Phöniki|en,
Phönizi|en, griechisch Phoinịke [»Purpurland«], lateinisch Phoenicia, im Altertum griechischer Name der historischen Landschaft an der syrisch-libanesisch-israelischen Mittelmeerküste etwa zwischen Latakia und Akko (Akkon). Mindestens seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. lebte hier eine semitischsprachige Bevölkerung, aus der nach den tief greifenden Veränderungen des Seevölkersturms (etwa 1200-1175 v. Chr.) die Phöniker (Phönizier) hervorgingen. Einige Wissenschaftler beziehen die Bezeichnung »phönikisch« auch auf die kanaanäischen Küstenstädte des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. Homer nannte die Phöniker Sidonier; sie selbst nannten sich Kanaanäer. Der Machtverfall Ägyptens und der vorderasiatischen Großreiche nach 1200 führte seit etwa 1100 zum Erstarken der zahlreichen assyrischen und phönikischen Stadtstaaten, von denen zunächst Byblos im Vordergrund stand; es wurde jedoch von Tyros und Sidon verdrängt. Die Phöniker gründeten Handelskolonien an den Mittelmeerküsten, besonders auf Zypern (Kition, heute Larnaka), Sizilien (z. B. Panormus, heute Palermo), Malta und Sardinien, in Südspanien (z. B. Gadir, heute Cádiz) und Nordafrika (z. B. Hippo Regius, heute Annaba; Utica, Karthago), wo sie als Punier (lateinisch Poeni) zur vorherrschenden Handelsmacht im westlichen Mittelmeer aufstiegen (Karthago). Die phönikischen Kolonien standen in wachsender Rivalität zu den nachfolgenden ionisch-griechischen Kolonien. Hauptausfuhrgüter waren Bauhölzer aus dem Libanongebirge und Purpurstoffe, ferner kunstgewerbliche Erzeugnisse aus Metall und Glas.
Wichtigste phönikische Städte waren neben Byblos, Sidon und Tyros (von Norden nach Süden) Arados (Arwad, heute Ruwad bei Tartus, Syrien) mit dem Hafen Karne sowie Tripolis, Berytos (Beirut) und Akko. Unter ihnen errang Tyros (phönikisch Sor) die Vorherrschaft, die es bis zur Dynastie König Ittobaals I. (887-856 v. Chr.) behauptete. Im 10. Jahrhundert unterhielt Hiram (um 969-936 v. Chr.) von Tyros enge Beziehungen zu König Salomo. Seit etwa 875 v. Chr. waren die phönikischen Stadtstaaten dem militärischen Druck Assyriens ausgesetzt, der sie zu hohen Tributzahlungen zwang. Auf die Vorherrschaft der Assyrer folgte die der Babylonier (dreizehnjährige Belagerung von Tyros durch Nebukadnezar II.) und der Perser, jeweils unter Fortbestand der stadtstaatlichen Strukturen unter einheimischen Dynastien (zum Teil oligarchisch organisiert). Neben den kleinasiatischen Griechen stellten die Phöniker den Hauptteil der persischen Flotte. Erst nach der Teilnahme am ägyptischen Aufstand gegen Artaxerxes III. wurde Sidon, das damals Tyros überflügelt hatte, zerstört (343 v. Chr.). Tyros erhielt damit wieder seine Vormachtstellung, bis es 332 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert wurde. Nach Alexanders Tod war das Land zwischen Ptolemäern und Seleukiden umstritten und verlor stark an Bedeutung. Mit ganz Syrien wurde es 64/63 v. Chr. von Pompeius dem Römischen Reich einverleibt.
L'espansione fenicia nel Mediterraneo, bearb. v. F. Barreca u. a. (Rom 1971);
S. Moscati: Die Phöniker (a. d. Ital., Neuausg. 1975);
A. Parrot u. a.: Die Phönizier (a. d. Frz., 1977);
H. G. Niemeyer: Das frühe Karthago u. die phöniz. Expansion im Mittelmeerraum (1989).
Weitere Literatur: phönikische Kunst.
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Phöniker: Ein Volk von Händlern
Karthago: Von der Kolonie zur Weltmacht
Altertum: Kulturelle Beziehungen
phönikische Buchstabenschrift: Mutter des Alphabets
phönikische Kultur: Kunstwerke und Kulturtechnik - Spuren der Phöniker im Mittelmeerraum
Tyros: Vorort der Phöniker
Universal-Lexikon. 2012.