Wẹlt|wirt|schafts|kri|se, die:
weltweite Wirtschaftskrise.
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I Weltwirtschaftskrise,
allgemein eine Wirtschaftskrise, die nicht auf ein Land oder eine Staatengruppe beschränkt bleibt, sondern aufgrund internationaler Wirtschaftsverflechtungen (Handel, Geld- und Kapitalverkehr) zahlreicher Staaten, besonders die wichtigsten Industrieländer, erfasst, v. a. im Sinne länger andauernder und in ihren negativen Auswirkungen heftiger konjunktureller Rezessionen (z. B. große Depression). Im engeren Sinn die Wirtschaftskrise, die sich nach dem Börsenkrach an der New York Stock Exchange (schwarzer Freitag) am 25. 10. 1929 global ausweitete und alle wichtigen, marktwirtschaftlich orientierten Industrieländer erfasste.
Ausbreitung, Schwere und Dauer der Weltwirtschaftskrise waren auf verschiedene Ursachen zurückzuführen: 1) Überschätzung des Aufschwungs der amerikanischen Wirtschaft (seit 1922), was zu Überkapazitäten führte, v. a. aber mit einer oft auch kreditfinanzierten Spekulation an den Aktienmärkten verbunden war, sodass relativ geringe Kursrückgänge ausreichten, um den Kurssturz auszulösen; 2) Absatzschwierigkeiten in der Landwirtschaft, die zu einer Agrarkrise mit einem schnellen und starken Preisverfall v. a. bei Getreide führten; 3) Behinderung des Welthandels durch protektionistische Zollpolitik; 4) starke Ausweitung des internationalen Geldverkehrs (kriegsbedingte Auslandsschulden europäischer Länder bei den USA, Reparationsverpflichtungen Deutschlands), verbunden mit einer eher kurzfristigen Kreditvergabe der USA an europäische Staaten mit hohen Inflationsraten; 5) mangelnde Fähigkeit Großbritanniens und mangelnde Bereitschaft der USA, für Freihandel und eine langfristige Finanzierung der Nachkriegswirtschaft in Europa zu sorgen.
Der Zusammenbruch der Binnenkonjunktur in den USA übertrug sich rasch auf die europäischen Industrieländer, sich wechselseitig verstärkende Preis- und Produktionsrückgänge führten schließlich zur weltweiten Rezession, die 1932 ihren Tiefpunkt erreichte. Die Weltwirtschaftskrise war verbunden mit einer Schrumpfung der Volkseinkommen, der Industrieproduktion und der Außenhandelsumsätze, v. a. mit extrem hoher Arbeitslosigkeit. In Deutschland führte sie aufgrund hoher kurzfristiger Auslandsschulden zudem zu Zahlungsunfähigkeit und zur Bankenkrise (1931). Verschärft wurde der Schrumpfungsprozess durch eine prozyklisch wirkende Finanzpolitik des Staates (z. B. in Deutschland unter H. Brüning). Statt ihre Maßnahmen zu koordinieren, versuchten die einzelnen Industrieländer, die Weltwirtschaftskrise durch autonome Wirtschaftspolitik und verstärkte Autarkiebestrebungen zu überwinden. In Deutschland wurde z. B. eine Politik der Arbeitsbeschaffung und öffentlicher Investitionen nach der Regierungsübernahme durch Hitler mit einer Aufrüstungspolitik verknüpft. Die Weltwirtschaftskrise führte nicht nur zur weitgehenden Auflösung der Weltwirtschaft, sondern begünstigte mit ihren sozialen Folgeerscheinungen das Anwachsen radikaler Massenbewegungen (im Deutschland des Nationalsozialismus) und trug erheblich zum Vertrauensverlust von Demokratie (z. B. in Deutschland der Weimarer Republik) und Marktwirtschaft bei.
J. K. Galbraith: Der große Crash 1929 (a. d. Amerikan., Neuausg. 1989);
W. Zollitsch: Arbeiter zw. W. u. Nationalsozialismus. Ein Beitr. zur Sozialgesch. der Jahre 1928 bis 1936 (1990);
R. Meister: Die große Depression. Zwangslagen u. Handlungsspielräume der Wirtschafts- u. Finanzpolitik in Dtl. 1929-1932 (1991);
D. Rothermund: Die Welt in der Wirtschaftskrise, 1929-1939 (1993);
F. Blaich: Der Schwarze Freitag. Inflation u. Wirtschaftskrise (31994);
J. Block: Die Wirtschaftspolitik in der W. 1929 bis 1932 im Urteil der Nationalsozialisten (1997).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Vereinigte Staaten von Amerika: USA nach dem Ersten Weltkrieg
Vereinigte Staaten von Amerika: Europa und die USA nach 1918
Weltwirtschaftskrise
Die Vereinigten Staaten waren der Geldgeber ihrer europäischen Verbündeten während des Krieges gewesen, nach dem Kriege finanzierten im Wesentlichen amerikanische Banken den Wiederaufbau Europas, förderten aber auch mit hohen Krediten in Ländern Asiens und Lateinamerikas den Aufbau moderner Industrien und die Technisierung der Landwirtschaft. Durch ihre internationale Finanzpolitik und den hohen Stand der Industrialisierung waren die USA zum reichsten Land der Welt geworden.
Auch nach Deutschland strömten Gelder aus den USA in beträchtlichem Maße, seitdem es mit amerikanischer Hilfe gelungen war, das Reparationsproblem durch den Dawesplan zu vereinfachen. Die amerikanischen Kredite gaben nicht nur der deutschen Wirtschaft wichtige Impulse, sie sollten auch die deutsche Regierung in die Lage versetzen, ihren Reparationsverpflichtungen ohne Verzögerungen nachzukommen, denn aus den Reparationssummen bezahlten wiederum die Westalliierten ihre Kriegsschulden an die USA.
Die weltwirtschaftliche Situation am Ende der Zwanzigerjahre war geprägt durch ein gefährlich erscheinendes Ungleichgewicht, die nahezu vollständige Abhängigkeit vom Zustand der Konjunktur in den Vereinigten Staaten. Tatsächlich erlebten die Amerikaner seit dem Beginn der Zwanzigerjahre eine relativ lange Phase der Hochkonjunktur. Vor allem die Autoindustrie und die Elektroindustrie sowie die Bauwirtschaft verzeichneten einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung.
Die anhaltende Wirtschaftsblüte aber verleitete die Unternehmen zu immer neuen Investitionen und zu ungebremster Produktionsausweitung ohne Berücksichtigung der Marktlage. Zugleich erzeugte das Spekulationsfieber einen Aktienboom bisher unbekannten Ausmaßes.
Als jedoch der Absatz langlebiger Verbrauchsgüter ins Stocken geriet, gaben auch die Kurse nach. Die Aktienbesitzer reagierten hektisch. Am 23. Oktober 1929 wurden rund 6,5 Millionen Aktien an der New Yorker Börse von ihren Besitzern aus Angst vor größeren Verlusten verkauft. Die Panik weitete sich aus (»Schwarzer Freitag« am 25. Oktober 1929), die Angstverkäufe führten bis zum 29. Oktober zum totalen Zusammenbruch der New Yorker Börse. Dadurch, dass amerikanische Banken und Unternehmen nun ihre ins Ausland vergebenen kurzfristigen Kredite zurückriefen, weitete sich die amerikanische Börsenkrise zur Weltwirtschaftskrise aus. In Deutschland führte die Krise auch zur Instabilität der politischen Verhältnisse und begünstigte den Aufstieg der Nationalsozialisten. Die liberalen Demokratien wurden durch die globale Krise der Wirtschaft nachhaltig geschwächt. Die Massenarbeitslosigkeit wurde erst um den Preis einer allgemeinen Aufrüstung beseitigt.
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Wẹlt|wirt|schafts|kri|se, die: weltweite Wirtschaftskrise.
Universal-Lexikon. 2012.