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Oder-Neiße-Linie
Oder-Nei|ße-Li|nie, die; -:
hauptsächlich durch den Verlauf der Flüsse Oder u. Neiße markierte Westgrenze Polens.

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Oder-Neiße-Lini|e,
 
Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde durch das Kleine Haff des Stettiner Haffs und den anschließenden Neuwarper See, über Land bis Mescherin, dann die Oder entlang bis zur Einmündung der Lausitzer Neiße und diese entlang bis zur tschechischen Grenze verläuft.
 
Geschichte:
 
Forderungen der polnischen Exilregierung in London auf Gebietserweiterungen Polens nach Westen wurden entscheidend verstärkt durch die Forderungen der UdSSR, das 1939 (infolge des Hitler-Stalin-Paktes) eingegliederte Gebiet östlich der »Curzon-Linie« zu behalten und Polen dafür im Norden und Westen mit deutschen Gebieten zu entschädigen. Informelle Absprachen über eine »Westverschiebung« Polens auf Kosten deutschen Territoriums wurden schon auf der Konferenz von Teheran im Dezember 1943 getroffen. Auf der Jalta-Konferenz (4.-11. 2. 1945) schlug Stalin die Oder und Lausitzer Neiße als Westgrenze Polens vor; Präsident F. D. Roosevelt (USA) und Premierminister W. Churchill (Großbritannien) stimmten der Westverschiebung Polens prinzipiell zu, vermieden aber eine konkrete Festlegung. Als die Potsdamer Konferenz (17. 7. bis 2. 8. 1945) zusammentrat, hatte die UdSSR bereits die Gebiete östlich der von ihr vorgeschlagenen Oder-Neiße-Linie an die provisorische polnische Regierung übergeben (offiziell am 24. 5. 1945), die am 14. beziehungsweise 20. 3. die Einrichtung polnischer Wojwodschaften (Masuren, Oberschlesien, Niederschlesien, Pommern, Danzig) verkündete und die deutsche Bevölkerung zu großen Teilen auswies (»wilde Vertreibungen«).
 
Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945, das die endgültige Grenzziehung einer späteren Friedenskonferenz vorbehielt, legte durch die Zustimmung zur Ausweisung der deutschen Bevölkerung und durch die Reparationsbestimmungen die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens de facto fest; es berücksichtigte dabei sowjetische Territorialforderungen. Somit kamen die »deutschen Ostgebiete« unter sowjetischer (das nördliche Ostpreußen; Gebiet Königsberg [Kaliningrad]) und polnischer Verwaltung (das südliche Ostpreußen, fast ganz Schlesien, Pommern und Brandenburg östlich der Oder); in einem zusätzlichen Vertrag (5. 10. 1945 wurde ein Gebietsstreifen westlich von Stettin Polen überantwortet. In dieser Ausdehnung umfassten die vom Deutschen Reich (Gebietstand vom 31. 12. 1937) abgetrennten Gebiete 114 296 km2 mit (1939) 9,56 Mio. Einwohnern; davon kamen 13 205 km2 mit (1939) 1,19 Mio. Einwohnern unter sowjetischer und 101 091 km2 mit (1939) 8,37 Mio. Einwohnern unter polnischer »Verwaltung« (oft wurden auch die frühere Freie Stadt Danzig und das Memelgebiet einbezogen). Im polnisch-sowjetischen Vertrag vom 17. 8. 1945 wurde - unter Vorbehalt eines Friedensvertrages mit Deutschland analog dem Potsdamer Abkommen - die Grenzlinie beider Staaten in Ostpreußen festgelegt. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung (1945-48) vollzog sich unter hohen Menschenverlusten, nur etwa 800 000 blieben im nunmehrigen Polen (Polendeutsche). Polen und die Sowjetunion, die im Unterschied zu den Westmächten die Oder-Neiße-Linie als endgültig betrachteten, integrierten die ehemaligen deutschen Ostgebiete in den folgenden Jahren in ihr Staatsgebiet und besiedelten die Gebiete neu.
 
Die DDR stimmte in der Warschauer Deklaration (6. 6. 1950 und im Görlitzer Abkommen (6. 7. 1950) nebst dem Rechtsakt zur Grenzmarkierung vom 27. 1. 1951 der Oder-Neiße-Linie zu (ergänzt am 22. 5. 1989 durch einen Vertrag zur Oderbucht). Die Bundesrepublik Deutschland erkannte die Oder-Neiße-Linie erst unter der von W. Brandt geführten sozialliberalen Koalition - vorbehaltlich früher von den vertragsschließenden Parteien geschlossener oder sie betreffender internationaler Vereinbarungen - an (Moskauer Vertrag, 12. 8. 1970, und Warschauer Vertrag, 7. 12. 1970; beide am 17. 5. 1972 ratifiziert und seit 3. 6. 1972 in Kraft).
 
Nachdem die »Gemeinsame Entschließung« von Bundestag und Volkskammer (21. 6. 1990 die Unverletzlichkeit der Grenze und den generellen Verzicht auf Gebietsansprüche bekräftigt hatte, wurde bei den Pariser Zwei-plus-Vier-Gesprächen am 17. 7. 1990 der Abschluss eines Grenzvertrages zwischen dem neu vereinten Deutschland und Polen vereinbart. Dieser Deutsch-Polnische Grenzvertrag, am 14. 11. 1990 in Warschau geschlossen, schrieb die Endgültigkeit der polnischen Westgrenze nun verbindlich fest (in Kraft seit 16. 1. 1992; unter Ausklammerung von »Fragen der Staatsangehörigkeit und Vermögensfragen«). Die Zugehörigkeit des nördlichen Ostpreußen zur UdSSR (Russland) wurde durch den Deutsch-Sowjetischer Partnerschaftsvertrag (»Generalvertrag«) vom 9. 11. 1990 (in Kraft seit 5. 7. 1991) anerkannt.
 
Literatur:
 
Quellen zur Entstehung der O.-N.-L. in den diplomat. Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges, hg. v. G. Rhode u. W. Wagner (21959);
 W. Wagner: Die Entstehung der O.-N.-L. in den diplomat.Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges (31964);
 Y. Brancion: Die O.-N.-L. Eine Kriegsgrenze (a. d. Frz., 21970);
 H. G. Lehmann: Der Oder-Neiße-Konflikt (1979);
 C. Lilge: Die Entstehung der O.-N.-L. als Nebenprodukt alliierter Großmachtpolitik während des Zweiten Weltkrieges (1995).

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Oder-Nei|ße-Gren|ze, Oder-Nei|ße-Li|nie, die; -: in der Hauptsache durch die Flüsse Oder u. Neiße gebildete Staatsgrenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland u. Polen.

Universal-Lexikon. 2012.