Palästinẹnsische Befreiungsorganisation,
englisch Palestine Liberation Organization ['pæləstaɪn lɪbə'reɪʃn ɔːgənaɪ'zeɪʃn], Abkürzung PLO, am 28. 5./1. 6. 1964 in Kairo gegründeter politischer und militärischer Dachverband der für einen unabhängigen arabischen Staat Palästina kämpfenden arabischen Befreiungsbewegungen, seit 1969 von J. Arafat geführt (Hauptquartier seit 1994 in Gaza). Umfasst die meisten palästinensischen Flüchtlings- und Guerillaorganisationen; den Kern bildet seit 1968 (Beitritt zur PLO) die Al Fatah. Zu den radikalen Untergruppen gehört die Volksfront für die Befreiung Palästinas, englische Abkürzung PFLP, gegründet 1967, 1967 bis April 2000 geführt von G. Habasch, später weiter verzweigt. Seit der Gipfelkonferenz der Arabischen Liga in Rabat (26.-30. 10. 1974) von allen arabischen Staaten als einzige rechtmäßige Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannt, seit November 1974 bei der Generalversammlung der UNO (Beobachterstatus) zugelassen, wurde die PLO 1976 Vollmitglied der Arabischen Liga. Das oberste parlamentarische Organ der PLO ist der Palästinensische Nationalrat (englische Abkürzung PNC). Die »Regierung« stellt das Exekutivkomitee dar, dessen Vorsitz Arafat 1969 übernahm und seitdem innehat. Die Präambel der PLO-Charta von 1964 schrieb (seit 1968) die Beseitigung des Staates Israel und den Anspruch der Palästinenser auf das gesamte frühere Palästina fest; nach der Verzichtserklärung im Rahmen des Oslo-Friedensprozesses (September 1993) wurden diese Passagen am 25. 4. 1996 gestrichen (endgültig 1998 nach dem Wye-II-Abkommen).
Seit 1948/49 unternahmen palästinensisch-arabische Untergrundkämpfer (»Fedajin«) vom Gazastreifen und vom Westjordanland aus militärischen Operationen gegen Israel. Unter Führung von Ahmed Schukeiri (* 1908, ✝ 1980) konstituierte sich 1964 die PLO, gefördert v. a. vom ägyptischen Präsidenten G. Abd el-Nasser. Nach dem Sechstagekrieg vom Juni 1967, in dem einerseits Israel die restlichen Teile Palästinas besetzt hatte, andererseits auch deutlich wurde, dass die Befreiung Palästinas als gesamtarabische Aufgabe gescheitert war, verlegte die PLO ihr politisches und militärisches Schwergewicht nach Jordanien, entwickelte sich dort zu einem Staat im Staat und gewann ab 1968 unter der Führung des Vorsitzenden ihrer Mitgliedsorganisation Al-Fatah J. Arafat größeres politisches Eigengewicht im Nahostkonflikt. Kontroversen innerhalb der PLO stellten den Zusammenhalt immer wieder infrage. Nach der Vertreibung aus Jordanien (»Schwarzer September« 1970) verlagerte die PLO ihren organisatorischen Schwerpunkt nach Beirut; mit terroristischen Mitteln verschärfte sie ihre Aktivitäten auch über den arabischen Raum hinaus (Schwarzer September). Bis 1974 sah die PLO den bewaffneten Kampf um den eigenen Staat als eine primär palästinensische Aufgabe an. Eine Zäsur in dieser Politik stellt Arafats erste Rede vor der UN-Vollversammlung am 13. 11. 1974 dar, in der er eine neue Doppelstrategie vorstellte. Zu dieser Zeit hatte der Palästinensische Nationalrat die Möglichkeit einer Teilstaatenregelung ins Auge gefasst. Nachdem die PLO von Israel im Libanonfeldzug aus Beirut vertrieben worden war (Juni 1982), verlegte die PLO ihre Stützpunkte in acht arabische Länder und ihren Sitz nach Tunis (bis 1993/94). In der am 8. 12. 1987 begonnenen Intifada musste sie mit den in den besetzten Gebieten populäreren islamistischen Organisationen Hamas beziehungsweise Djihad Islami um die Führungsrolle konkurrieren. Dabei rief der Palästinensische Nationalrat am 15. 11. 1988 in Algier den Staat Palästina aus und erkannte indirekt das Existenzrecht Israels an. Dadurch verschärfte sich zwar in den besetzten Gebieten die Auseinandersetzung mit den islamistischen Gruppen, jedoch fand Arafat zugleich internationalen Zuspruch für den Gesinnungswandel der PLO. Sogar die USA empfahlen Israel danach, die PLO an Friedensgesprächen zu beteiligen, was jedoch von Israel weiterhin abgelehnt wurde. Arafats Parteinahme für S. Husain im 2. Golfkrieg 1991 führte zu seiner internationalen politischen Isolierung. Da auch die für die Exilorganisation lebensnotwendigen finanziellen Zuwendungen v. a. Saudi-Arabiens ausblieben, geriet die PLO an den Rand des Ruins. Um dem zu entgehen und sicherzustellen, dass die PLO die legitime Vertreterin der Interessen der Palästinenser sei, ließ sich die Führungsgruppe um Arafat 1993 auf den innerhalb wie außerhalb der PLO nicht unumstrittenen Ausgleich mit Israel ein.
Nach Geheimverhandlungen in Oslo kam es ab August/September 1993 zwischen Israel und der PLO zur gegenseitigen Anerkennung und am 13. 9. 1993 in Washington zur Annahme eines Rahmenplans zur langfristigen Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser (»Gaza-Jericho-Abkommen«). Am 12. 10. 1993 billigte der PLO-Zentralrat das Abkommen und ernannte Arafat zum Vorsitzenden der Palästinensischen (National-) Behörde, auch Autonomiebehörde genannt, in Gaza und Jericho (laut PLO-»Verfassung« vom Februar 1994 für die Übergangszeit bis 1999). Im Rahmen des Taba-Abkommens von 1995 konnte die PLO/Al-Fatah am 20. 1. 1996 bei den ersten Wahlen zum Palästinensischen (Autonomie- beziehungsweise Legislativ-)Rat in den Autonomiegebieten einen hohen Wahlsieg erringen (50 der 88 Sitze im Autonomierat); gleichzeitig wurde Arafat zum Präsidenten (»Rais«) der Palästinensischen (Autonomie- beziehungsweise Legislativ-)Behörde gewählt. Die ursprünglich für 1996 angesetzten Endstatusverhandlungen, die am 4. 5. 1999 zur Staatsproklamation führen sollten, waren von der israelischen Regierung unter B. Netanjahu nicht aufgenommen worden. Nach dem Regierungswechsel zu E. Barak am 17. 5. 1999 zeigte sich Israel wieder bereit, mit der PLO über den Endstatus zu verhandeln. Am 15. 2. 2000 kam es zum Abkommen der PLO mit dem Vatikan über ein international garantiertes Statut für Jerusalem. Anfang Juli 2000 ermächtigte der Zentralrat der PLO Arafat, nach einer Einigung mit Israel über ein Grundsatzabkommen die Proklamierung eines palästinensischen Staates im Gazastreifen und im Westjordanland am 13. 9. 2000 notfalls einseitig vorzunehmen. Diese einseitige Staatsproklamation unterblieb dann, um die auf dem Nahostgipfel in Camp David (11.-25. 7. 2000; Barak und Arafat, Vermittler: B. Clinton) nicht zustande gebrachte Einigung auf einen Endstatusvertrag nicht endgültig scheitern zu lassen. Eine neue einseitige Fristsetzung auf den November 2000 wurde aus demselben Grunde sowie wegen der Ende September ausgebrochenen zweiten beziehungsweise »Al-Aksa-Intifada« (Träger in der Anfangszeit v. a. Jugendliche der Al-Fatah: Tanzim-Milizen) wieder fallen gelassen. Nach der neuerlichen Eskalation ab Frühjahr 2001 erklärte Israel die PLO und die Palästinensische Autonomiebehörde Anfang Dezember 2001 als mitverantwortlich für den Terror. Am 13. 12. 2001 bezeichnete der israelische Ministerpräsident A. Scharon Arafat als »nicht mehr relevant« und setzte ihn unter Hausarrest. Anfang Januar 2002 verringerte die israelische Regierung Arafats Bewegungsfreiheit weiter, indem israelische Sicherheitskräfte seine Hubschrauber zerstörten und das Rollfeld des internationalen Flughafens von Gaza unbrauchbar machten. Hintergrund dieser weiteren Verschärfung war die Aufbringung des Frachters »Karine A«, die 50 Tonnen Waffen aus dem Iran nach Gaza bringen sollte (was Arafat bestritt).
Die Frage der Nachfolge Arafats an der Spitze der PLO ist offen. Es wird mit Machkämpfen zwischen Mitstreitern Arafats aus dem Exil, die heute wichtigte Ministerposten einnehmen (v. a. M. Abbas, genannt »Abu Mazen«), und jüngeren Führern der Tanzim-Milizen, die sich in der Intifada gesellschaftliches Ansehen erworben haben (v a. M. Barghouti; von Israel am 15. 4. 2002 verhaftet), gerechnet. Im Frühjahr 2002 wurde der EU von Israel vorgeworfen, mit einem erheblichen Teil ihrer an die Palästinensische Autonomiebehörde gehenden Fördergelder den gewaltsamen Widerstand der PLO gegen die israelische Besatzung mit finanziert zu haben.
Surviving the stalemate: Approaches to strengthening the Palestinian entity, hg. v. M. Asseburg u. V. Perthes (Baden-Baden 1998);
B. Rubin: The transformation of Palestinian politics. From revolution to state-building (Cambridge, Mass., u. a. 1999).
Universal-Lexikon. 2012.