \Gedächtnis löschen vergessen wollen; jmdn. od. etwas aus dem \Gedächtnis verlieren vergessen; ein gutes, schlechtes, kein \Gedächtnis für etwas (Bestimmtes) haben; ich habe ein gutes, kein \Gedächtnis für Gesichter, Namen, Zahlen; jmdn. od. etwas im \Gedächtnis behalten; sich jmdn. od. etwas ins \Gedächtnis zurückrufen; ich habe leider ein \Gedächtnis wie ein Sieb 〈umg.; scherzh.〉 ich kann mir vieles nicht merken; zu seinem \Gedächtnis zu seinem (ehrenden) Andenken; ein Mahnmal zum \Gedächtnis an die Gefallenen [→ denken, gedenken]
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Ge|dạ̈cht|nis , das; -ses, -se [mhd. gedæhtnisse, ahd. kithēhtnissi = das Denken an etw.]:
1. Fähigkeit, Sinneswahrnehmungen od. psychische Vorgänge (im Gehirn) zu speichern, sodass sie bei geeigneter Gelegenheit ins Bewusstsein treten können; Vermögen, Bewusstseinsinhalte aufzubewahren, zu behalten, zu speichern u. sich ins Bewusstsein zurückzurufen, wieder zu beleben; Erinnerung[svermögen]:
ihr G. reicht weit zurück;
mein G. lässt nach, lässt mich oft im Stich;
wenn mich mein G. nicht täuscht, war es so;
ein gutes, schlechtes G. [für Zahlen] haben;
im kollektiven G. der Nation;
das G. verlieren;
sein G. nicht mit etw. belasten;
sein G. auffrischen;
er hat ein kurzes G. (ugs.; vergisst schnell);
etw. dem G. [fest] einprägen;
ihr Name ist meinem G. entfallen (ich habe ihren Namen vergessen);
jmds. G. nachhelfen (1. jmdn. erinnern, indem man ihm Anhaltspunkte gibt. 2. iron.; jmdn., der sich an bestimmte Tatsachen nicht erinnern will bzw. angeblich nicht erinnert, auf diese Tatsachen hinweisen);
aus dem G. (ohne Vorlage, auswendig) zitieren;
etw. im G. behalten, bewahren (nicht vergessen);
jmdm., sich etw. ins G. [zurück]rufen (jmdn., sich an etw. erinnern);
☆ ein G. wie ein Sieb haben (ugs.; sehr vergesslich sein).
2. [ehrendes] Andenken, Gedenken:
dem Verstorbenen ein ehrenvolles G. bewahren;
zum G. der Opfer;
zum G. an die Katastrophe ein Denkmal errichten.
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Gedächtnis,
die Fähigkeit, Informationen abrufbar zu speichern. Das Einspeichern selbst wird Einprägen, das Abrufen Erinnern genannt. Stoffliche Grundlage des Gedächtnisses ist die Gesamtheit aller Nervenzellen beziehungsweise das Gehirn. Wie die Informationsspeicherung im einzelnen erfolgt, ist noch weitgehend unklar.
Man unterscheidet zwischen einem Verhaltensgedächtnis (implizites Lernen) und einem Wissensgedächtnis (explizites Lernen). Beim Verhaltensgedächtnis erfolgt das Lernen durch Bildung von Assoziationen entweder als klassische Konditionierung (so löst z. B. der Anblick von Speisen in Form des bedingten Reflexes Speichelfluss aus; kombiniert man nun diese Reaktion wiederholt mit einem neutralen Testreiz, z. B. Glockenzeichen, so kommt es nach einiger Zeit zu Speichelfluss beim Ertönen der Glocke) oder als operante Konditionierung (hierbei erfolgt unmittelbar auf die zu erlernende Reaktion ein belohnender oder bestrafender Reiz). Diese Form des Gedächtnisses findet sich ausgeprägt bei Tieren und Kleinkindern. Das Wissensgedächtnis findet sich vornehmlich beim erwachsenen Menschen und erlaubt das Behalten und die Wiedergabe des sprachlich verschlüsselten Materials, also all diejenigen Dinge, Fakten und Ereignisse über die man etwas gelesen, gehört oder über die man nachgedacht und die man verbalisiert hat.
Beim Menschen lassen sich außerdem unterschiedliche Gedächtnisarten unterscheiden: Das Kurzzeitgedächtnis (KZG) besteht aus dem sensorischen und dem primären Gedächtnis. Das sensorische Gedächtnis speichert Informationen nur für Sekunden (z. B. wird eine kurzzeitig angebotene, willkürliche Anordnung von 12 Buchstaben oder Zahlen nach 0,5-1 s oft noch bis zu 80 % richtig wiedergegeben, danach fällt die Erfolgsquote erheblich ab) und beruht wahrscheinlich auf elektrischen Vorgängen innerhalb des Gehirns. Das Vergessen in diesem Gedächtnis scheint auf Verblassen der alten Information und auf Überschreiben mit neuen Informationen zu beruhen. Die Übernahme in das primäre Gedächtnis erfolgt gewöhnlich durch Verbalisierung der sensorischen Daten. Dieser Speicher ist viel kleiner und behält die Information für einige Sekunden bis mehrere Minuten. Das primäre Gedächtnis kann durch Stoffe gehemmt werden, welche die Synthese der Ribonukleinsäure (RNA) blockieren (z. B. das Antibiotikum Puromycin); zugleich findet keine Übernahme in das LZG statt. Das Langzeitgedächtnis (LZG) besteht aus dem sekundären und dem tertiären Gedächtnis. Das sekundäre Gedächtnis ist ein großes und dauerhaftes Speichersystem, das Informationen Minuten bis Jahre abrufbar halten kann. Die Übernahme vom primären in das sekundäre Gedächtnis erfolgt vorwiegend durch Üben und Gebrauch und kann durch Stoffe verhindert werden, welche die Proteinsynthese hemmen. Bereits im LZG gespeicherte Inhalte werden davon nicht betroffen. Zur Wiedergabe muss die Information aus dem Langzeitspeicher wieder in das begrenztere KZG gebracht werden; das kann zu Störungen führen, denn das KZG ist klein und schnell, und das LZG ist groß und langsamer (verlängerte Zugriffszeit im großen Speicher). Vergessen erfolgt im sekundären Gedächtnis wohl weitgehend durch Störungen zwischen den schon mal gelernten und den aktuell zu lernenden Informationen. Auch dieser Vorgang ist noch weitgehend ungeklärt, sicher ist jedoch, dass Inhalte des LZG nicht immer ins Bewusstsein gerufen werden können; in Hypnose dagegen sind oft bereits vergessene Inhalte noch abfragbar. Beim tertiären Gedächtnis handelt es sich offenbar um einen kleinen, rasch zugänglichen Speicher, der Informationen enthält, die lebenslang nicht vergessen werden, z. B. wichtige persönliche Daten und meist in früher Jugend erworbene Erlebnisinhalte.
An der Übernahme von Informationen aus dem KZG in das LZG ist offenbar einer der entwicklungsgeschichtlich ältesten Teile des Großhirns, der Hippocampus, maßgeblich beteiligt. Seine Zerstörung macht die Speicherung neuer Informationen unmöglich. Die Bewahrung bewusster Gedächtnisinhalte erfolgt v. a. in den Zellen der Großhirnrinde. Wird ein Teil dieser Oberflächenpartie des Großhirns zerstört, dann werden damit nicht etwa genau beschreibbare Gedächtnisinhalte gelöscht, sondern das Gedächtnis wird insgesamt unschärfer, ungenauer. Auch sprechen andere Befunde dafür, dass das Gedächtnis als ein gleichzeitig von vielen Nervenzellen und deren Synapsen getragener Prozess anzusehen ist. Dabei scheint die Bewahrung ähnlich wie bei einem Hologramm zu funktionieren: Die Information wird durch Überlagerung (»Interferenz«) zweier oder mehrerer Informationskreise gespeichert, z. B. durch Überlagerung von Gesehenem mit Gehörtem, von Gelesenem mit bereits Gewusstem usw. Diese Theorie erklärt, weshalb das Lernen leichter fällt, wenn mehrere »Eingangskanäle« (Sinne) zugleich beteiligt sind. Ebenso würden Wiederholungen das »Hologramm« verschärfen und den Gedächtnisinhalt besser abrufbar machen; die Aufmerksamkeit stellt hierbei gewissermaßen einen Filter dar, der nur die Reize hindurchlässt, die zu dem gerade Betrachteten gehören.
Die Hypothese, elektrische Erscheinungen des KZG würden DNS (Erbsubstanz) dazu veranlassen, RNS (Überträgersubstanz) herzustellen und nach deren Vorschrift Proteine zu synthetisieren, erklärt ebenfalls die Wirkung von Wiederholungen beim Lernen (es wird hierbei eben mehr von einem bestimmten Protein gebildet); sie erklärt aber zugleich, dass bestimmte Verhaltensweisen und auch Gedächtnisinhalte (z. B. das Feindbild bei Küken) mit der DNS vererbt werden können. Die beiden Hypothesen lassen sich ohne Schwierigkeiten zusammenfassen.
Eine andere Hypothese nimmt an, dass beim Lernen bestimmte Nervenzellen durch besonders gut leitende Nervenverbindungen, vermehrte Neurotransmitterfreisetzung oder neue Synapsen verknüpft werden und z. B. Wiederholungen diese Bahnen gewissermaßen »einschleifen« (Bahnung). Auf jeden Fall hinterlassen Gedächtnisinhalte Spuren im Gehirn (Engramm).
Die Qualität des Gedächtnisses, die Merkfähigkeit, ist individuell sehr verschieden und hängt u. a. von der Anzahl der Wiederholungen und deren Zeitabstand, von der Konzentration und Aufmerksamkeit, dem Ermüdungsgrad, der Gefühlsbeteiligung und anderen inneren und äußeren (z. B. Ruhe) Begleitumständen und vom Interesse am einzuprägenden Stoff ab. Auch die »Art« des Einprägens kann von Bedeutung sein: Der auditive oder akustische Typus behält Gehörtes besser, der optische Typus dagegen Gesehenes. Die höchste Aufnahmeschnelligkeit liegt im Schulalter, die höchste Aufnahmegenauigkeit im 20.-25. Lebensjahr; mit dem Älterwerden nehmen beide ab.
Von den Tieren haben (außer den Mesozoa und den Schwämmen) alle vielzelligen Tiere ein Gedächtnis.
An der Erforschung des Gedächtnisses sind neben Biologen und Biochemikern, Medizinern und Psychologen auch Kybernetiker und Wissenschaftler anderer Fachrichtungen beteiligt; die Forschungsmethoden sind somit sehr unterschiedlich. - Von epochaler Bedeutung waren um die Jahrhundertwende die von H. Ebbinghaus u. a. entwickelten Gedächtnismethoden, desgleichen die Forschungen I. P. Pawlows und W. M. Bechterews (Reflexologie) sowie die Lernexperimente von B. F. Skinner (Behaviorismus). Von der heutigen Psychologie werden neben der »Erscheinung« Gedächtnis besonders die Bedingungen untersucht, die das Behalten und Erinnern beeinflussen. Unter informationstheoretischem Aspekt wird das Gedächtnis als Speicher von begrenzter Kapazität aufgefasst; es wirkt in diesem Sinn als Selektor (Auswahl des Wahrgenommenen und Erlernten) und Modifikator (Veränderung der Inhalte nach subjektiven wie strukturellen Prinzipien). Informationsverluste entstehen sowohl beim Speichern als auch Entspeichern.
R. Sinz: Gehirn u. G. (21981);
H. J. Markowitsch: Neuropsychologie des Gedächtnisses (1992);
R. Schumann-Hengsteler: Die Entwicklung des visuell-räuml. Gedächtnisses (1995);
N. Birbaumer u. Robert F. Schmidt: Biolog. Psychologie (31996);
F. Vester: Denken, Lernen, Vergessen (Neuausg. 231996).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Nervensystem: Ein Überblick
Gedächtnis: Informationen speichern und abrufen
Kultur und Gedächtnis
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Ge|dạ̈cht|nis, das; -ses, -se [mhd. gedæhtnisse, ahd. kithēhtnissi = das Denken an etw.]: 1. Fähigkeit, Sinneswahrnehmungen od. psychische Vorgänge (im Gehirn) zu speichern, sodass sie bei geeigneter Gelegenheit ins Bewusstsein treten können; Vermögen, Bewusstseinsinhalte aufzubewahren, zu behalten, zu speichern u. sich ins Bewusstsein zurückzurufen, sie wieder zu beleben; Erinnerung[svermögen]: ihr G. reicht weit zurück; mein G. lässt nach, lässt mich oft im Stich; wenn mich mein G. nicht täuscht, war es so; ein gutes, schlechtes G. [für Zahlen] haben; das G. verlieren; sein G. nicht mit etw. belasten; sein G. auffrischen; etw. dem G. [fest] einprägen; er hat ein kurzes G. (ugs.; vergisst schnell); ihr Name ist meinem G. entfallen (ich habe ihren Namen vergessen); jmds. G. nachhelfen (1. jmdn. erinnern, indem man ihm Anhaltspunkte gibt. 2. iron.; jmdn., der sich an bestimmte Tatsachen nicht erinnern will bzw. angeblich nicht erinnert, auf diese Tatsachen hinweisen); aus dem G. (ohne Vorlage, auswendig) zitieren; etw. im G. behalten, bewahren (nicht vergessen); jmdm., sich etw. ins G. zurückrufen (jmdn., sich an etw. erinnern); ... versuchte er, sich alle die Personen ins G. zu rufen (sich an alle Personen zu erinnern), die seines Wissens ein Herzleiden hatten (Becker, Tage 9); Auf die Schnelle graben sie in ihren -sen herum (versuchen sie, sich zu erinnern), was das große Glück für sie sein könnte (Ossowski, Flatter 46); *ein G. wie ein Sieb haben (ugs.; sehr vergesslich sein); jmdn. aufs G. hauen (salopp; jmdn. auf den Kopf schlagen). 2. [ehrendes] Andenken, Gedenken: dem Verstorbenen ein ehrenvolles G. bewahren; zum G. der Opfer; zum G. an die Katastrophe ein Denkmal errichten. 3. (schweiz.) (in der katholischen Kirche) Gedächtnisgottesdienst; Gedächtnismesse: Danken möchten wir auch für die gestifteten -se, ... Blumenspenden und Zuwendungen an wohltätige Institutionen (Vaterland 27. 3. 85, 18).
Universal-Lexikon. 2012.