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Proteine
Pro|te|i|ne 〈Pl.〉 hochmolekulare Verbindungen aus Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff- u. Sauerstoffatomen, z. T. auch Phosphor u. Schwefel, die durch Verknüpfung von Aminosäuren unter Wasseraustritt entstehen u. durch die Peptidbindung charakterisiert werden (neben den Kohlenhydraten u. Fetten sind Proteine die wichtigsten Bestandteile aller Lebewesen, indem sie Zellstrukturen bilden u. z. T. als Enzyme am Stoffwechsel beteiligt sind); Sy Eiweiße [zu grch. protos „der erste“]

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Proteine
 
[zu griechisch prõtos »Erster«, nach der irrtümlichen Annahme, dass alle Eiweißkörper auf einer Grundsubstanz basieren], Singular Protein das, -s, Eiweiße, Eiweißstoffe, hochmolekulare Verbindungen, die als Polykondensationsprodukte von Aminosäuren anzusehen sind, wobei alle Proteine im Wesentlichen aus 20 (den so genannten proteinogenen) der insgesamt über 400 natürlich vorkommenden Aminosäuren aufgebaut sind. Die Reihenfolge der Aminosäuren ist für jedes Protein charakteristisch, ebenso wie die Kettenlänge, die von wenigen (Oligopeptide), meist jedoch über 100 (Polypeptide) bis über 1 000 Aminosäuren reicht, die über Peptidbindungen miteinander verbunden sind. Dementsprechend besitzen Proteine Molekülmassen von etwa 2 000 bis über 1 Mio. Von den nur aus Aminosäuren aufgebauten, einfachen Proteinen unterscheidet man die zusammengesetzten oder konjugierten Proteine, die zusätzlich einen kovalent gebundenen Nichtproteinanteil (prosthetische Gruppe) enthalten, so z. B. Metallionen (Metalloproteine), Lipide (Lipoproteine), Kohlenhydrate (Glykoproteine), Nukleinsäuren (Nukleoproteine).
 
Proteine sind in der belebten Natur sehr weit verbreitet. Sie stellen mehr als 50 % der organischen Bestandteile des Zellplasmas und damit den mengenmäßig, aufgrund ihrer strukturellen Vielfalt aber auch den funktionell wichtigsten Anteil lebender Organismen dar. So sind sie als Enzyme unverzichtbar für einen geregelten Ablauf der Stoffwechselreaktionen sowie für deren Regulation durch Hormone, die häufig Peptide oder Proteine sind. Als Gerüstsubstanzen (z. B. Kollagen, Keratin) tragen Proteine wesentlich zum Aufbau der Organe und Gewebe bei; kontraktile Proteine, z. B. bei Einzellern und als Muskelproteine, verleihen die Fähigkeit zur aktiven (Fort-)Bewegung. Proteine dienen dem Transport der Atemgase (z. B. Hämoglobin), sind Träger der Immunabwehr und spielen eine entscheidende Rolle u. a. bei der Blutgerinnung oder der Steuerung der Genaktivitäten.
 
Einteilung:
 
Proteine können nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden. Nach dem Vorkommen unterscheidet man zwischen Virus-, bakteriellen, pflanzlichen und tierischen Proteinen oder je nach Vorkommen innerhalb eines Organismus z. B. zwischen Blutproteinen, Milchproteinen, Muskelproteinen; in Abhängigkeit von ihrer physiologischen Wirkung werden u. a. Enzymproteine, Transportproteine, kontraktile Proteine, Rezeptorproteine, Speicherproteine oder die der Genregulation dienenden Aktivator- und Repressorproteine unterschieden. Physikalisch-chemisch werden die Proteine meist nach ihrer Molekülgestalt und ihren Löslichkeitseigenschaften in die wasserunlösliche, Faserstruktur besitzenden Skleroproteine (Strukturproteine, Gerüsteiweiße, Faserproteine; z. B. Keratine, Kollagen) und die wasserlösliche Sphäroproteine (globuläre Proteine; z. B. die Proteine des Blutserums, des Eiklars und die meisten Enzyme) eingeteilt oder auch nach ihrer molekularen Struktur. Als Primärstruktur bezeichnet man die für jedes Protein typische Aufeinanderfolge der Aminosäuren in den Peptidketten, die genetisch in der Basensequenz der jeweiligen Proteingene festgelegt ist. Die Ähnlichkeit der Primärstruktur homologer Proteine (z. B. der Cytochrome) verschiedener Arten ist ein Maß für die Verwandtschaft derselben untereinander und wird zur phylogenetischen Klassifizierung genutzt. Die Sekundärstruktur der Proteine ist durch Ausbildung von Wasserstoffbrücken (H-Brücken) zwischen CO- und NH-Gruppen der Peptidketten gekennzeichnet. Intramolekulare H-Brücken führen zu schraubig gewundenen Polypeptidketten (α-Helix- oder α-Keratinstruktur), intermolekulare H-Brücken zu einer mehr oder weniger flachen, leicht aufgefalteten Struktur der Polypeptidketten (Faltblatt- oder β-Keratinstruktur). Die durch Disulfidbrücken und durch elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen polaren Substituenten (v. a. Carboxyl- und Aminogruppen) zustande kommende räumliche Anordnung einer Polypeptidkette wird als Tertiärstruktur bezeichnet. Sie bestimmt die Molekülgestalt und die Anordnung reaktiver Zentren (z. B. bei Enzymen). Als Quartärstruktur bezeichnet man die Aggregation mehrerer gleicher oder ungleicher Polypeptidketten (unter Erhaltung der Sekundär- und Tertiärstruktur) zu einem Molekül, wobei der Zusammenhalt der Untereinheiten v. a. durch nichtkovalente Bindungen, seltener auch durch Disulfidbrücken zustande kommt. Proteine mit Quartärstruktur sind weit verbreitet (z. B. die meisten Enzyme, Hämoglobin).
 
Eigenschaften der Proteine:
 
Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur können durch die Einwirkung von Detergenzien, starke pH-Wertänderungen, Erhitzen, UV- oder Röntgenstrahlung zerstört werden. Dieser Vorgang der Denaturierung, der dem Übergang von einem hochgeordneten in einen ungeordneten Zustand (»Zufallsknäuel«) entspricht, führt zu völlig veränderten physikalischen und chemischen Eigenschaften der Proteine und auch zum Verlust ihrer biologischen Aktivität. Wichtig für die Pufferwirkung der Proteine im Organismus ist ihre durch die Anwesenheit freier saurer und basischer Gruppen bewirkte Ampholytnatur, d. h., sie können in Abhängigkeit vom pH-Wert des Lösungsmittels die Eigenschaften von Säuren oder Basen besitzen. Bei der Ausbildung der Tertiärstruktur sind bei den meisten Proteinen die hydrophoben, unpolaren Aminosäurereste ins Molekülinnere gerichtet und die hydrophilen, polaren Reste nach außen. Letztere bilden Wasserstoffbrücken mit den Wassermolekülen des Lösungsmittels aus, was zur Bildung einer das Protein umgebenden Hydrathülle führt. Lediglich bei Membranproteinen befinden sich viele unpolare Aminosäurereste an der Oberfläche; sie dienen der Verankerung des Proteins in der Lipiddoppelschicht der Membran.
 
Charakterisierung und Synthese von Proteinen:
 
Das Molekulargewicht von Proteinen lässt sich u. a. bestimmen durch Elektrophorese oder aus den Sedimentationsgeschwindigkeiten bei Ultrazentrifugation. Die Bestimmung der Aminosäurezusammensetzung erfolgt nach Hydrolyse des Proteins im Aminosäureanalysator; die Aminosäuresequenz kann durch Partialhydrolyse, die zu Teilpeptiden führt, und deren nachfolgende Zerlegung durch die Reaktionsfolgen des Edman-Abbaus ermittelt werden. Diese Methode wird zunehmend ersetzt durch gentechnologischen Methoden, mit deren Hilfe die für ein Protein kodierende Nukleotidsequenz auf der DNA bestimmt und daraus die Aminosäuresequenz des Proteins abgeleitet wird. Zur Ermittlung der räumlichen Struktur eines Proteins (Tertiär-, Quartärstruktur) dient die Röntgenstrukturanalyse. - Die zur Zeit wichtigste Methode für die Peptidsynthese ist die von R. B. Merrifield eingeführte und mittlerweile weitgehend automatisierte chemische Synthese an einer Matrix. Zunehmend Bedeutung gewinnen enzymatische Methoden unter Verwendung von Peptidasen und für die Synthese höhermolekularer Proteine auch gentechnologische Methoden.
 
Ernährungsphysiologische Bedeutung:
 
Während Pflanzen die zum Aufbau der Proteine notwendigen Aminosäuren selbst aus anorganischem Substanz aufbauen können, müssen tierische Organismen und der Mensch die zum Proteinaufbau benötigten Aminosäuren größtenteils über das Nahrungsprotein zuführen; dies gilt v. a. für die essenziellen Aminosäuren, die der Organismus zum Aufbau lebenswichtiger Proteine braucht, aber nicht selbst herstellen kann. Die nach der Hydrolyse des Nahrungsproteins im Verdauungstrakt freigesetzten Aminosäuren gehen nach Resorption v. a. in die Proteinbiosynthese ein. Ein Erwachsener synthetisiert täglich etwa 400 g Proteine und baut etwa ebenso viel Proteine ab. Der tägliche Bedarf eines Erwachsenen bemisst sich auf etwa 1 g/kg Körpergewicht, wobei es keinen Bedarf an bestimmten Proteinen gibt, sondern nur an essenziellen Aminosäuren. - Im Hinblick auf das Problem, die zunehmende Weltbevölkerung ausreichend mit Nahrungsproteinen zu versorgen, sind sowohl die Erschließung bisher nicht für die menschliche Ernährung genutzter Proteinquellen (Einzellerproteine aus Mikroorganismen; Blatt- oder Leafproteine aus Luzerne; Krill) von Bedeutung als auch die bessere Ausnutzung pflanzlicher Proteine durch geeignete Lebensmittelkombinationen, in denen sich die Proteine gegenseitig ergänzen und aufwerten.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Proteinbiosynthese: Transkription und Translation
 
Eiweißstoffwechsel (Normwerte)
 
Leben auf der Erde: Von der Uratmosphäre zu den ersten Lebewesen
 
Verdauung: Aufschließen und Bereitstellen
 

Universal-Lexikon. 2012.