* * *
Eman|zi|pa|ti|on [emants̮ipa'ts̮i̯o:n], die; -, -en:rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung [besonders der Frauen mit den Männern]:
für die Emanzipation der Frau kämpfen.
* * *
Eman|zi|pa|ti|on 〈f. 20〉 Befreiung von Abhängigkeit u. Bevormundung, Gleichstellung (der Frau) ● \Emanzipation der Frauen [<lat. emancipatio „Entlassung eines Sohnes aus der väterlichen Gewalt“] Siehe auch Info-Eintrag: Emanzipation - info!
* * *
Eman|zi|pa|ti|on , die; -, -en [lat. emancipatio]:
gesellschaftliche E.;
b) rechtliche u. gesellschaftliche Gleichstellung [der Frau mit dem Mann].
* * *
I Emanzipation,
die Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit, Entrechtung oder Unterdrückung, besonders die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung benachteiligter Gruppen.
Die Forderungen nach Emanzipation bestimmter Gruppen stützen sich auf die Ideen der Aufklärung. Der Naturrechtstradition entstammt die Überzeugung, dass allen Menschen ursprünglich die gleichen Rechte zukommen. Eine Gesellschaft, die ganzen Gruppen eben diese Rechte vorenthält, kann keine gerechte Gesellschaft sein. Getragen vom Menschenbild der Aufklärung, das besonders in der Verkündung von Menschen- und Bürgerrechten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zutage trat, setzte der Liberalismus, der sich als Emanzipationsbewegung verstand, im 19. Jahrhundert seine Forderungen nach Rechtsgleichheit, Entfaltung der Persönlichkeit, Staatskontrolle durch das Volk und Marktfähigkeit aller Güter durch. Dabei nahm die Forderung nach dem »Recht auf Bildung« für alle einen wichtigen Rang ein. In diesem Sinne stellt die zu Autonomie und Mündigkeit führende umfassende Bildung des Individuums eine wichtige Vorbedingung seiner Emanzipation dar: Das kritikfähige Individuum kann sich im Idealfall allen manipulativen und ideologisierenden Einflüssen widersetzen. So betrachtet, wird Bildung als Mittel zum »Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit« (I. Kant) zu einem wichtigen Instrument der Emanzipation.
Mit der Formierung der Arbeiterbewegung gewann der Emanzipationsbegriff v. a. im Sozialismus zunehmend soziale und politische Dimensionen. Sozialistische Theoretiker sahen in der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht nur die rechtliche Befreiung des Menschen aus gesellschaftlich auferlegten Zwängen, sondern zugleich auch die Voraussetzung für die »Befreiung der Arbeit« als einen wesentlichen Ausdruck der Selbstverwirklichung des Menschen; die Emanzipation der Arbeit ist demnach also auch die Emanzipation des Menschen, der so aus dem Zustand der Entfremdung zu seinem wahren Wesen findet. Alle anderen Emanzipationsbestrebungen, wie etwa die Emanzipation der Frauen, müssen sich der Emanzipation der Arbeit unterordnen (A. Bebel). Der Emanzipationsbegriff gewinnt damit geschichtsphilosophische Dimensionen.
Im 19. Jahrhundert kam auch die Forderung nach der Emanzipation der Schule auf, das heißt nach der Lösung der Schule aus ihren kirchlichen Bindungen, der mit Einführung der staatlichen Schulen weitgehend Rechnung getragen wurde.
In dem Maße, wie die »wahre Natur des Menschen« der Philosophie des 20. Jahrhunderts zweifelhaft wird, erscheint auch die Emanzipation als Verwirklichung des wahren menschlichen Wesens problematisch. Zugleich wird die Vorstellung infrage gestellt, Emanzipation könne nur gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen durchgesetzt werden. Vor dem Hintergrund psychoanalytischer Erkenntnisse gewinnt die Vorstellung Gestalt, die unterdrückenden Mechanismen könnten teilweise oder vielleicht ganz im Individuum selbst in »verinnerlichter Form« wirksam sein, weshalb die Manipulation der menschlichen Natur und damit der Emanzipation zunehmend Beachtung findet. So erlangt der Emanzipationsgedanke eine psychologische Dimension, die in jüngster Zeit im Zusammenhang mit feministischen Bewegungen in den Vordergrund tritt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiteten sich die Emanzipationsbestrebungen (besonders in den parlamentarischen Demokratien Europas und Nordamerikas) aus, zunehmend unterstützt durch Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften sowie durch einen engagierten Journalismus. In den späten Sechzigerjahren entwickelte sich darüber hinaus die Forderung nach Emanzipation zu einem Schlagwort antibürgerlicher Kräfte. Ziele der Emanzipation waren vor allem die Demokratisierung der Gesellschaft in all ihren Bereichen (Familie, Schule, Universität, Betriebe), die allgemeine Chancengleichheit (z. B. der Frau am Arbeitsplatz und in der Familie, des Behinderten oder des ausländischen Arbeitnehmers im Berufsleben, allgemein aller, die benachteiligt werden oder sich als benachteiligt betrachten) und die Mitbestimmung Abhängiger (z. B. des Arbeitnehmers im Betrieb, des Schülers in der Schule, des Studenten in der Hochschule oder des Auszubildenden in seinem Lehrbetrieb). - Chancengleichheit, Frauenbewegung.
Emanzipation
[lateinisch, zu emancipare »(einen Sklaven oder erwachsenen Sohn) aus dem mancipium (der feierlichen Eigentumserwerbung durch Handauflegen) in die Selbstständigkeit entlassen«] die, -/-en, die Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit, Entrechtung oder Unterdrückung, besonders die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung benachteiligter Gruppen.
Ursprung und Entwicklung des Begriffs
Im römischen Recht bezeichnete Emanzipation den Rechtsakt, mit dem ein Kind aus der häuslichen Gemeinschaft und der väterlichen Verfügungsgewalt ausschied. Mit der Emanzipation, die keineswegs bei allen Kindern erfolgte, war das Recht verbunden, Eigentum selbstständig zu verwalten. Das ursprüngliche komplizierte Verfahren, das im Falle eines Sohnes einen dreimaligen Scheinverkauf (mancipatio) mit anschließendem Rückkauf einschloss, wurde unter den Kaisern Justinian I. (»emancipatio Justiniana«) und Anastasios I. (»emancipatio Anastasiana«) vereinfacht. Im römischen Sinne ist Emanzipation ein Terminus technicus, der einen öffentlich-rechtlichen Vorgang bezeichnet, welcher von der zu emanzipierenden Person passiv hingenommen wird. Sprachlich findet diese Tatsache ihren Ausdruck im ausschließlich transitiven Gebrauch des Verbs »emanzipieren«.
Fast alle Rechtstraditionen Europas kennen diesen Begriff der Emanzipation. Er hielt sich bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Die »Encyclopédie« von Diderot und d'Alembert nennt in ihrem fünften Band 1755 neben den oben erwähnten Formen im römischen Recht 19 Arten der Emanzipation. Auch hier ist Emanzipation noch ein erduldeter, allerdings meist nicht mehr öffentlich-formaler Akt (französisch émancipation tacite »stille Emanzipation«), der weitgehend zu einem Gewohnheitsrecht geworden ist. Emanzipation wird bestimmt als »ein Vorgang, der bestimmte Personen aus der Gewalt anderer herauslöst«.
Die Entwicklung im 19. Jahrhundert ist durch die Erweiterung des Emanzipationsbegriffs in zweierlei Hinsicht geprägt: Zum einen wurde Emanzipation auf die gesellschaftlich-rechtliche Gleichstellung benachteiligter Gruppen ausgedehnt, zum anderen bürgerte sich nicht zuletzt unter dem Eindruck der Französischen Revolution der intransitive Wortgebrauch (»sich emanzipieren«) ein. In diesem Sinne wird gefordert, dass sich z. B. die Vernunft von der Vormundschaft des kanonisierten Glaubens emanzipieren solle. Emanzipation wird nicht mehr gewährt, sondern erkämpft. Um 1840 war damit Emanzipation zu einem Schlagwort geworden, das alle maßgeblichen Gleichstellungsbestrebungen umfasste. Das 20. Jahrhundert hat diesem Begriff neue Aspekte hinzugefügt, ihn aber nicht im Grundsatz verändert.
Die geistigen Grundlagen der Emanzipationsidee
Die Forderungen nach Emanzipation bestimmter Gruppen stützten sich auf die Ideen der Aufklärung. Der Naturrechtstradition entstammt die Überzeugung, dass allen Menschen ursprünglich die gleichen Rechte zukommen. Eine Gesellschaft, die ganzen Gruppen eben diese Rechte vorenthält, kann keine gerechte Gesellschaft sein. Die Emanzipation im Sinne des römischen Rechts wird nun zweifelhaft, denn die Gewalt des Vaters findet ihre Grenze an den natürlichen Rechten der Kinder; die beschützende väterliche Gewalt hat ihren Zweck erfüllt, wenn sie durch das Heranwachsen der Kinder überflüssig geworden ist. Die neuen Emanzipationsbestrebungen blieben weitgehend im juristischen Rahmen, denn konkret forderten sie in erster Linie die Beseitigung rechtlicher Schranken. Seit der Aufklärung wird Emanzipation vor dem Hintergrund der Spannung von faktisch gewährtem und von Natur aus zustehendem Recht diskutiert. Die Freiheit, negativ aufgefasst als Freiheit von gesetzlichen Schranken, positiv gewertet als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung des Menschen, wird zur programmatischen Zielbestimmung der Emanzipation.
Getragen vom Menschenbild der Aufklärung, das besonders in der Verkündung von Menschen- und Bürgerrechten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts manifest wurde, setzte der Liberalismus, der sich als Emanzipationsbewegung verstand, im 19. Jahrhundert seine Forderungen nach Rechtsgleichheit, Entfaltung der Persönlichkeit, Staatskontrolle durch das Volk und Marktfähigkeit aller Güter durch. Die Forderung nach Bildung für alle - meist unter dem Schlagwort »Bildung als (Bürger-)Recht« oder »Recht auf Bildung« - nahm bei den Emanzipationsbemühungen eine wichtige Stelle ein. Die umfassende Bildung eines Menschen, die zu Autonomie und Mündigkeit des Individuums führen soll, stellt in diesem Sinne eine wichtige Vorbedingung seiner Emanzipation dar: Das kritikfähige Individuum kann sich im Idealfall allen manipulativen und ideologisierenden Einflüssen widersetzen. Bildung als Mittel zum »Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit« (I. Kant) wird so betrachtet zu einem wichtigen Werkzeug der Emanzipation.
Mit der Formierung der Arbeiterbewegung gewann der Emanzipationsbegriff v. a. im Sozialismus stärker soziale und politische Dimensionen. Sozialistische Theoretiker sahen in der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht nur die rechtliche Befreiung des Menschen aus gesellschaftlich auferlegten Zwängen, sondern zugleich auch die Voraussetzung für die »Befreiung der Arbeit« (aus der »Fremdbestimmung« durch den Kapitalbesitzer) als einem wesentlichen Ausdruck der Selbstverwirklichung des Menschen; die Emanzipation der Arbeit ist demnach also auch letztlich die Emanzipation des Menschen, der dadurch aus dem Zustand der Entfremdung zu seinem wahren Wesen findet. Alle anderen Emanzipationsbestrebungen, wie etwa die Emanzipation der Frauen, müssen sich der Emanzipation der Arbeit unterordnen (A. Bebel). Der Emanzipationsbegriff gewinnt damit geschichtsphilosophische Dimensionen.
In dem Maße, wie die »wahre Natur des Menschen« der Philosophie des 20. Jahrhunderts zweifelhaft wird - wenn etwa J.-P. Sartre behauptet, dass (im Falle des Menschen) die Existenz der Essenz (Natur) vorausgehe -, erscheint auch die Emanzipation als Verwirklichung des wahren menschlichen Wesens problematisch. Zugleich wird die Vorstellung, dass Emanzipation etwas sei, was gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen durchgesetzt werden müsse, hinterfragt. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Psychoanalyse lebt die Idee auf, dass die unterdrückenden Mechanismen teilweise oder vielleicht ganz im Individuum selbst in »verinnerlichter« Form wirksam seien. Die Manipulation der menschlichen Natur und damit der Emanzipation findet darum zunehmend Beachtung. So gewinnt der Emanzipationsgedanke eine psychische Dimension, die gerade in jüngster Zeit im Zusammenhang mit feministischen Bewegungen stärker in den Vordergrund tritt.
Für M. Foucault ist nicht mehr die von einer gesellschaftlichen Klasse ausgeübte Macht wichtig, sondern seiner Meinung nach ist Macht ein diffuses Phänomen, das die ganze Gesellschaft durchzieht. So betrachtet hat Macht weder ein eindeutig bestimmtes Zentrum, von dem aus sie verwaltet und eingesetzt wird, noch wird sie gegen eine bestimmte Zielgruppe eingesetzt. Weil die Macht so schwer zu »greifen« ist, wird die Emanzipation zu einem schwierigen Unterfangen. Die Entfremdung hat sich in der grauen Zone des Alltags eingerichtet, weshalb die Emanzipation zu einer alltäglichen Angelegenheit werden muss.
Neuere Emanzipationsvorgänge und Emanzipationsbewegungen
In der Französischen Revolution von 1789 gelang es dem vom Bürgertum geführten dritten Stand, die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit zugunsten einer vom Gleichheitsprinzip bestimmten allgemeinen Staatsbürgerschaft abzuschaffen. Programmatisch getragen wurde diese Entwicklung, die sich in den Revolutionen von 1830 und 1848 fortsetzte, von der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, wie sie 1776 in den britischen Kolonien Nordamerikas und 1789 in Frankreich verkündet worden war. Die sich entfaltende bürgerliche Gesellschaft sah v. a. in der Beseitigung der rechtlichen Schranken zwischen den Ständen das wesentliche Ziel der Emanzipation. So lösten Aufklärung und bürgerliche Revolution seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine weniger von den Bauern als vielmehr von reformorientierten Kräften anderer Stände getragene Bewegung zur Neuordnung der bäuerlichen Verhältnisse aus. Während die Bauernbefreiung in Frankreich auf revolutionärem Wege geschah, vollzog sie sich in anderen Ländern Europas (z. B. in Preußen) stufenweise durch eine reformbereite Staatsverwaltung.
Mit dem »Act for the relief of his Majesty's Roman Catholic subjects« (1829) erreichte die Bewegung zur Gleichstellung der Katholiken mit den übrigen Untertanen des Königs in Großbritannien und Irland einen Durchbruch. Wegen des grundsätzlichen Kerns ihres Anliegens fanden diese Bestrebungen im übrigen Europa große Beachtung. Im liberalen Sinne wurde dort der innerbritische Vorgang verallgemeinernd auf die bürgerliche und kirchliche Gleichstellung von Religionsgemeinschaften bezogen, die nicht zur Staatsreligion gehören.
Im 19. Jahrhundert kam auch die Forderung nach der Emanzipation der Schule auf, das heißt nach der Lösung der Schule aus ihren kirchlichen Bindungen. Mit der Einführung der staatlichen Schulen wurde dieser Forderung weitgehend Rechnung getragen.
In seiner bahnbrechenden Schrift »Über die bürgerliche Verbesserung der Juden« (1781) vergleicht C. W. Dohm die Rechtssituation der Juden in Europa mit der damaligen Lage der Katholiken unter der britischen Krone. 1782 erließ Kaiser Joseph II. im Zuge seiner Reformpolitik ein »Toleranzedikt« zugunsten der Juden. 1790 verlieh die französische Nationalversammlung den Juden das Bürgerrecht, 1791 hob sie alle Privilegien und Einschränkungen für jene Juden auf, die den Bürgereid leisteten und damit in alle staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten eintraten. 1808 wurde den Juden in Baden, 1812 in Preußen, später in allen anderen deutschen Ländern und 1848 in der Reichs-Verfassung die rechtliche und politische Gleichstellung zugesichert. Parallel zur Judenemanzipation entwickelte sich jedoch eine Gegenbewegung, sowohl bei Vertretern des orthodoxen Judentums als auch bei nichtjüdischen Gegnern des säkularen, weltanschaulich neutralen Staates. Die Gegenbewegung von nichtjüdischer Seite mündete in ihrem extremistischen Zweig in rassistisch motivierten Antisemitismus, der im 20. Jahrhundert im nationalsozialistischen Genozid an den europäischen Juden gipfelte.
Im Rahmen einer antiständischen Kritik erhoben sich seit den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts die ersten Stimmen, die die Gleichstellung der Frau mit dem Mann forderten. In der Französischen Revolution setzte sich A. de Condorcet für die politische Gleichberechtigung der Frau ein. Der französische Sozialphilosoph C. Fourier stellte fest, dass, je freier die Frau über ihre Möglichkeiten befinde, desto fortgeschrittener die Gesellschaftsordnung sei. In Deutschland wurde die Frauenfrage zunächst auf literarischer Ebene behandelt (besonders bei den Vertretern des Jungen Deutschland). Mit der Frauenfrage verbunden wurde sehr bald die »Emanzipation des Fleisches«, das heißt die Lösung der Frau aus gesellschaftlich festgelegten Zwängen bei der Wahrnehmung ihrer sexuellen Bedürfnisse. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts organisierte sich die Frauenbewegung in Europa und Nordamerika. Besonders in Europa wirkte sie bis ins 20. Jahrhundert auf einer bürgerlich-liberalen und einer proletarisch-sozialistischen Linie.
Die bürgerlichen Revolutionen seit 1789 stellten im Prinzip alle Menschen rechtlich, das heißt vor dem Gesetz, gleich, sie brachten jedoch den unteren Schichten der Bevölkerung zunächst keine staatsbürgerliche Gleichberechtigung (allgemeines und gleiches Wahlrecht) und keine soziale Gleichstellung. Betroffen war v. a. die in der industriellen Revolution entstandene Schicht der Lohnarbeiter, die - aus ihren traditionellen Bindungen in Handwerk und Bauerntum herausgelöst - einem wachsenden Verelendungsprozess ausgesetzt waren. Um die soziale Emanzipation des Proletariats im Sinne einer ständigen Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen, schlossen sich die Arbeiter seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu Selbsthilfeorganisationen zusammen, aus denen sich die Gewerkschaften und die Arbeiterparteien entwickelten. Diese konnten bis ins 20. Jahrhundert zahlreiche ihrer Ziele verwirklichen. Während in liberaldemokratischen Kreisen die Forderung auftauchte, durch die allgemeine Teilhabe an der Bildung die Klassengegensätze zu entschärfen und damit die soziale Emanzipation des Proletariats zu fördern, suchte der revolutionäre Sozialismus, besonders der Marxismus, über die politische Gleichstellung hinaus die Arbeiter zur tragenden Schicht der Gesellschaft zu machen und dadurch ihre politische, wirtschaftliche und soziale Emanzipation bis zur Verwirklichung einer »klassenlosen Gesellschaft« zu sichern.
Unter dem Eindruck der Menschenrechtsdiskussion der Aufklärungszeit verbot das britische Parlament 1807 den Transport von Negersklaven auf britischen Schiffen und erzwang bis 1850 die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels. In den USA führte der Konflikt um die Sklavenfrage zum Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten. Mit der Aufhebung der Sklaverei zum 1. 1. 1863 durch Präsident A. Lincoln gewannen die Schwarzen wohl rechtlich ihre persönliche Freiheit, jedoch nicht ihre soziale Gleichstellung.
Auch in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts setzten sich besonders in den parlamentarischen Demokratien Europas und Nordamerikas die Emanzipationsbestrebungen in sich ständig erweiternden Bereichen fort, zunehmend unterstützt durch Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften sowie durch einen engagierten Journalismus. In den späten 60er-Jahren entwickelte sich darüber hinaus die Forderung nach Emanzipation zu einem Schlagwort antibürgerlicher Kräfte. Ziele der breit gestreuten Emanzipationsforderungen waren besonders die Demokratisierung der Gesellschaft in all ihren Bereichen (Familie, Schule, Universität, Betrieb), die Chancengleichheit aller Glieder der Gesellschaft (z. B. der Frau am Arbeitsplatz und in der Familie, des Behinderten oder des ausländischen Arbeitnehmers in der Arbeitswelt, allgemein aller, die sich als benachteiligte Mehrheit oder Minderheit betrachten oder als solche betrachtet werden) und die Mitbestimmung Abhängiger (z. B. des Arbeitnehmers oder seines gewerkschaftlichen Interessenvertreters im Betrieb, des Schülers in der Schule, des Studenten in der Universität, des Auszubildenden in seinem Lehrbetrieb). Die oft leidenschaftlich geführten Diskussionen um Notwendigkeit und Grenzen zahlreicher Emanzipationsforderungen führten im Ergebnis zu einem erweiterten Verständnis von Emanzipation als der Fähigkeit des Einzelnen zur kritischen Urteilsbildung und eigenverantwortlichen Führung seines Lebens in Staat und Gesellschaft.
Die Bürgerrechtsbewegungen (z. B. in den USA, in der Republik Südafrika oder in den kommunistischen Staaten Osteuropas) zeigen die höchst unterschiedlichen historischen und politischen Grundbedingungen auf, unter denen bestimmte Gruppen um die Verwirklichung ihrer Menschen- und Bürgerrechte ringen. In den USA konnte die von vielen Organisationen getragene Bürgerrechtsbewegung die gesellschaftliche Integration der schwarzen Minderheit v. a. in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vorantreiben, sah sich aber weiterhin einer großen Armut vieler Schwarzer, das heißt einem Fehlbestand sozialer Emanzipation, gegenüber. In der Republik Südafrika kämpften politische und kirchliche Organisationen gegen die Regierung und die sie tragenden Kräfte, um die Gleichstellung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit mit der weißen Minderheit, die aufgrund der Apartheid die alleinige Macht in Staat und Gesellschaft ausübte, zu erreichen. In den 90er-Jahren kam es angesichts internationalen Drucks und eskalierender Rassenunruhen allmählich zur Durchsetzung der Rechte der Schwarzen und Farbigen. Unter den Bedingungen einer Diktatur forderten in den kommunistisch regierten Staaten v. a. Europas zunächst besonders Künstler, Wissenschaftler und Schriftsteller die Achtung und Gewährleistung der Bürger- und Menschenrechte seitens des Staates. Um diese ersten Initiativen kristallisierten sich schließlich Demokratiebewegungen, in deren Gefolge mit den politischen Umbrüchen 1989-91 in den meisten dieser Länder die Bürger- und Menschenrechte hergestellt wurden.
In den Beziehungen zwischen den Völkern stellte die Entkolonialisierung in verschiedenen »Wellen« der neueren Geschichte, besonders seit 1945, den Versuch kolonial abhängiger Völker dar, sich aus der Herrschaft meist europäischer Mächte zu lösen. Mit der Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung versuchen sie, sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den hoch entwickelten Industriestaaten zu befreien und langfristig die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten wie diese zu erringen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Abolitionismus · Arbeiterbewegung · Aufklärung · Bauernbefreiung · Bürgerbewegung · bürgerliche Gesellschaft · Bürgerrechtsbewegung · Chancengleichheit · Demokratisierung · Entkolonialisierung · Französische Revolution · Frauenbewegung · Gleichberechtigung · Judentum · Liberalismus · Menschenrechte · Mitbestimmung · Naturrecht · Partizipation · Sozialismus
G. Rohrmoser: E. u. Freiheit (1970);
E., hg. v. M. Greiffenhagen (1973);
T. Wilhelm: Jenseits der E. (1975);
Zum Verhältnis von E. u. Tradition, hg. v. P. Biehl u. a. (1975);
Zur E. verurteilt, hg. v. G.-K. Kaltenbrunner (1975);
I. Fetscher: Herrschaft u. E. (1976);
Grundlagentexte zur E. der Frau, hg. v. J. Menschik (1976);
K. Mollenhauer: Erziehung u. E. (71977);
U. Gerhard: Verhältnis u. Verhinderungen (1978);
E. der Frau, hg. v. E. Weinzierl (1980);
C. Benard: Die geschlossene Gesellschaft u. ihre Rebellen (1981);
R. Zimmermann: Utopie - Rationalität - Politik. Zu Kritik, Rekonstruktion u. Systematik einer emanzipator. Gesellschaftstheorie bei Marx u. Habermas (1985);
Die Rolle oppositioneller Gruppen. Am Vorabend der Demokratisierung in Polen u. Ungarn (1987 bis 1989), hg. v. A. Smolar u. P. Kende (1989);
Von der Illegalität ins Parlament: Werdegang u. Konzepte der neuen Bürgerbewegungen, hg. v. H. Müller-Enbergs u. a. (21992);
Die Bürgerbewegungen in der DDR u. in den ostdt. Bundesländern, hg. v. G. Haufe u. K. Bruckmeier (1993);
H. Schenk: Die feminist. Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Dtl. (61993);
T. Nasrin: Lied einer traurigen Nacht. Frauen zw. Religion u. E. (a. d. Engl., 1996);
K. M. Grass u. R. Koselleck: E., in: Geschichtl. Grundbegriffe, hg. v. O. Brunner u. a., Bd. 2 (41998);
C. Koppetsch u. G. Burkart: Die Illusion der E. Zur Wirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich (1999);
Kritik u. Praxis. Zur Problematik menschl. E. Wolfdietrich Kowarzik zum 60. Geburtstag, hg. v. H. Eidam u. a. (1999).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
* * *
Eman|zi|pa|ti|on, die; -, -en [lat. emancipatio]: a) Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit; Selbstständigkeit; Gleichstellung: gesellschaftliche E.; die E. völkischer Minderheiten; die E. der Arbeiterschaft; Die E., die Verselbstständigung der Lebewesen, ist ganz offensichtlich ein Kriterium des Lebens selbst (Rheinpfalz 7. 7. 84, 23); b) rechtliche u. gesellschaftliche Gleichstellung [der Frau mit dem Mann]: die E. der Frau.
Universal-Lexikon. 2012.