Akademik

Masaryk
Mạsaryk
 
[-rik],
 
 1) Jan, tschechischer Politiker, * Prag 14. 9. 1886, ✝ ebenda (Selbstmord?) 10. 3. 1948, Sohn von 2); 1925-39 Gesandter in London, war 1940-45 Außenminister der tschechoslowakischen Exilregierung in London, von 1945 bis zu seinem Tod Außenminister der tschechoslowakischen Republik.
 
 2) Tomáš Garrigue, tschechischer Philosoph, Soziologe und Politiker, * Göding 7. 3. 1850, ✝ Schloss Lány (bei Prag) 14. 9. 1937, Vater von 1); studierte in Wien und Leipzig; in Wien wurde er stark beeinflusst von F. Brentano. 1882 wurde er Professor für Philosophie in Prag. Als »kritischer Realist« verband er deutschen Idealismus und westeuropäischen Positivismus, setzte sich kritisch mit dem Erbe der tschechischen politischen Romantik auseinander und lehnte dabei jede Mystifizierung der Geschichte ab. Er bewies die Unechtheit der Königinhofer Handschrift, kämpfte publizistisch gegen die Legende vom jüdischen Ritualmord und befasste sich kritisch mit dem Papsttum. Politisch nahm er Stellung gegen das Haus Habsburg und die Vorherrschaft der Deutschen und Ungarn im Bereich der Donaumonarchie. 1891-93 vertrat er die Jungtschechen, 1907-14 die von ihm gegründete Realistenpartei im österreichischen Reichsrat.
 
Die in seiner Philosophie gründende demokratische Staatsauffassung, die zugleich die Humanität zum Programm erhob, führte ihn 1914 auf die Seite der Ententemächte. Von London aus forderte er im Ersten Weltkrieg die tschechische Eigenstaatlichkeit. Mit E. Beneš gründete er 1916 den »Tschechoslowakischen Nationalrat« und organisierte die Tschechische Legion in Russland. Mit slowakischen Organisationen in den USA schloss Masaryk 1918 den Pittsburgher Vertrag über den staatlichen Zusammenschluss von Tschechen und Slowaken. Nach Gründung der Tschechoslowakei wurde Masaryk 1918 Staatspräsident (1920, 1927 und 1934 wieder gewählt), 1935 trat er zurück. Den Widerspruch zwischen idealistisch-demokratischem Humanismus einerseits und den Forderungen des Selbstbestimmungsrechts von Sudetendeutschen, Ungarn und autonomistisch gesinnten Slowaken andererseits konnte er nicht lösen. Seine persönliche Integrität verschaffte ihm hohes Ansehen.
 
Werke: Otazka socialni (1881; deutsch Die philosophischen und sociologischen Grundlagen des Marxismus); Der Selbstmord als sociale Massenerscheinung der modernen Civilisation (1881, Nachdruck 1982); Zakladove konkretni logiky (1887; deutsch Versuch einer concreten Logik); Ideály humanitni (1901; deutsch Ideale der Humanität); Zur russischen Geschichts- und Religionsphilosophie, 2 Bände (1913, Nachdruck 1965; tschechisch 1921 unter dem Titel Rusko a Europa); Nova Evropa (1918; deutsch Das neue Europa).
 
Svetova revoluce za války a ve válce 1914-1918 (1925; deutsch Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen 1914-1918).
 
Ausgabe: Weg von Österreich! Das Weltkriegsexil von Masaryk und Beneš im Spiegel ihrer Briefe und Aufzeichnungen aus den Jahren 1914 bis 1918. Eine Quellensammlung, herausgegeben von F. Hadler (1995).
 
Literatur:
 
E. Ludwig: Gespräche mit M. (Amsterdam 1935);
 Z. Nejedlý: T. G. M., 2 Bde. (Prag 21949-50);
 K. Čapek: Gespräche mit T. G. M. (a. d. Tschech., Neuausg. 1969);
 M. Machovec: T. G. M. (a. d. Tschech., Graz 1969);
 A. van den Beld: Humanity. The political and social philosophy of T. G. M. (a. d. Niederländ., Den Haag 1976);
 E. Schmidt-Hartmann: T. G. M.'s realism. .. (München 1984);
 D. Truhlar: T. G. M. Philosophie der Demokratie (1994).

Universal-Lexikon. 2012.