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Ostpreußen
Ọst|preu|ßen; -s:
ehemalige Provinz des Deutschen Reiches.
Dazu:
ọst|preu|ßisch <Adj.>.

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Ọstpreußen,
 
1815-1945 preußische Provinz im Nordosten des Mitteleuropäischen Tieflands, südlich und östlich der Ostseeküste; umfasste die Regierungsbezirke Königsberg, Gumbinnen, Allenstein und (bis 1939) den Regierungsbezirk Westpreußen; seit 1922 (ohne Memelgebiet) 36 992 km2, (1939) 2,49 Mio. Einwohner; Hauptstadt war Königsberg (Pr) (heute Kaliningrad).
 
Durch Ostpreußen zieht sich in einem nach Norden offenen Bogen ein Abschnitt des Baltischen Landrückens mit der Kernsdorfer Höhe (312 m über dem Meeresspiegel) im Hockerland und den Seesker Höhen (309 m über dem Meeresspiegel) im Nordosten der Masuren mit den Masurischen Seen. An die weichseleiszeitliche Endmoränenzone Masurens schließen sich südwärts unfruchtbare Sanderflächen mit Kiefernwäldern, v. a. in der Johannisburger Heide (1 000 km2), an. Nach Norden senkt sich das Land mit fruchtbaren Geschiebelehmdecken allmählich gegen das Pregel-Inster-Urstromtal und die Ostsee. Ostpreußen hat zwischen Nogat und Drausensee Anteil am Weichsel- (Weichsel-Nogat-Niederung), im Norden am Memeldelta. Endmoränenlandschaften sind die Elbinger Höhe zwischen Weichseldelta und Passargeniederung und der Stablack zwischen Passarge- und Pregelniederung. Das Samland (Galtgarben 110 m über dem Meeresspiegel) fällt in einer bis 60 m hohen Kliffküste, der Bernsteinküste, zur Ostsee ab; die blaue Erde enthält Bernstein. Die übrige Ostseeküste ist von den schmalen Dünenstreifen der Frischen und Kurischen Nehrung und vom Frischen und Kurischen Haff gesäumt. Das Klima ist kontinental geprägt.
 
Die deutsche Bevölkerung wurde aus dem heute russischen Teil Ostpreußens - soweit sie überlebt hatte und nicht geflohen war - bis März 1947 vertrieben und durch Zwangsumsiedler aus der Sowjetunion ersetzt. Im heute polnischen Teil Ostpreußens wurden Polen angesiedelt, die deutsche Bevölkerung konnte sich zum Teil durch Option für Polen entscheiden und im Lande bleiben.
 
Die Wirtschaft Ostpreußens war von der Land-, Fisch- und Forstwirtschaft sowie der Verarbeitung ihrer Produkte geprägt. Angebaut wurden v. a. Brot- (meist Roggen) und Futtergetreide (insgesamt 38 % des Ackerlands), Futterpflanzen, Kartoffeln, Zuckerrüben u. a. Hackfrüchte, Hülsenfrüchte. Die Viehzucht trat hinter dem Ackerbau zurück. Die Pferdezucht (Ostpreußisches Landpferd, Trakehner, Ermländer Kaltblüter) war von großer, aber abnehmender Bedeutung. Wertvollster Bodenschatz Ostpreußens ist der Bernstein, der in Palmnicken abgebaut wird. Verbreitet war Torfstecherei, Ziegelei- und die Tonwarenindustrie. Vielerorts wurden landwirtschaftliche Produkte verarbeitet. Überprovinzielle Bedeutung hatten nur die Zellstoffwerke in Tilsit und Königsberg, die Maschinen-, Waggon- und Schiffbauindustrie in Königsberg, Elbing und Tilsit. Fremdenverkehr gab es besonders in den Ostseebädern des Samlandes. Der Königsberger Seekanal (Königsberg) wurde 1894-1901 angelegt.
 
Geschichte:
 
Das Gebiet des späteren Ostpreußen wurde erst während des Neolithikums (etwa ab 3000 v. Chr.) besiedelt, wie archäologische Funde von dorfähnlichen Siedlungen nahe Elbing belegen. Aus der Bronze- und der frühen Eisenzeit sind Hügelgräber nachgewiesen. Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. bewohnten Goten den Raum, ihnen folgten die baltischen Prußen, die namengebend für das Land wurden. Erste Versuche ihrer Christianisierung scheiterten im 9./10. Jahrhundert Ein erneuter, mit Unterstützung des polnischen Herzogs Konrad von Masowien vorgetragener Missionierungsversuch scheiterte ebenfalls. Im Winter 1225/26 wandte sich Konrad mit der Bitte um Hilfe an den Deutschen Orden, dem er das Culmer Land überließ. Das spätere Ostpreußen ging aus dem Ostteil des Deutschordenslandes hervor, das 1525 in das Herzogtum Preußen übergeführt, 1618 in Personalunion mit Brandenburg vereinigt und im Frieden von Oliva (1660) aus polnischer Lehnshoheit gelöst wurde; es war die Keimzelle des Königreichs Preußen (am 18. 1. 1701 Krönung des Kurfürsten Friedrich III. zum »König in Preußen« in Königsberg). In dem durch die Pest 1709-11 entvölkerten Land siedelte Friedrich Wilhelm I. etwa 40 000 Kolonisten, v. a. aus der Schweiz, der Pfalz, Nassau und Salzburg (1732), an. Im Siebenjährigen Krieg war Ostpreußen 1758-62 von den Russen besetzt. Königsberg wurde mit seiner Universität ein Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens. 1772 kam das Ermland von Polen zu Ostpreußen 1807-09/10 hatten die obersten preußischen Staatsbehörden in Ostpreußen ihren Sitz. 1815 wurde die Provinz Ostpreußen gebildet, die 1824-78 mit Westpreußen zur Provinz Preußen vereinigt war. Im Ersten Weltkrieg erlitt Ostpreußen durch die Kämpfe mit den eingedrungenen russischen Truppen (1914/15) große Schäden.
 
Im Vertrag von Versailles (1919) fielen die Stadt Soldau (Kreis Neidenburg) sowie das umliegende Gebiet (501 km2) an Polen, das Memelgebiet wurde an die Alliierten abgetreten. Westpreußen rechts von Weichsel und Nogat kam als Regierungsbezirk zu Ostpreußen. Danzig erhielt den Status einer Freien Stadt. Weitere Abtretungen wurden durch Volksabstimmungen 1920 vermieden. Infolge der Gebietsverluste des Deutschen Reiches (Polnisches Korridor) war Ostpreußen vom übrigen Reichsgebiet abgeschnitten. 1939-44 war das Memelgebiet wieder mit Ostpreußen vereinigt. Durch die Kriegsereignisse 1944/45 erlitt die Bevölkerung hohe Verluste (614 000 Tote). Nachdem sowjetische Truppen bereits seit August/Oktober 1944 Teile von Ostpreußen erobert hatten (am 21. 10. 1944 Massaker an den Einwohnern von Nemmersdorf), nahmen sie von Januar bis April 1945 das Gebiet vollständig ein. Hunderttausende Deutsche flüchteten oder wurden vertrieben. Im Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945 wurde - vorbehaltlich der Regelung durch einen Friedensvertrag - der nördliche Teil unter sowjetische, der südliche unter polnische Verwaltung gestellt. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. 9. 1990 und im Deutsch-Polnischen Grenzvertrag vom 14. 11. 1990 erklärten die Vertragspartner die 1945 entstandenen Grenzen für endgültig.
 
Literatur:
 
E. Scheu: O. Eine wirtschaftsgeograph. Landeskunde (1936);
 
Hb. der histor. Stätten. Ost- u. Westpreußen, hg. v. E. Weise (1966, Nachdr. 1981);
 
Historisch-geograph. Atlas des Preußenlandes, hg. v. H. Mortensen u. a., 15 Tle. (1968-89);
 P. Wörster: Das nördl. O. nach 1945, 3 Bde. (1978-80);
 W. Franz: Ostpreuß. Landeskunde (1993);
 
Dt. Gesch. im Osten Europas, begr. v. W. Conze, hg. v. H. Boockmann u. a., Bd.: O. u. Westpreußen (31995);
 G. Hermanowski: O. Lex. Geografie, Gesch., Kultur (Neuausg. 1996).
 

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Ọst|preu|ßen; -s: ehemalige Provinz des Deutschen Reiches.

Universal-Lexikon. 2012.