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Sexualerziehung
Sexualkunde

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Se|xu|al|er|zie|hung, die:
Erziehung, die sich auf die sexuelle Entwicklung u. das sexuelle Verhalten des Menschen bezieht.

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Sexualerziehung
 
(Geschlechtserziehung): der Bereich der Erziehung, der sich auf die sexuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in körperlicher und seelischer Hinsicht bezieht. Sexualerziehung hat die Aufgabe, durch sexuelle Aufklärung ohne unnötige Tabus Wissen zu vermitteln. Das betrifft alle Fragen in allen Altersstufen, die mit der körperlichen und seelischen Entwicklung und dem Erwachsenwerden sowie dem Umgang mit der eigenen Sexualität und der Sexualität in der Gesellschaft zusammenhängen: biologische, medizinische, psychische, emotionale, ethische, religiöse, soziologische, politische und rechtliche. Die Altersgemäßheit der Inhalte sollten die Kinder und Jugendlichen und nicht die Erwachsenen bestimmen. Sexualerziehung soll weiterhin zu einer positiven Einstellung zum Körper und zur Sexualität verhelfen, sprachliches Ausdrucksvermögen im Bereich der Sexualität fördern und Hilfe in der Persönlichkeitsentwicklung und -reifung leisten: Selbstwertgefühl, Wertempfinden, Toleranz und sittliche Entscheidungsfähigkeit fördern und zur Toleranz, Liebes- und Bindungsfähigkeit erziehen. Sexualerziehung ist somit auch soziale Erziehung und sollte ein integrierter Bestandteil der Gesamterziehung sein. Damit besteht auch die Hoffnung auf Prävention von sexuellem Missbrauch und ungewollter Schwangerschaft bei Teenagern. Die theoretische Grundlegung der Sexualerziehung ist die Aufgabe der Sexualpädagogik.
 
Sexualerziehung geschieht durch aktive Bemühungen ebenso wie in negativem Sinn durch Verweigerung (Schweigen ist auch pädagogisches Handeln) und durch die »heimlichen Miterzieher«, deren Einfluss schwer abschätzbar ist: das nähere Umfeld, die Realitäten in der Gesellschaft und die verschiedenen Medien.
 
Die elterliche Sexualerziehung sollte bereits mit dem Säuglingsalter beginnen, und zwar durch emotionale Wärme, Hautkontakt und Zärtlichkeit, Geduld bei der Reinlichkeitserziehung, verständnisvolle Reaktion auf eigene und gegenseitige körperliche Erkundungen im Kleinkind- und Vorschulalter (»Doktorspiele«, genitale Reizung/Masturbation). Die Beantwortung aller kindlichen Fragen soll stets offen, geduldig und sachlich richtig sein. Dazu gehören auch frühzeitig die sachgerechte Benennung aller äußeren Geschlechtsorgane und das Reden über die Themen Liebe, Zärtlichkeit, Zeugung (einschließlich geschlechtlicher Vereinigung), Schwangerschaft und Geburt; die kindliche Verliebtheit sollte ernst genommen werden. Die Einstellung der Eltern zu geschlechtlichen Fragen hat große Bedeutung für die künftige Einstellung des Kindes zur Sexualität. Sexualerziehung soll die weitere Entwicklung bis zum Abschluss der Pubertät begleiten, und zwar rechtzeitig vorbereitend auf die körperlichen und seelischen Veränderungen.
 
Darüber hinaus ist Sexualerziehung auch Aufgabe des Kindergartens und der Schule, zumal ein Teil der Eltern fachlich und/oder emotional dazu nicht in der Lage ist oder keine Notwendigkeit sieht. Für die schulische Sexualerziehung in Deutschland wurden die Ziele fächerübergreifend von der Grundschule an durch die »Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister zur Sexualerziehung in den Schulen« (KMK-Empfehlungen) 1968 als Reaktion auf die Forderungen aus den Schüler- und Studentenunruhen vorgegeben. Die Empfehlungen wurden von den Bundesländern zum Teil voll, zum Teil halbherzig umgesetzt, was sich in den Richtlinien und Lehrplänen der Bundesländer spiegelt. Dazu kommt, dass in den 1980er-Jahren in einigen Bundesländern durch die Kultusministerien ein Rückzug vor allem für die Sexualerziehung in der Grundschule erfolgte, aber auch in Bezug auf eine ganze Reihe von Themen für höhere Klassenstufen, wenngleich Ansätze zur Aidsprävention aufgenommen wurden. Es gibt auch Umbenennungen in Familien- und Sexualerziehung beziehungsweise Familien- und Geschlechtserziehung. Erst in den 1990er-Jahren erfolgte in diesen Ländern wieder eine gewisse Öffnung vor dem Hintergrund, dass die Gesellschaft zunehmend die Verbreitung des sexuellen Missbrauchs wahrnahm.
 
Wie Lehrkräfte mit den Lehrplaninhalten umgehen, ist individuell sehr unterschiedlich. Auch heute noch stehen oft die biologischen Themen im Vordergrund, da sich andere Schulfächer nur zögernd mit diesem Thema auseinander setzen. Aufseiten der Lehrkräfte müssen einige Voraussetzungen gegeben sein: umfassendes fachliches Wissen, die Reflexion des eigenen Standpunkts und der eigenen Ziele, Offenheit, Ehrlichkeit, Geduld, Toleranz, Gewahrwerden der Intimgrenze der Schüler und der eigenen, die Fähigkeit, über Sexualität in ihrer Vielfältigkeit frei sprechen und eine Atmosphäre schaffen zu können, in der Fragen von den Schülerinnen und Schülern auch wirklich gestellt werden. Dazu kommt, dass Lehrkräfte Zivilcourage in der pädagogischen Arbeit brauchen und gegebenenfalls Überzeugungsarbeit bei Eltern, Kollegen und Vorgesetzten leisten müssen.
 
Geschichte der Sexualerziehung: Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Kindheit nicht als eigenständige Phase des Lebens erkannt und ihr daher keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Kinder nahmen an der Erwachsenenwelt und zum Teil an ihrer Sexualität teil und wuchsen beiläufig in das geschlechtliche Leben hinein. In der Epoche der Aufklärung ab Ende des 17. Jahrhunderts, mit der Entwicklung des Bürgertums und dem Beginn des industriellen Zeitalters mit neuen Leistungsanforderungen wurde die unschuldige Kindheit entdeckt, die Notwendigkeit der Erziehung gesehen und bald auch die Gefährdung durch die Sexualität. Es entstand ein Klima der Leibfeindlichkeit. Etwas verallgemeinernd lässt sich sagen: Vom 18. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand die Unterweisung der Kinder in Verschleierungen (z. B. das Märchen vom Klapperstorch) und im Vorenthalten von Wissen, die Unterweisung der Jugend im Vermitteln von Halbwahrheiten, geprägt von der Sorge um Keuschheit und vom Kampf gegen die Selbstbefriedigung als größtes Laster wie auch gegen den vorehelichen Geschlechtsverkehr (in der katholischen Kirche wurden sie zur schweren Sünde erklärt). Die Urheber des medizinischen Irrtums, dass die Selbstbefriedigung die Gesundheit systematisch bis zum Siechtum zerstört, waren vor allem Ärzte. Es wurden Apparate und Kleidungsstücke gegen die Selbstbefriedigung empfohlen. Später kam die Warnung vor Geschlechtskrankheiten und vor dem »bösen Onkel« hinzu. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts setzte durch die Erkenntnisse der Mediziner Richard Krafft-Ebing und Sigmund Freud, dass Kinder sexuelle Wesen sind und aus unterdrückter Sexualität tief greifende Persönlichkeitsstörungen hervorgehen können, ein Umdenken ein. Im Nationalsozialismus wurde dies gestoppt, und beim zaghaften Wiederbeginn einer Aufklärung in den 1950er-Jahren griff man die alten Themen wieder auf. In den 1960er-Jahren begann dann eine sachlichere Sexualkunde innerhalb des Biologieunterrichts, meist aber erst im pubertären Alter mit einer sehr eingeschränkten Wissensvermittlung über die Biologie der menschlichen Fortpflanzung. Die Aufklärungsserien in Illustrierten und Filmen (z. B. Oswald Kolle) führten in Westdeutschland zu einem ersten Aufbrechen einiger Tabus.
 
Siehe auch: sexuelle Revolution.

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Se|xu|al|er|zie|hung, die: Erziehung, die sich auf die sexuelle Entwicklung u. das sexuelle Verhalten des Menschen bezieht.

Universal-Lexikon. 2012.