Liberal Party
['lɪbrəl 'pɑːti], britische Partei, nach der Parlamentsreform von 1832 hervorgegangen v. a. aus der Partei der Whigs, war bis ins beginnende 20. Jahrhundert neben den Konservativen die zweite tragende Kraft des britischen Parlamentarismus.
Die Politik der Liberal Party war seit ihren Anfängen weniger von offiziellen Programmen, z. B. dem »Newcastle Programme« (1891-96), geprägt als vielmehr von der ideellen Bindung an bestimmte Grundprinzipien, v. a. die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Veränderung der Gesellschaft in Richtung auf die fortschreitende individuelle Emanzipation. Im frühen 20. Jahrhundert verbanden sich diese Zielsetzungen mit dem Gedanken der Sozialreform. Der ursprüngliche Grundgedanke einer Minimierung staatlicher Eingriffe trat zunehmend zurück hinter den Bemühungen, durch staatliche Intervention die individuellen Chancen des Einzelnen, sich zu entfalten, auf ein für alle gleiches Niveau zu heben. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bestanden daher starke Verbindungen zur britischen Arbeiterbewegung (Labour Party).
Die seit 1839 Liberal Party genannte Partei ging aus verschiedenen politischen Gruppierungen hervor: den Whigs, den bürgerlichen Radikalen, die den Freihandel als unbedingtes Wirtschaftsprinzip durchsetzen wollten, und den konservativen »Peeliten«, die die Durchsetzung des Freihandels durch Premierminister R. Peel befürworteten und sich von der Konservativen Partei trennten. Führende Persönlichkeiten des britischen Liberalismus waren zunächst die Premierminister Lord Russell (1846-52, 1865-66) und Lord Palmerston (1855-58, 1859-65). Unter Führung von W. E. Gladstone stieg die Liberal Party zur Massenpartei auf. Als Premierminister (1868-74, 1880-85, 1886, 1892-94) setzte dieser innenpolitisch zahlreiche Reformen durch. Seine Irlandpolitik und die antiimperialistische Linie seiner Außenpolitik lösten starke Spannungen in der Liberal Party aus (die innenparteilichen Kritiker seiner Irlandpolitik, v. a. der Gewährung der Homerule, schlossen sich als »Liberale Unionisten« 1886 zusammen, verbanden sich immer stärker mit den Konservativen und verschmolzen 1912 endgültig mit ihnen). Unter Lord Rosebery drangen imperialistische Vorstellungen in die Partei ein. 1905-08 stellte sie mit H. Campbell-Bannerman, 1908-16 mit H. H. Asquith sowie 1916-22 mit D. Lloyd George den Premierminister. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden sozialen Konflikte verließ die Liberal Party gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Politik des Laisser-faire und ging zu einer Politik staatlicher Interventionen über. Trotzdem konnte die Partei auf Dauer Stimmen der Arbeiterschaft politisch nicht an sich binden. 1916 spaltete sie sich über Fragen der Kriegführung. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor sie ihre starke politische Stellung an die Labour Party. Nach einer Einigung (1926) spalteten sich die Liberalen später wieder in verschiedene politische Gruppen. 1931-32 beteiligten sie sich an der Regierung des »National Government«, 1940-45 an der Allparteienregierung unter W. Churchill. Die Liberal Party sank danach zu einer kleinen politischen Gruppe herab und vereinte sich 1988 mit dem Großteil der Social Democratic Party zur Partei »Social and Liberal Democrats«.
Universal-Lexikon. 2012.