Mörike,
Eduard, Schriftsteller, * Ludwigsburg 8. 9. 1804, ✝ Stuttgart 4. 6. 1875. Mörike besuchte zunächst die Lateinschule in Ludwigsburg, dann, nach dem frühen Tod seines Vaters, eines Arztes (1817), das Gymnasium in Stuttgart. Ab 1818 bereitete er sich in Urach, ab 1822 im Tübinger Stift auf die theologische Laufbahn vor. Nach langer Vikariatszeit (1826-34) wurde er Pfarrer in Cleversulzbach (heute zu Neuenstadt am Kocher); von 1843 an lebte er, nach vorzeitiger Pensionierung aus Gesundheitsgründen, an verschiedenen Orten, zuletzt vorwiegend in Stuttgart und widmete sich seiner dichterischen Arbeit. 1851 heiratete er Margarethe von Speeth (* 1818, ✝ 1903). Die Eheleute lebten sich jedoch allmählich auseinander bis zur Trennung (1873), die erst an Mörikes Sterbebett durch eine späte Versöhnung aufgehoben wurde.
Mörikes literarischer Standort zwischen Spätromantik und Frührealismus spiegelt sich in seinen Kontakten wider, z. B. zur schwäbischen Dichterschule, zu L. Uhland und J. Kerner, aber auch zu T. Storm, E. Geibel, P. Heyse, M. Hartmann, C. F. Hebbel, I. S. Turgenjew und M. von Schwind. Sein literarisches Werk ist nicht umfangreich: der frühe Roman »Maler Nolten« (1832, 2 Bände, 2. Fassung entstanden 1853-75, unvollendet, herausgegeben 1877), die außergewöhnlichen »Gedichte« (1831), die später mehrfach vertont wurden (R. Schumann, H. Distler, H. Wolf), dazwischen und danach ein halbes Dutzend Märchen und Novellen, das Versepos »Idylle vom Bodensee. Oder, Fischer Martin und die Glockendiebe« (1846), wenige dramatische Versuche und Übersetzungen aus Theokrit (1855), aus Anakreon und den »Anakreonteia« (1864), einige Fragmente. Der Roman »Maler Nolten«, von Mörike selbst als »Novelle« bezeichnet, zeigt den Einfluss Goethes, steht jedoch am Ende der Tradition des romantischen Künstlerromans. Ein wesentlicher Teil der frühen Lyrik Mörikes ist in den Text einbezogen, u. a. die »Peregrina«-Gedichte, deren Titelgestalt von Maria Meyer geprägt ist, der Mörike während der Tübinger Zeit sehr zugetan war. In der Thematik spiegelt sich überdies Mörikes eigene Neigung zur Malerei. In Briefen hat sich Mörike öfter zu Fragen künstlerischen Schaffens geäußert, insbesondere in der Korrespondenz mit M. von Schwind, seinem Freund. In der Detailgenauigkeit eigener Zeichnungen verrät sich auch ein naturkundliches Interesse des Dichters.
Mörikes Lyrik lässt den Bezug auf Antike, Volkslied, auf Goethe und die Romantiker erkennen; die oft von leiser Wehmut und dem Bewusstsein eines Schwebezustandes durchzogenen Liebes- und Naturgedichte gehören zu den schönsten der deutschen Literatur. Die klassisch-romantische Balladentradition führte er fort (»Der Feuerreiter«, 1824; »Schön-Rohtraut«, 1837); in der reifen Schaffensperiode dominierte das »Dinggedicht«. Wie in der Lyrik finden sich auch in den Prosawerken, v. a. in den Märchen, humoristische und ironische Elemente (»Das Stuttgarter Hutzelmännlein«, 1853). Andere Märchen und Erzählungen bauen auf der grimmschen, klassisch-stilisierten Spätromantik auf. Höhepunkt der Erzählkunst Mörikes ist die Novelle »Mozart auf der Reise nach Prag« (1856). Mörike setzt hier sein inniges Verhältnis zu Mozarts Musik um in eine fast anekdotische Handlung, in deren heiterer Idylle er die Nähe des Todes ahnen lässt.
Ausgaben: Unveröffentlichte Briefe, herausgegeben von F. Seebass (21945); Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe, auf zahlreiche Bände berechnet, herausgegeben von H. H. Krummacher u. a. (1967 folgende); Sämtliche Werke, herausgegeben von H. Göpfert, 4 Bände (1981); Sämtliche Gedichte, herausgegeben von demselben (1987); Werke. Einleitung von W. Rücker (51986).
B. von Wiese: E. M. (1950);
B. von Wiese: E. M. Ein romant. Dichter (1979);
S. S. Prawer: M. u. seine Leser. Versuch einer Wirkungsgesch. Mit einer M.-Bibliogr. u. einem Verz. der wichtigsten Vertonungen (1960);
G. Storz: E. M. (1967);
Herbert Meyer: E. M. (31969);
H.-U. Simon: M.-Chronik (1981);
P. Lahnstein: E. M. Leben u. Milieu eines Dichters (1986);
Birgit Mayer: E. M. (1987);
H.-U. Simon: »Göttlicher M.!« M. u. die Komponisten (1988);
H. E. Holthusen: E. M. (37.-38. Tsd. 1995);
Universal-Lexikon. 2012.