Gesamtheit der politischen Handlungen eines Staates im Verkehr mit anderen Staaten /Ggs. Innenpolitik/: eine realistische Außenpolitik betreiben.
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Au|ßen|po|li|tik 〈f.; -; unz.〉 Politik der zwischenstaatl. Beziehungen, Verkehr eines Staates mit anderen
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Au|ßen|po|li|tik , die:
Teil der Politik eines Staates, der sich mit der Regelung auswärtiger Angelegenheiten befasst.
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Außenpolitik,
das Handeln des Staates, besonders seiner Regierung (Außenminister), nach außen zur Vertretung seiner Interessen gegenüber anderen Staaten, staatlichen Zusammenschlüssen und internationalen Organisationen. Durch die zunehmende Anzahl und Bedeutung internationaler und supranationaler Organisationen sowie den wachsenden Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGO) ist das Feld der Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten sehr viel komplexer geworden.
Die bestimmenden Faktoren der Außenpolitik eines Staates sind vielfältiger Art, z. B. die geographische Lage, die Größe der Bevölkerung, das wirtschaftliche, technische und militärische Potenzial sowie das Ausbildungsniveau der Bevölkerung. Darüber hinaus hängt die Außenpolitik nicht allein von der Art der Grenzen des Staates und seiner strategischen Position im internationalen Kräftefeld ab, sondern auch von der Leistungsfähigkeit seiner politischen Führung sowie seiner politischen und gesellschaftlichen Struktur. Ideologische Maximen und geschlossene ideologische Denksysteme können einen bestimmenden Einfluss auf die Außenpolitik ausüben. In autoritären Staaten diktiert die Regierung beziehungsweise die regierende Partei allein die Linie der Außenpolitik. In parlamentarischen Demokratien dagegen ist die Außenpolitik an die Zustimmung der Legislative gebunden. Das Ausmaß der parlamentarischen Beeinflussbarkeit außenpolitischer Aktivitäten, insbesondere deren Initiierung und Kritik, ist jedoch in den verschiedenen Staaten unterschiedlich. Öffentliche Meinung, Presse, Parteien, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Interessengemeinschaften vermögen auf die Außenpolitik einzuwirken; oft ist aber die Innenpolitik für die Öffentlichkeit transparenter.
In vielfältiger Form hängen Außen- und Innenpolitik voneinander ab; dabei beeinflussen sowohl Probleme der auswärtigen Beziehungen die innere Entwicklung als auch innere Strukturprobleme und Wandlungen die Gestaltung der Außenpolitik. Innere Unruhe und Dynamik werden oft (besonders in Diktaturen) auf äußere Expansionsbestrebungen abgelenkt.
Die Ziele der Außenpolitik können in drei Kategorien eingeteilt werden: nationale Selbsterhaltung, nationale Ausdehnung, nationale Selbstbeschränkung. Die nationale Selbsterhaltung richtet sich v. a. auf die Sicherung der territorialen Integrität, auf Aufrechterhaltung des eigenen gesellschaftlichen Systems und des gegebenen Verfassungsrahmens sowie die Wahrung der kulturellen Traditionen und Selbstdarstellungsmöglichkeiten. Im Gegensatz dazu wendet sich das Ziel der nationalen Ausdehnung gegen den Status quo; dabei kann die Außenpolitik imperialistischer Natur sein (Herrschaft über andere Völker, territoriale Ausdehnung) oder revisionistische (d. h. auf die Wiederherstellung eines früheren Zustands gerichteten) Zielen dienen (z. B. Verlangen nach Rückgabe verlorener Gebiete). Nationale Selbstbeschränkung zeigt sich besonders in der freiwilligen Aufgabe von Souveränitätsrechten (z. B. zugunsten supranationalen Organisationen) oder in der Unterwerfung unter ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs.
Im Lauf seiner Geschichte schuf sich der moderne Staat zahlreiche Instrumente außenpolitischem Handelns. Klassisches Mittel staatlicher Außenpolitik ist der diplomatische Dienst, der in einem anderen Land oder bei einer supranationalen Behörde die Interessen seines Landes wahrnimmt. Er liefert die für den Entscheidungsprozess seiner Regierung notwendigen Informationen und führt die von ihr getroffenen Entscheidungen aus. Über seine Diplomaten und Bevollmächtigten schließt der Staat Bündnisse und Verträge und arbeitet in internationalen oder supranationalen Vereinigungen und Organisationen mit. Integraler Bestandteil der Außenpolitik ist die Außenwirtschaftspolitik (Außenwirtschaft). Wirtschaftliche Vorteilsgewährung (Kredite, Anleihen, industrielle Ausrüstung) wird oft mit einer politischen Erwartungshaltung verbunden. In internationalen Spannungs- und Krisensituationen dienen wirtschaftliche Boykottmaßnahmen oft der Durchsetzung außenpolitischer Ziele. Wichtige Mittel der Außenpolitik sind Propaganda und Selbstdarstellung eines Landes im Ausland. Auf propagandistischen Wegen sucht die Regierung auf die Entscheidungen der politischen Führung und die öffentliche Meinung eines anderen Landes im Sinne ihrer Interessen Einfluss zu nehmen oder dort ihre eigene Politik zu rechtfertigen. Die direkte Errichtung oder die mittelbare Förderung von Kultur-, Bildungs- und Informationszentren durch die Regierung ist ein Mittel der Außenpolitik, um das Erscheinungsbild des eigenen Staates in anderen Ländern günstig zu beeinflussen.
Die Drohung mit militärischer Gewalt oder deren direkter Einsatz blieb trotz der hohen Vernichtungskraft moderner Waffensysteme (konventioneller und nuklearer Art) ein wesentliches Instrument der Außenpolitik vieler Staaten.
Mit der Bildung von Nationalstaaten (14./15. Jahrhundert) begannen in der Neuzeit einzelne Staaten, bewusst ihre Außenbeziehungen zu gestalten; dabei war ihre Außenpolitik v. a. von machtpolitischen und dynastischen Gesichtspunkten bestimmt. Im Zeitalter des Absolutismus (17./18. Jahrhundert) richtete sich die Außenpolitik besonders an der Staatsräson aus (»Kabinettspolitik«); Kriege zu bestimmten Zwecken, die militärisch begrenzt und nicht auf die Vernichtung des gegnerischen Staates gerichtet waren, spielten in der Außenpolitik dieser Zeit eine große Rolle (»Kabinettskriege«). Im 18. und 19. Jahrhundert war in machtpolitischer Hinsicht besonders die Politik der europäischen Großmächte (Frankreich, Großbritannien, Österreich, Preußen und Russland) um ein europäisches Gleichgewicht (»Europäisches Konzert«) bestimmend. Mit der Französischen Revolution von 1789 und den sich anschließenden Französischen Revolutionskriegen sowie den napoleonischen Kriegen (1792-1813/15) flossen ideologisch-weltanschauliche Prinzipien und Ziele (z. B. fürstliche Legitimität oder Volkssouveränität, Nationalstaat oder Ständestaat) in die Außenpolitik ein und beeinflussten im 19. Jahrhundert nachhaltig die Außenpolitik der Staaten in Europa. Durch Einsatz einer kunstvollen Bündnispolitik Preußen-Deutschlands (exemplarisch zusammengefasst im »Kissinger Diktat«, 1877) gelang O. von Bismarck die Herstellung einer zeitweilig sicheren europäischen Friedensordnung. Das Ausgreifen der europäischen Seemächte über Europa hinaus (Kolonialpolitik), die Entstehung bedeutender Staaten außerhalb Europas (v. a. USA) sowie die Entwicklung Japans zur Großmacht brachten ein weltpolitisches Element in die Außenbeziehungen der Staaten. Mit der Entfaltung des Imperialismus um die Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte sich die Außenpolitik ganz im globalen Maßstab und trug maßgeblich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 bei.
Die beiden Weltkriege 1914-18 und 1939-45 beendeten die durch die europäischen Staaten bestimmte Periode der Außenpolitik; der Zweite Weltkrieg brachte zugleich den Durchbruch der USA und der UdSSR zu Weltmächten. Die Gründung des Völkerbundes (1919) und der Vereinten Nationen (1945) sollte gegenüber machtpolitischen und ideologischen Kriterien die Idee einer globalen Völkerrechtsgemeinschaft und eines immer währenden Friedens fördern. In der Zeit zwischen den Weltkriegen (1918-39) wurden diese Tendenzen v. a. durch totalitäre Ideologien zum Scheitern gebracht und nach dem Zweiten Weltkrieg besonders durch den Ost-West-Konflikt (1947/48-1989/90) infrage gestellt. Angesichts der von der nuklearen und konventionellen Hochrüstung ausgehenden Bedrohung der gesamten Menschheit wurde besonders nach 1945 der Gedanke der Friedenssicherung und der Abrüstung ein wesentliches Anliegen der Außenpolitik, besonders beim Übergang zur Entspannungspolitik nach Abschwächung des »Kalten Krieges« (ab 1962). Im Zuge der Entkolonialisierung entstanden insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren viele neue Staaten in der Welt, die zwischen den von den USA und der UdSSR geführten Blöcken (NATO-Staaten und Ostblock) im Rahmen der Bewegung blockfreier Staaten eine eigene außenpolitische Linie zu entwickeln suchten (Non-Alignment). Zwischen den Industriestaaten des Westens und des Ostens traten in den 1970er-Jahren die Entwicklungsländer als Gruppe der 77 im Rahmen eines Nord-Süd-Dialogs z. B. mit Forderungen nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung hervor. Besonders seit den 1970/80er-Jahren wuchsen die Herausforderungen an die Außenpolitik durch die steigende Wirtschaftskraft (Südost-)Asiens und der islamischen Staaten am Persischen Golf. Die Fortschritte in der europäischen Integration, in ihren organisatorischen Vorstufen zunächst noch auf Westeuropa beschränkt (EWG und EG), verstärkten die Kohärenz von Innen- und Außenpolitik dieser Staaten. Dem praktischen Zusammenwirken im Alltag dient die »kleine Außenpolitik« in den europäischen Grenzräumen (grenzübergreifende Zusammenarbeit der Landkreise und Gemeinden, Euregio).
Durch die Umwälzungen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 1989/91 (Einsturz der bipolaren Machtstrukturen) kam es zu Verschiebungen der Machtpotenziale beziehungsweise Neukonstellationen von Machtgruppierungen; neue (multinationale) Konfliktherde entstanden besonders in der Zuspitzung regionaler ethnischer und religiöser Konflikte. Einige Staaten waren gezwungen, ihr Sicherheitsbedürfnis und ihr außenpolitisches Gewicht neu zu definieren, z. B. Russland nach dem Ende der UdSSR, Deutschland nach der Wiedervereinigung, die Schweiz angesichts der fortschreitenden europäischen Integration und der wirtschaftlichen Globalisierung.
Der zunehmend globalisierten Außenpolitik erwuchsen im Übergang zum 21. Jahrhundert in einer multipolaren, aber auch zusammenwachsenden und im ständigen Wandel befindlicher Welt neue Anforderungen, Sachfelder und Ziele (z. B. auch gemeinsame Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität). Vermittelnde, vertrauensbildende sowie konfliktlösende Aufgaben (Konzept der guten Dienste) werden zunehmend auf internationale beziehungsweise regionale Organisationen wie UN, KSZE/OSZE, OAU, Arabische Liga beziehungsweise Organisation der Islamischen Konferenz/OIC übertragen. Im Bereich der Entwicklungspolitik haben sich die Nichtregierungsorganisationen zu wichtigen Akteuren der internationalen Politik entwickelt. Bei größerer Vielfalt, Komplexität und Dynamik der globalen (und damit auch außenpolitischen) Probleme kommt es auch zu einer Überlagerung von nationalen Interessen und zu Interesseninkohärenzen einzelner Staaten beziehungsweise Staatengruppen, z. B. im Bestreben zur Herstellung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung oder bei den Bemühungen um Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte in allen Staaten (z. B. Weltkonferenz für Menschenrechte, Wien 1993; Diskussion um das Konzept der humanitären Intervention; Errichtung des Haager und des Ruanda-Tribunals 1993 beziehungsweise 1995 [Kriegsverbrechertribunal] sowie des Internationalen Strafgerichtshofs), beim Ringen um den nachhaltigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit (z. B. UN-Umweltkonferenzen, Weltklimakonferenzen) und die Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen (z. B. Weltbevölkerungskonferenzen, Weltsozialgipfel, Weltfrauenkonferenzen) sowie um die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien (z. B. Gentechnologie). Auch in den regionalen Zusammenschlüssen zeigen sich im Innenverhältnis der beteiligten Partner und im Außenverhältnis zu anderen Staaten oder Regionen sowohl Verdichtungsprozesse als auch Konfliktlinien. So hat die Europäische Union einerseits mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Instrumente zur Koordination ihrer Außenpolitik und zur Krisenbewältigung geschaffen, andererseits kommen nach wie vor divergierende Interessen (und das unterschiedliche politische Gewicht der Mitgliedstaaten) zum Tragen, die eine gemeinsame außenpolitische Linie erschweren. Im transatlantischen Bündnis zeichnete sich in den Konflikten auf dem Balkan und verstärkt im Zuge der Terrorbekämpfung seit dem 11. 9. 2001 (Antiterrorkrieg) ein politisches Übergewicht der USA ab. (Weltpolitik)
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Au|ßen|po|li|tik, die: Teil der Politik eines Staates, der sich mit der Regelung auswärtiger Angelegenheiten befasst.
Universal-Lexikon. 2012.