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Schumann
Schumann,
 
1) Clara, geborene Wieck, Pianistin und Komponistin, * Leipzig 13. 9. 1819, ✝ Frankfurt am Main 20. 5. 1896; war Klavierschülerin ihres Vaters F. Wieck, trat 1828 erstmals öffentlich auf, unternahm ausgedehnte Konzertreisen und galt schon mit 16 Jahren als Pianistin von europäischem Rang. Sie komponierte um diese Zeit virtuose Werke v. a. zum eigenen Gebrauch. Gegen den Willen ihres Vaters heiratete sie 1840 Robert Schumann, lebte mit ihm bis 1844 in Leipzig, bis 1850 in Dresden und ab 1850 in Düsseldorf. Trotz ihrer Pflichten als Ehefrau und Mutter (bis 1854 wurden acht Kinder geboren) konzertierte sie weiter erfolgreich und komponierte bedeutende Lieder, ein Klaviertrio (g-Moll, 1846), drei Romanzen für Violine und Klavier (1853) sowie mehrere Klavierwerke. Nach dem Selbstmordversuch ihres Mannes (1854) und bis zu dessen Tod (1856) wurde sie von J. Brahms, mit dem sie lebenslang eng befreundet blieb, tätig unterstützt. 1857 zog sie nach Berlin, lebte 1863-73 in Lichtental (heute zu Baden-Baden), 1873-78 wieder in Berlin und ab 1878 in Frankfurt am Main, wo sie am Dr. Hoch'schen Konservatorium lehrte. Bis ins hohe Alter blieb sie pianistisch tätig als hervorragende Interpretin v. a. der Werke ihres Mannes sowie L. van Beethovens, F. Chopins und Brahms', mit dem sie die Gesamtausgabe der Werke ihres Mannes betreute (31 Bände, 1881-93).
 
Ausgabe: C. und Robert Schumann. Briefwechsel, herausgegeben von E. Weissweiler, auf 3 Bände berechnet (1984 ff.).
 
Literatur:
 
K. Höcker: Das Leben von C. S. (41988);
 J. Klassen: C. Wieck-S. Die Virtuosin als Komponistin (1990);
 B. Borchard: C. S., ihr Leben (1991);
 N. B. Reich: C. S. (1991);
 D. Kühn: C. S., Klavier. Ein Lebensbuch (31996);
 C. de Vries: Die Pianistin Clara Wieck-Schumann (1996).
 
 2) [ʃu'man], Maurice, französischer Politiker, * Paris 10. 4. 1911, ✝ ebenda 10. 2. 1998; Journalist; folgte General C. de Gaulle nach London und war dort Sprecher des Freien Frankreich bei Radio BBC. 1944 Mitbegründer des christdemokratischen MRP, dessen Präsident er bis 1949 war, und Abgeordneter der Beratenden Nationalversammlung, 1945-67 Abgeordneter der Nationalversammlung, 1951-54 Staatssekretär im Außenministerium. In der Fünften Republik war Schumann unter de Gaulle wiederholt Minister (u. a. 1967-68 für Forschung, 1968-69 für soziale Fragen). 1968 schloss er sich der gaullistischen Fraktion in der Nationalversammlung an (Abgeordneter bis 1973). Als Außenminister (1969-73) unter Staatspräsident G. Pompidou wirkte Schumann an der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft und an einer vorsichtigen Entspannung des Verhältnisses Frankreichs zu den USA mit. Seit 1974 ist Schumann Mitglied des Senats.
 
Werke: Le germanisme en marche (1938); Honneur et patrie (1946); Le vrai malaise des intellectuels de gauche (1957); Le rendez-vous avec quelqu'un (1962); La voix du couvre-feu (1964); Les flots roulant au loin (1973); La mort née de leur propre vie (1974); Angoisse et certitude (1978); Un certain 18 juin (1980); Le Concerto en ut majeur (1982); Qui a tué le duc d'Enghien? (1984); Une grande imprudence (1986); La victoire et la nuit (1989).
 
 3) Robert Alexander, Komponist, * Zwickau 8. 6. 1810, ✝ Endenich (heute zu Bonn) 29. 7. 1856; erhielt früh Klavierunterricht, war auch literarisch hoch begabt, studierte 1828/29 Jura in Leipzig und Heidelberg, widmete sich aber bald ganz der Musik. Neben dem Unterricht in Klavier (F. Wieck) und Theorie trieb er eigene Studien anhand von J. S. Bachs »Wohltemperiertem Klavier«, die später in den B-A-C-H-Fugen Opus 60 (1845) aufgegriffen und intensiviert wurden. Eine Fingerzerrung vereitelte die Virtuosenlaufbahn. Zugleich entstanden die ersten Kompositionen, bis 1839 fast ausschließlich für Klavier. 1834 gründete Schumann die »Neue Zeitschrift für Musik«, in der die erfundenen »Davidsbündler« (v. a. Eusebius und Florestan, Personifikationen zweier Seiten seines eigenen Wesens) für eine neue, wahrhafte und poetische Musikauffassung, für echte, produktive Kritik sowie gegen Kunstphilistertum und seichte Salonmusik stritten. 1840 heiratete Schumann gegen den Widerstand F. Wiecks dessen Tochter Clara. Im gleichen Jahr komponierte er etwa 150 Klavierlieder; 1841 entstanden, oft in kürzester Zeit, eine Reihe bedeutender Kammermusikwerke und 1842, teils ähnlich rasch und eruptiv, zwei Sinfonien und weitere Musik für Orchester, darunter der erste Satz des Klavierkonzerts a-Moll Opus 54. 1843 kam Schumann durch F. Mendelssohn Bartholdy, mit dem er eng befreundet war, an das neu gegründete Leipziger Konservatorium, 1844 als Chorleiter nach Dresden. 1850 wurde er Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf (hier besuchte ihn 1853 J. Brahms), war jedoch nach einiger Zeit Demütigungen und Intrigen ausgesetzt. Eine schon in jungen Jahren sich ankündigende Gemütskrankheit (Depressionen, Wahnideen) kam 1854 vollends zum Ausbruch. Nach einem Selbstmordversuch (Sturz in den Rhein) blieb er bis zu seinem Tode in einer Heilanstalt.
 
Schumanns Werk steht musikgeschichtlich im Zentrum der deutschen Hochromantik. Unmittelbar nach L. van Beethovens und F. Schuberts Tod setzt sein poetisches, virtuos-fantastisches Klavierwerk ein, das Anregungen Jean Pauls und der literarischen Romantik (z. B. E. T. A. Hoffmanns) ins Musikalische transformiert. Beethovens motivische Arbeit wird zu differenziertester Stimmungsgebung benutzt, Schuberts kühne Harmonik und liedhafte Melodik werden zu einem vielschichtigen, spezifisch klavieristischem Klangstil weiterentwickelt. Die Sonatenform wird in einigen Werken fantasiehaft erweitert, überwiegend aber durch die Aneinanderreihung kurzer Charakterstücke zu Zyklen umgangen. Überschriften regen zu Assoziationen an, sind aber nicht im Sinne konkreter außermusikalischer Inhalte zu verstehen.
 
In Schumanns Liedern tritt der Klavierpart selbstständig und charakteristisch, dabei ganz vom Dichterwort inspiriert, hervor. Neben vielen anderen finden Goethes und v. a. H. Heines und J. von Eichendorffs Gedichte hier eine adäquate Ausdeutung. In Schumanns Kammermusik mit Klavier besticht der Schwung großer Ideen bei stetem Willen zu satztechnisch dichter Ausformung. Seine Streichquartette tendieren zu einer nachklassisch innigen, intimen Lyrik. In der Sinfonik ist die krisenhafte Auseinandersetzung mit dem Vorbild Beethoven am deutlichsten spürbar. Dennoch bilden Schumanns vier Sinfonien prägende Beispiele der Gattung mit jeweils charakteristischen thematischen und formalen Gestaltungen. Auf dem Gebiet der Oper (»Genoveva«) und des Oratoriums (»Das Paradies und die Peri«) hat Schumann eigenständige Werke geschaffen, die zu Unrecht selten aufgeführt werden. Auch seine Chormusik ist reich an Formen und romantischen Ausdrucksschattierungen.
 
Bis 1842 war fast jedes Werk Schumanns ein neuer, genialer Wurf. Später wechseln weniger originelle, klassizistisch biedermeierliche Kompositionen mit wiederum hochbedeutenden ab. Geschichtlich waren Schumanns Stil und Haltung von bestimmendem Einfluss auf Brahms, im Lied u. a. auf H. Wolf, in der Klaviermusik auf die ganze weitere Entwicklung im späteren 19. Jahrhundert. Mit ihm beginnt die Trennung in eine eher traditionsgebundene (Schumann, Mendelssohn Bartholdy, Brahms) und eine sich als progressiv verstehende Kompositionsrichtung (neudeutsche Schule), deren Vertreter Schumann jedoch teilweise kannte und schätzte (z. B. F. Liszt). Schumann repräsentiert in seiner romantisch vielschichtigen Persönlichkeit und in seinem Bewusstsein, poetisch universales Streben mit seiner geschichtlich späten Stellung schwer in Einklang bringen zu können, einen neuen, modernen Künstlertyp. Seine Schriften, Zeugnisse einer ebenfalls typisch romantischen Doppelbegabung, sind bleibende Muster produktiver Musikkritik und selbstloser Anerkennung auch fremder, andersartiger Schaffenskonzeptionen.
 
Werke: Klaviermusik: Papillons Opus 2 (1829-32); Davidsbündlertänze Opus 6 (1837); Carnaval Opus 9 (1834/35); 1. Sonate fis-Moll Opus 11 (1833-35); Phantasiestücke Opus 12 (1837); Symphonische Etuden Opus 13 (1834-37); Kinderszenen Opus 15 (1838); Kreisleriana Opus 16 (1838); 2. Sonate g-Moll Opus 22 (1833-38); Album für die Jugend Opus 68 (1848).
 
Orchesterwerke: vier Sinfonien, 1. B-Dur Opus 38 (1841, »Frühlingssinfonie«), 2. C-Dur (1845/46), 3. Es-Dur Opus 97 (1850, »Rheinische Sinfonie«), 4. d-Moll Opus 120 (1851, 1. Fassung 1841); Ouvertüren, u. a. aus der Musik zu Lord Byrons dramatischem Gedicht »Manfred« Opus 115 (1848/49); Klavierkonzert a-Moll Opus 54 (1841-45); Cellokonzert a-Moll Opus 129 (1850).
 
Kammermusik: drei Streichquartette a-Moll, F-Dur, A-Dur Opus 41, 1-3 (1842); Klavierquintett Es-Dur Opus 44 (1842); Klavierquartett Es-Dur Opus 47 (1842); drei Klaviertrios, drei Violinsonaten.
 
Vokalwerke: Oper »Genoveva« Opus 81 (1847-49); weltliches Oratorium »Das Paradies und die Peri« Opus 50 (1841-43); Chormusik mit und ohne Begleitung; mehr als 300 Klavierlieder, darunter die Zyklen »Myrthen« Opus 25 (1840, verschiedene Dichter), »Liederkreis« Opus 39 (1840, Eichendorff); »Frauenliebe und -leben« Opus 42 (1840, Chamisso), »Dichterliebe« Opus 48 (1840, Heine).
 
Ausgaben: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker, herausgegeben von M. Kreisig, 2 Bände (1854, Nachdruck 1985); Werke, herausgegeben von C. Schumann u. a., 31 Bände (1881-93, Nachdruck 1967-69); R. Schumann in seinen Schriften und Briefen, herausgegeben von W. Boetticher (1942); Tagebücher, herausgegeben von G. Eismann u. a., 3 Bände (1971-87); Clara und R. Schumann: Briefwechsel, herausgegeben von E. Weissweiler, auf 3 Bände berechnet (1984 folgende); Neue Ausgabe sämtlicher Werke, herausgegeben von A. Mayeda u. a., auf 54 Bände berechnet (1991 folgende).
 
Literatur:
 
Gesamtdarstellungen:
 
W. Boetticher: R. S. Einf. in Persönlichkeit u. Werk (1941);
 P. u. W. Rehberg: R. S. (Neuausg. Zürich 1978);
 
R. S., hg. v. H.-K. Metzger u. a., 2 Bde. (1981-82);
 
R. S., Universalgeist der Romantik, hg. v. J. Alf u. a. (1981);
 A. Edler: R. S. u. seine Zeit (1982);
 K. Laux: R. S. (Leipzig 21982);
 P. Sutermeister: R. S. (1982);
 A. Boucourechliev: R. S. mit Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten (a. d. Frz., 181991);
 Barbara Meier: R. S. (1995).
 
Einzeluntersuchungen:
 
R. Steglich: R. S.s Kinderszenen (1949);
 
E. Leipold: Die romant. Polyphonie in der Klaviermusik R. S.s (Diss. Erlangen 1954);
 
A. Gebhardt: R. S. als Symphoniker (1968);
 
E. Lichtenhahn: Die Bedeutung des Dichterischen im Werk R. S.s (Diss. Basel 1974);
 
G. Probst: R. S.s Oratorien (1975);
 
W.-E. Oliver Jr.: R. S.s vergessene Oper »Genoveva« (1978);
 
D. Fischer-Dieskau: R. S. Wort u. Musik (1981);
 
G. Moore: Dichterliebe. Die Lieder u. Liederzyklen R. S.s (a. d. Engl., 1981);
 
A. Gerstmeier: Die Lieder S.s (1982);
 
R. Kapp: Studien zum Spätwerk S.s (1984);
 
R. S. - ein romant. Erbe in neuer Forschung, hg. v. der R. S.-Gesellschaft Düsseldorf (1984);
 
S.s Werke. Text u. Interpretation, hg. v. A. Mayeda u. a. (1987);
 
A. Herrmann: R. S. als Pädagoge in seiner Zeit (1997).

Universal-Lexikon. 2012.