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Gericht
Tribunal; Strafgericht; Justizgebäude; Gerichtshof; Essen; Mahl; Mahlzeit; Speise

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1Ge|richt [gə'rɪçt], das; -[e]s, -e:
öffentliche Institution, die Verstöße gegen die Gesetze bestraft und Streitigkeiten schlichtet:
jmdn. bei Gericht verklagen; eine Sache vor das Gericht bringen; das Gericht (das Kollegium der Richterinnen und Richter) zieht sich zur Beratung zurück; das Gericht (das Gebäude, in dem sich das Gericht befindet) war von Polizei umstellt.
Zus.: Amtsgericht, Arbeitsgericht, Bundesverfassungsgericht, Schiedsgericht, Schwurgericht, Verwaltungsgericht.
  2Ge|richt [gə'rɪçt], das; -[e]s, -e:
als Mahlzeit zubereitete Speise:
ein Gericht aus Fleisch und Gemüse; ein Gericht auftragen.
Syn.: Essen, Fraß (derb), Mahl (geh.), Mahlzeit, Speise.

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Ge|rịcht1 〈n. 11
1. Speise, zubereitetes Essen, Mahlzeit (Fleisch\Gericht, Nudel\Gericht)
2. Gang einer Speisenfolge (Haupt\Gericht, Vor\Gericht)
● ein \Gericht mit Fisch; ein \Gericht auftragen, bestellen, zubereiten; ein ausgezeichnetes, erlesenes, gutes, leckeres, schmackhaftes \Gericht; ein \Gericht auf den Tisch bringen; ein \Gericht aus frischem Gemüse [zu richten in der Bedeutung „zubereiten, anrichten“]
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Ge|rịcht2 〈n. 11
1. Recht sprechende Behörde (Amts\Gericht, Bundes\Gericht, Landes\Gericht)
2. Gerichtsgebäude
3. Gerichtshof
4. 〈fig.〉 Gerichtsbarkeit, Rechtsprechung, Rechtspflege, Gerechtigkeit
5. Urteilsspruch, Richterspruch
6. 〈Sinnbild für〉 Strafe (Gottes\Gericht)
● jmdn. vor die Schranken des \Gerichts fordern 〈poet.〉 ● \Gericht halten, eine Gerichtsverhandlung abhalten; sich dem \Gericht stellen; sich dem \Gericht, jmds. \Gericht unterwerfen; zurückziehen: das \Gericht zieht sich zur Beratung zurück ● das Jüngste \Gericht 〈nach christl. Auffassung〉 entscheidendes letztes Gericht beim Weltuntergang; das oberste \Gericht ● Vater ist noch auf dem \Gericht; jmdn. bei \Gericht verklagen; mit jmdm. hart, scharf, streng ins \Gericht gehen 〈fig.; umg.〉 jmdm. ernste Vorhaltungen machen, ihn scharf zurechtweisen, hart bestrafen; über jmdn. \Gericht halten über jmdn. Recht sprechen; vor \Gericht aussagen, vor \Gericht etwas bezeugen; eine Sache, jmdn. vor das \Gericht bringen; vor \Gericht erscheinen; jmdn. vor \Gericht fordern vorladen, 〈umg.〉 verklagen; vor \Gericht stehen; über jmdn. zu \Gericht sitzen über jmdn. Recht sprechen [→ Recht]

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1Ge|rịcht , das; -[e]s, -e [mhd. geriht(e), ahd. girihti, unter Einfluss von richten zu recht]:
1.
a) öffentliche Institution, die vom Staat mit der Rechtsprechung betraut ist, Verstöße gegen Gesetze bestraft u. Streitigkeiten schlichtet:
das zuständige G.;
das G. tagte, sprach den Angeklagten frei;
dieser Fall wird noch die -e beschäftigen;
vor G. erscheinen, aussagen;
jmdn. vor G. laden;
vor G. stehen (angeklagt sein);
mit einem Streitfall vor G. gehen (in einem Streitfall eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen);
b) Richterkollegium:
das G. zieht sich zur Beratung zurück;
(Anredeformel) Hohes G.!;
c) Gebäude, in dem ein 1Gericht (1 a) untergebracht ist:
das G. war von Polizisten umstellt.
2. <o. Pl.> das Richten, Urteilen, Rechtsprechen:
ein schonungsloses G.;
das Jüngste/Letzte G. (bes. christl. Rel.; göttliches Gericht über die Menschheit am Tag des Weltuntergangs; jüngst… = allerletzt…: der Tag des Jüngsten -s);
mit jmdm. [hart, scharf] ins G. gehen (sich mit jmdm. hart auseinandersetzen u. ihn scharf kritisieren, zurechtweisen);
über jmdn., etw. G. halten/zu G. sitzen (geh.: 1. über eine[n] Angeklagte[n] bei Gericht verhandeln. 2. jmds. Haltung, Tun, Ansichten verurteilen mit dem Ziel, bestimmte Maßnahmen dagegen zu ergreifen).
2Ge|rịcht , das; -[e]s, -e [mhd. geriht(e), zu richten = anrichten]:
als Mahlzeit zubereitete Speise:
ein G. aus Fleisch und Gemüse;
ein G. [Krebse] auftragen.

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Gericht
 
[althochdeutsch girihti, zu reht »recht«], im weiteren Sinn der Vorgang der Rechtsprechung, im engeren Sinn das dafür zuständige Organ, entweder in administrativem Sinne als Gerichtsbehörde oder prozessual als Spruchkörper.
 
 Grundprinzipien
 
Die staatliche Rechtsprechung soll der Gerechtigkeit im Einzelfall nach Maßgabe der jeweils geltenden Gesetze durch einen rechtskräftigen, das heißt endgültigen und gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzenden Rechtsspruch und letztlich der Wiederherstellung des Rechtsfriedens dienen. Aufgabe des Gerichts ist es, in einem geregelten Verfahren für einen konkreten Fall den wirklichen Sachverhalt festzustellen und auf ihn das Recht anzuwenden, das heißt, einen tatsächlich und rechtlich richtigen Entscheid zu treffen. Rechtsanwendung bedeutet nach überwiegender Ansicht der neueren Methodenlehre nicht nur die logische Subsumtion eines Sachverhalts unter ein vollständiges Gesetz, sondern bei Lückenhaftigkeit der Normen im Rahmen des Gesetzes die schöpferische Rechtsgewinnung oder Normvollendung im konkreten Einzelfall.
 
Für die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren sind im Lauf der Geschichte wechselnde Grundsätze entwickelt worden. Das gegenwärtige Recht wird v. a. von Prinzipien bestimmt, die auf die Aufklärung zurückgehen, nämlich dem der Gewaltenteilung (verankert besonders in Artikel 20 GG), der Neutralität und Unabhängigkeit der Richter, die nur dem Gesetz unterworfen sind (Artikel 97 GG), vom Prinzip des gesetzlichen Richters (Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG) sowie dem Grundrecht auf rechtliches Gehör vor Gericht (Artikel 103 Absatz 1 GG), ferner vom Gebot der »Waffengleichheit«, der Öffentlichkeit und des fairen Verfahrens. Der Bürger hat zudem gegen den Staat Anspruch auf Justizgewährung (Recht des Einzelnen, im Falle des Rechtsschutzbedürfnisses ein Gericht anrufen zu können) sowie auf lückenlosen und effektiven Rechtsschutz.
 
Im staatsrechtlichen Sinn ist das Gericht eine Staatsbehörde, die speziell dazu geschaffen ist, ihr durch Gesetz übertragene Aufgaben der Rechtsprechung und sonstiger Rechtspflege zu erfüllen. Sie muss mit unabhängigen Richtern besetzt sein, von denen wenigstens einer der bei einer Entscheidung Mitwirkenden die Befähigung zum Berufsrichteramt haben muss. Rechtsprechung ist die autoritative und damit verbindliche, verselbstständigte Entscheidung in einem Rechtsstreit oder über eine Straftat in einem besonderen Verfahren. Sonstige Rechtspflegeaufgaben der Gerichte kraft Gesetz sind die Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren (früher Konkursverfahren und Vergleichsverfahren) und die freiwillige Gerichtsbarkeit, soweit sie nicht Streitentscheidung ist. Die übliche Übertragung weiterer Justizverwaltungsaufgaben an die Gerichte nimmt ihnen nicht ihre Gerichtseigenschaft. Auch gegen solche Maßnahmen ist der Rechtsweg eröffnet, namentlich gegen Justizverwaltungsakte, z. B. auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts nach § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Sie sind zu trennen von den Maßnahmen der internen Gerichtsverwaltung (Personal- und Sachmittelverwaltung).
 
 Gerichtsbarkeit
 
Die Gerichtsbarkeit ist: 1) die Tätigkeit der Rechtsprechung und der Rechtspflege, die den Gerichten zugewiesen ist. In diesem Sinn spricht man von den verschiedenen Arten oder Zweigen der Gerichtsbarkeit. Organisatorisch gliedert sie sich im Rahmen der Gerichtsverfassung in die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit, die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie die Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit; hinzu kommen Verfassungsgerichte (Bund und Länder). Neben diesen allgemein zugänglichen Gerichtsbarkeiten existieren besondere Gerichtsbarkeiten, so die Disziplinargerichtsbarkeit, die Berufsgerichtsbarkeiten (Berufsgerichte) und die kirchliche Gerichtsbarkeit. Hingegen zählen die freiwillige Gerichtsbarkeit und im Wesentlichen die Patentgerichtsbarkeit organisatorisch zur ordentlichen Gerichtsbarkeit; 2) die Gerichtsgewalt, Gerichts- oder Justizhoheit. Während diese in älterer Zeit vielfach aufgespalten war auf die staatliche Obrigkeit und die mit eigener Gerichtsbarkeit ausgestatteten ständischen u. a. Gewalten, v. a. Städte und Gutsherren, liegt die Gerichtshoheit heute ausschließlich beim Staat (Artikel 92 GG). Alle öffentliche Gerichtsbarkeit ist deshalb unmittelbare Staatsgerichtsbarkeit. Der Staat hat das Rechtsprechungsmonopol. Für den kirchlichen Bereich nehmen die staatlichen Gerichte diese Monopolstellung allerdings nicht in Anspruch. Staatliche Gerichte werden im kirchlichen Bereich nur tätig kraft Vereinbarung der Kirche mit dem Staat. Eine Ausnahme vom Rechtsprechungsmonopol beansprucht die Schiedsgerichtsbarkeit.
 
Die staatliche Gerichtsbarkeit besteht innerhalb des Staates grundsätzlich unbeschränkt. Persönliche Befreiungen von der deutschen Gerichtsbarkeit gibt es nur aus völkerrechtlichen Gründen (Exemtion, Recht, Exterritorialität, §§ 18-20 GVG). Gerichtliche Handlungen gegen Exterritoriale sind unzulässig und unwirksam.
 
Träger der Gerichtsbarkeit sind in Deutschland der Bund und die Länder. Die Recht sprechende Gewalt des Bundes wird durch das Bundesverfassungsgericht und die im GG vorgesehenen Bundesgerichte ausgeübt (Artikel 92 GG), die der Länder durch die Staats- oder Verfassungsgerichtshöfe, die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte (in Bayern auch durch das Bayerische Oberste Landesgericht), die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte, die Sozialgerichte und Landessozialgerichte, die Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe sowie die Finanzgerichte.
 
 Gerichtsverfassungsrecht
 
Das Gerichtsverfassungsrecht regelt die Stellung der Rechtspflege und ihrer Organe im Aufbau des Staates, ihr Verhältnis zur gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt, ferner Aufgaben, Organisation und Besetzung der Gerichte und ihrer Geschäftsstellen sowie der anderen Rechtspflegebehörden wie der Staatsanwaltschaft und der Notariate (Baden-Württemberg), die verfassungsrechtliche und dienstrechtliche Stellung der Richter sowie die aller anderen Rechtspflegeorgane (Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Notar, Rechtspfleger, Urkundsbeamter, Gerichtsvollzieher). Grundlage des Gerichtsverfassungsrechts in Deutschland ist das Prinzip der Gewaltenteilung in der Ausprägung des Grundgesetzes. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in der Fassung vom 9. 5. 1975 (mit späteren Änderungen) bezieht sich nur auf die ordentliche Gerichtsbarkeit (streitige und freiwillige Zivilgerichtsbarkeit, Strafgerichtsbarkeit), während das Gerichtsverfassungsrecht für die übrigen Zweige der Gerichtsbarkeit in deren Verfahrensordnungen geregelt ist.
 
Ein Gericht darf nur in seinem Gerichtsbezirk (Gerichtssprengel) tätig werden, außerhalb nur bei Gefahr im Verzug oder mit Zustimmung des örtlichen Amtsgerichts. Für die Veränderungen eines Gerichtsbezirks bedarf es eines förmlichen Gesetzes.
 
Jedes Gericht hat einen Gerichtssitz, an dem es normalerweise tätig ist. Gerichtssitz ist die Gemeinde, in der das Gericht errichtet ist und in der es eine Gerichtsstelle (Gerichtsgebäude) hat. Kraft besonderer gesetzlicher Ermächtigung können einzelne Spruchkörper außerhalb des Gerichtssitzes gebildet werden (detachierte Kammern oder Senate); ferner ist die Bildung von Spruchkörpern, die für mehrere Bezirke zuständig sind, zulässig. Veränderungen bedürfen eines förmlichen Gesetzes.
 
Die Gerichtssprache, in der vor Gericht verhandelt, schriftliche Erklärungen eingereicht und Entscheidungen erlassen werden, ist in Deutschland die deutsche Sprache (§ 184 GVG). Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Schriftliche Erklärungen in fremder Sprache bleiben unberücksichtigt. Auch für die Beurkundung von Rechtsgeschäften ist ein Protokoll in deutscher Sprache vorgeschrieben (§ 5 Beurkundungsgesetz), jedoch kann ein Notar auf Verlangen Urkunden auch in fremder Sprache errichten, wenn er der fremden Sprache hinreichend kundig ist. Eide werden von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, in der ihnen geläufigen Sprache geleistet (§ 188 GVG).
 
Für die mündliche Verhandlung vor Gericht gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit, den § 169 GVG für die ordentliche Gerichtsbarkeit statuiert, der aber auch für die anderen Gerichtsbarkeiten gilt und den Zugang zur Verhandlung für jedermann garantiert (Ausnahmen sind zulässig).
 
 Gerichte der Hauptgerichtsbarkeiten
 
1) Verfassungsgerichte: Verfassungs- oder Staatsgerichtshöfe der Länder und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Verfassungsgerichtsbarkeit).
 
2) ordentliche Gerichtsbarkeit: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht (in Berlin: Kammergericht), Bundesgerichtshof. In Bayern gibt es als Besonderheit das Bayerische Oberste Landesgericht. Für die Rechtspflege in Deutschland von besonderer Bedeutung ist das Amtsgericht, das in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zuständig ist für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert bis 10 000 DM und, ohne Rücksicht auf den Wert der Sache, insbesondere für Mietstreitigkeiten, Aufgebotsverfahren u. a. sowie für Familien-, Ehe- und Kindschaftssachen; ferner besitzt es Zuständigkeiten für Insolvenzverfahren (auf bestimmte Amtsgerichte konzentriert; früher Konkurs- und Vergleichsverfahren) sowie Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungssachen, in Schifffahrtssachen, in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (besonders Grundbuch-, Register- und Nachlasssachen), in Landwirtschaftssachen und bei Ordnungswidrigkeiten.
 
In Strafsachen ist das Amtsgericht für alle die Sachen zuständig, die nicht dem Landgericht übertragen sind (beim Landgericht werden Delikte schwerer Kriminalität und Staatsschutzsachen verhandelt) oder nicht zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehören, bei denen im Einzelfall eine Freiheitsstrafe von weniger als vier Jahren Freiheitsentzug und keine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus und keine Sicherungsverwahrung zu erwarten ist; ferner ist das Amtsgericht zuständig für bestimmte Entscheidungen im Bußgeldverfahren (Buße, Recht).
 
3) Verwaltungsgerichte: Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht (in einigen Bundesländern: Verwaltungsgerichtshof), Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in Berlin (wird nach Leipzig verlegt); ferner besondere Verwaltungsgerichte, z. B. der Disziplinargerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtsbarkeit).
 
4) Arbeitsgerichte: Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht, Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt (Arbeitsgerichtsbarkeit).
 
5) Sozialgerichte: Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht mit Sitz in Kassel (Sozialgerichtsbarkeit).
 
6) Finanzgerichte: Finanzgericht, Bundesfinanzhof mit Sitz in München (Finanzgerichtsbarkeit).
 
In der DDR wurde die Rechtsprechung in Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen in Form einer einheitlichen Gerichtsbarkeit (in Entwicklungsstufen besonders ab Aufhebung der Länderzuständigkeit im Jahre 1952) durch das Oberste Gericht, die Bezirks- und die Kreisgerichte sowie durch gesellschaftliche Gerichte (Konfliktkommissionen, Schiedskommissionen) und in Militärstrafsachen durch das Oberste Gericht, Militärobergericht und Militärgericht ausgeübt (Artikel 92 folgende Verfassung der DDR vom 6. 4. 1968, Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 9. 1974, Militärgerichtsordnung vom 27. 9. 1974, Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte vom 25. 3. 1982.). Die Gerichte bildeten ein hierarchisches System, an dessen Spitze das mit besonderen Leitungsbefugnissen ausgestattete Oberste Gericht stand. Es konnte z. B. in Gestalt von »Richtlinien« des Plenums und »Beschlüssen« des Präsidiums Vorgaben für die Rechtsanwendung treffen, die für alle Gerichte verbindlich waren. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit gab es nicht. Die Spruchkörper waren in der Regel in erster Instanz mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen, in zweiter Instanz mit drei Berufsrichtern, die gesellschaftlichen Gerichte mit vier Mitgliedern besetzt. Die Richter und Schöffen sowie die Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte wurden von den Volksvertretungen beziehungsweise von gesellschaftlichen Organisationen und Gremien gewählt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit war seit 1952 Verwaltungsbehörden und Staatlichen Notariaten übertragen, Streitigkeiten im Bereich der sozialistischen Wirtschaft oblagen der staatlichen Vertragsgerichtsbarkeit (staatliche Vertragsgerichte waren keine Gerichte, sondern zentrale Staatsorgane), für sozialrechtliche Streitfälle waren Beschwerdekommissionen der Sozialversicherung zuständig. Für verwaltungsrechtliche Ansprüche der Bürger wurde der Gerichtsweg erst ab 1987 in begrenztem Umfang eröffnet. In Vorbereitung auf die staatliche Einheit Deutschlands wurden durch Änderung der Verfassung der DDR am 5. 7. 1990 grundlegende Veränderungen am Gerichtssystem und der Stellung der Richter vorgenommen. Mit der Wiedererrichtung der Länder 1990 erhielten diese auch ihre Gerichtshoheit zurück, auf der Grundlage des Einigungsvertrages vom 31. 8. 1990 und dem Vollzug der staatlichen Einheit erfolgte der Übergang zum Gerichtssystem der BRD. Zunächst fungierten die Kreisgerichte als Amtsgerichte (zuständig auch in Angelegenheiten der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit) und die Bezirksgerichte als Oberlandes- und Landgerichte. Die Errichtung und Besetzung der neuen Gerichte und der selbstständigen Gerichtsbarkeiten sowie die Einrichtung von Verfassungsgerichtshöfen wurde in den Ländern unterschiedlich bis etwa Ende 1993 in den Grundzügen abgeschlossen (in Berlin wurde die Zuständigkeit der im Westteil bestehenden Gerichte mit Wirkung vom 3. 10. 1990 auf den Ostteil erstreckt).
 
In Österreich ist die Gerichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen den staatlichen Gerichten übertragen. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen sind die Bezirksgerichte, das Bezirksgericht für Handelssachen Wien, die Landesgerichte, das Handelsgericht Wien, die Oberlandesgerichte und der Oberste Gerichtshof Wien berufen. Für Angelegenheiten der Binnenschifffahrt sind die ordentlichen Gerichte zuständig; ein Seegericht besteht in Österreich nicht. Besondere Aufgaben haben die Handelsgerichte sowie die Arbeits- und Sozialgerichte. Schiedsgerichte sind zulässig in bürgerlichen Rechtssachen, soweit diese einer Dispositionsbefugnis der Parteien unterworfen sind. Nichtstreitige Angelegenheiten werden fast ausnahmslos durch die staatlichen Gerichte erledigt. Die ordentlichen Gerichte sind einander zur Rechtshilfe verpflichtet, ihre Entscheidungen sind im ganzen Bundesgebiet vollstreckbar. Außerdem bestehen in Wien ein Verfassungs- und ein Verwaltungsgerichtshof.
 
In der Schweiz ist die Gerichtsverfassung im Wesentlichen eine Sache der Kantone, dies auch dann, wenn im fraglichen Verfahren Bundesrecht zur Anwendung gelangt. Sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen bestehen meist zwei Instanzen. Neben Berufsrichtern sind gelegentlich auch Laienrichter anzutreffen; Geschworenengerichte bestehen nur noch an wenigen Orten. - Das schweizerische Bundesgericht mit Sitz in Lausanne ist v. a. Rechtsmittelinstanz hinsichtlich der Anwendung von Bundesrecht in Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen. Die Bundesgesetzgebung kann nicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. Für Streitigkeiten aus dem Bereich des Sozialversicherungsrechts ist das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Sitz in Luzern zuständig. - Nach der Bundesverfassung ist die Einführung von Ausnahmegerichten unzulässig; nicht von diesem Verbot betroffen werden Fachgerichte wie etwa die Arbeitsgerichte und die aus Angehörigen der Armee gebildeten Gerichte zur Durchführung militärischer Strafverfahren.
 
 Geschichte
 
Die Gerichtsgewalt (iurisdictio) lag im antiken Rom in den Händen der Gerichtsmagistrate, das heißt der beiden Prätoren (Praetor urbanus, zuständig für Prozesse zwischen römischen Bürgern; Praetor peregrinus, zuständig für Rechtsstreitigkeiten zwischen römischen Bürgern und Fremden sowie Ausländern untereinander) sowie der kurulischen Ädilen, die die Marktaufsicht ausübten. Entscheidenden Einfluss nahmen die Gerichtsmagistrate durch das zu jeder Amtszeit neu zu erlassende Edikt (edictum), das sie zu einem festen Bestand an Klagformen und Rechtsbehelfen (actiones, Actio) fortentwickelten. Demgegenüber waren den Germanen Gerichte im Sinne staatlich organisierter, mit Gerichtsgewalt ausgestatteter Institutionen fremd. Streitsachen blieben den einzelnen Sippen zu privater Auseinandersetzung im Wege von Fehde und Blutrache anheim gegeben, sofern es nicht gelang, durch Vertrag und Sühneleistung den Frieden (Friedlosigkeit) wieder herzustellen. Es konnte unter bestimmten Voraussetzungen auch vor dem Ding Klage erhoben werden. Kennzeichnend für dieses frühe Verfahren ist die Prozessherrschaft der Parteien (Ladung des Beklagten durch den Kläger) und ein sakralen Vorstellungen stark verhafteter Rechtsgang, dessen Mittelpunkt das Beweisvorrecht des Beklagten war. Das germanische Gericht betrieb keine Tatsachenaufklärung, sondern sprach ein »zweizüngiges« (bedingtes) Urteil, das dem Beklagten für den Fall, dass er den gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht entkräften konnte, eine Buße auferlegte. Das Urteil wurde ursprünglich vom gesamten dingpflichtigen Volk, später von Urteilern (Rachinbürgen, Schöffen) unter Zustimmung der Volksversammlung (Umstand) gefunden und vom Richter verkündet. In fränkischer Zeit wurden mit Stärkung der königlichen Gewalt die private Ladung immer deutlicher durch gerichtliche Ladung abgelöst und die Grundlagen der Gerichtsorganisation für das mittelalterliche Reich gelegt. Oberster Gerichtsherr war nun der König (Bann), der im höchsten Reichsgericht den Vorsitz führte mit dem Recht, jede nicht rechtskräftig entschiedene Streitsache an sich zu ziehen (Evokationsrecht). An die Stelle des Reichshofgerichts trat im 15. Jahrhundert das Kammergericht, das 1495 vom Reichskammergericht abgelöst wurde. Durch Bannleihe setzte der König Beamte (Grafen) zu Richtern ein (Grafengericht, Landgericht), die dem echten Ding vorstanden, das höchstens dreimal jährlich in jedem Gerichtsbezirk tagte. Unter Königsbann richteten ferner Reichsvögte und die westfälischen Femgerichte. Minder schwere Angelegenheiten (Causae minores; später Niedergerichtsbarkeit) wurden vor Zentgerichten (im alemannischen und fränkischen Raum), Gogerichten (Sachsen) beziehungsweise Schulzengerichten (Friesland) verhandelt, die zunächst ebenfalls königliche Gerichte waren, mit Erstarken der Fürsten aber schon früh landesherrlicher Gewalt unterstanden (Statutum in favorem principum, 1232). Seit dem 14. Jahrhundert gingen auch die Grafengerichte in landesherrliche Gewalt über. Die mittelalterlichen Sozialstrukturen ließen neben den staatlichen Gerichten eine Reihe besonderer Gerichte entstehen: Lehensgericht, grundherrliches Hofgericht, Dorfgericht, Berggericht. Die Städte, ursprünglich nur von der Niedergerichtsbarkeit ausgenommen, waren seit dem 10. Jahrhundert auch von der Hochgerichtsbarkeit der Landgerichte befreit und standen unter einem vom Stadtherrn (Bischof, Fürst) eingesetzten Hochrichter (Stadtgraf, Stadtvogt). Im Kampf um die städtische Selbstständigkeit wurden sie verdrängt, das Gericht ging auf den Rat der Stadt über. Außer den weltlichen Gerichten übten kirchliche Gerichte, entstanden aus dem Visitationsrecht des Bischofs in seiner Diözese, bedeutenden Einfluss aus (Sendgericht, Offizialat). Sie waren nicht nur in rein kirchlichen, sondern auch in bürgerlichen Angelegenheiten tätig und sorgten früh für die Aufnahme römischen Rechts in Deutschland (Rezeption). Seit dem ausgehenden Mittelalter ist die Entwicklung wesentlich durch den wachsenden Einfluss gelehrter Richter und die Ausbildung der territorialen Gerichtshoheit gekennzeichnet, die im Zeitalter des Absolutismus als Majestätsrecht der Fürsten galt. Das Ende des alten Reiches (1806) brachte die Auflösung des Reichskammergerichts. Der Deutsche Bund hatte keine Gerichtsgewalt. Das 1869 für den Norddeutschen Bund geschaffene Bundesoberhandelsgericht wurde nach der Reichsgründung 1871 als Reichsoberhandelsgericht mit beschränkter eigener Gerichtsbarkeit fortgeführt und 1879 durch das Reichsgericht (Sitz in Leipzig) als oberstem Gericht des Deutschen Reichs in Zivil- und Strafsachen abgelöst. An seine Stelle trat der Bundesgerichtshof (BGH).
 

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1Ge|rịcht, das; -[e]s, -e [mhd. geriht(e), ahd. girihti, unter Einfluss von ↑richten zu ↑recht]: 1. a) öffentliche Institution, die vom Staat mit der Rechtsprechung betraut ist, Verstöße gegen Gesetze bestraft u. Streitigkeiten schlichtet: das zuständige G.; das G. tagte, sprach den Angeklagten frei; dieser Fall wird noch die -e beschäftigen; jmdn. dem G. übergeben, den -en ausliefern; jmdn. vor G. laden; vor G. erscheinen, aussagen; ein ordentliches G. (Gericht, das für Zivil- u. Strafsachen zuständig ist); das G. anrufen (Klage erheben); einen Angeklagten dem G. vorführen (ihm den Prozess machen); vor G. stehen (angeklagt sein); mit einem Streitfall vor G. gehen (in einem Streitfall eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen); b) Richterkollegium: das G. zieht sich zur Beratung zurück; Hohes G.! (Anredeformel); c) Gerichtsgebäude: das G. war von Polizisten umstellt. 2. <o. Pl.> das Richten, Urteilen, Rechtsprechen: die Forderung eines gerechten und schonungslosen -s über die Kriegsverbrecher (Leonhard, Revolution 226); *das Jüngste/Letzte G. (bes. christl. Rel.; göttliches Gericht über die Menschheit am Tag des Weltuntergangs; jüngst... = allerletzt...): der Tag des Jüngsten -s; mit jmdm. [hart, scharf] ins G. gehen (1. sich mit jmdm. hart auseinander setzen u. ihn scharf kritisieren, zurechtweisen. 2. jmdn. hart bestrafen); über jmdn., etw. G. halten/zu G. sitzen (geh.; 1. über eine[n] Angeklagte[n] bei Gericht verhandeln. 2. jmds. Haltung, Tun, Ansichten verurteilen mit dem Ziel, bestimmte Maßnahmen dagegen zu ergreifen: Niemand sitzt selbstgerechter als er [= Robespierre] über die Schwächen der Menschheit zu G. [Sieburg, Robespierre 65]). ∙ 3. Gerichtsverhandlung: Was heißt Kriminalprozess? - G. um Leben und Tod (Schiller, Kabale III, 6).
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2Ge|rịcht, das; -[e]s, -e [mhd. geriht(e), zurichten = anrichten]: als Mahlzeit zubereitete Speise: ein G. aus Fleisch und Gemüse; ein G. [Krebse] auftragen.

Universal-Lexikon. 2012.