Mịt|tel|meer|raum 〈m. 1u; unz.〉 das Gebiet des Mittelmeers (II) ● ein Badeurlaub im \Mittelmeerraum
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Mịt|tel|meer|raum, der <Pl. selten>:
[Kultur]raum um das Mittelmeer.
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Mịttelmeer|raum,
Mịttelmeergebiet, Mediterraneis, Mediterrane|um, zusammenfassende Bezeichnung für das Mittelmeer und die dieses umgebenden Länder (Mittelmeerländer), deren wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen seit der Frühzeit den Mittelmeerraum zu einem wichtigen politischen Faktor machten.
Das mediterrane Florengebiet ist eine gut abgegrenzte und artenreiche Region innerhalb der Holarktis. Kennzeichnend sind immergrüne Hartlaubgehölze, die ursprünglich bestandbildend waren. Die Steineiche (Quercus ilex) ist zirkummediterran verbreitet, im Westen dominiert die Korkeiche (Quercus suber), im Osten die Kermeseiche (Quercus coccifera). Das Relief bringt eine deutliche Vertikalgliederung der Vegetation mit sich. In mittleren Höhenlagen sind sommergrüne Arten (z. B. Flaumeiche, Quercus pubescens, und Edelkastanie, Castanea sativa) vorherrschend. In höheren Bereichen treten extrazonal die Rotbuche (Fagus sylvatica) und eine Reihe von Nadelgehölzen auf. Der Mittelmeerraum wird seit Jahrtausenden durch den Menschen beeinflusst, was zu einer tief greifenden Veränderung der ursprünglichen Vegetation geführt hat. Nur an wenigen schwer zugänglichen oder für die Bodennutzung unbrauchbaren Stellen haben sich Reste des einstigen Waldes halten können. An die Stelle des Waldes ist die Macchie getreten; diese ging durch die permanente Flächennutzung in weitere Degradationsstadien (z. B. die überaus artenreiche Garigue) über.
Die Tierwelt der Mittelmeerländer bildet als mediterrane Subregion einen Teil der Paläarktis. Es überwiegen zwar die europäischen Faunenelemente, doch gibt es auch zahlreiche äthiopische und orientalische Einflüsse (Magot als einziger Affe auf Gibraltar und in Marokko; Ginsterkatze, Mungo, Schakal, Stachelschwein, Stachelmaus, Agame) sowie endemische Formen (z. B. Schmetterlinge, Käfer, Kriechtiere). Wegen der weitgehenden Waldzerstörung überwiegen Wärme und Trockenheit liebende Arten (viele Schlangen, Eidechsen, Geckos, Spinnen, Skorpione, Heuschrecken, Hautflügler); der v. a. aus Kalk bestehende Untergrund begünstigt Kalk liebende Schnecken. Von Bedeutung ist der Mittelmeerraum für die durchziehenden und überwinternden Zugvögel aus Mittel- und Nordeuropa.
Der Mittelmeerraum war wegen seiner günstigen klimatischen Verhältnisse während des ganzen Eiszeitalters bewohnbar. Aus Kieseln geschlagene Werkzeuge (Geröllgeräte) sind die ältesten archäologischen Spuren des Menschen. In Ain Hanech (Algerien) und in der Höhle Vallonet (Frankreich) wurden sie in stratigraphisch gesicherter Lagerung angetroffen. Die bei Ternifine (Algerien) entdeckten menschliche Schädelreste können nach den Begleitfunden dem älteren Acheuléen zugeordnet werden. Wie das Acheuléen, so bildet auch das Moustérien eine zirkummediterrane Kultur der Altsteinzeit. Die meisten Funde von Skelettresten des Neandertalers sind im Mittelmeerraum gemacht worden (Iberische Halbinsel, Palästina). Regionale Varianten des Moustérien sind das Atérien (Nordafrika) und das Pontinien (Italien). Um 30 000 v. Chr. verbreiteten sich jungpaläolitische Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Varianten des Aurignacien über den Mittelmeerraum.
Die Mittelsteinzeit stand in Nordafrika, auf der Pyrenäenhalbinsel und auf Sizilien im Zeichen des Capsien. Eine Felsbildprovinz (Jagd-, Gruppendarstellungen), die bis in die Jungsteinzeit fortbestand, umfasste Ostspanien und Nordafrika. Gleichzeitig blühte in Palästina das mittelsteinzeitliche Natufien, das aber in Wirtschaft, Technologie und geistesgeschichtliche Entwicklung so fortschrittliche Züge aufweist, dass es als eine der Ursprungszellen jungsteinzeitliche Kultur bezeichnet werden darf (Jericho).
Im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds sind die ältesten Kulturen der Jungsteinzeit nachzuweisen. Sie griffen, zunächst noch ohne Keramik, relativ schnell nach Westen aus und erfassten Kleinasien, Zypern, Kreta, Griechenland und Makedonien. Bald folgte, wohl von Anatolien aus, eine Welle bemaltkeramischer Kultur (Protosesklo, daraus hervorgegangen die Sesklokultur) und das zirkummediterrane Frühneolithikum mit Impressokeramik, das von Syrien aus bis Marokko und Italien (Stentinellokultur) vordrang. Die Balkanhalbinsel entwickelte sich zu einem Durchgangsland der vorderasiatischen Kulturtrift, das Kulturerscheinungen der Jungsteinzeit bis Mitteleuropa vermittelte. Die mittlere und späte Jungsteinzeit stand hier wie auch in Griechenland und der Ägäis unter dem Eindruck des »Metallschocks«, was sich archäologisch u. a. in Funden schwarz polierter, scharf profilierter Keramik in Nachahmung von Kupfer/Bronze-, Gold- oder Silbergefäßen fassen lässt. Im westlichen Mittelmeerraum bildete sich ein eigenes Kulturgebiet, gekennzeichnet durch die Verbreitung der Megalithkultur und der Glockenbecherkultur. Auf Malta entwickelte sich eine durch Tempelbauten geprägte besondere megalithische Kultur. In Italien trafen sich balkanische mit westlichen Elementen (in der süditalienisch-apulischen Molfettakultur bemalte Keramik, in Ostitalien schwarz polierte Ware, im Westen und Norden hingegen die »westische« Lagozzakultur).
Die späte Jungsteinzeit ist im östlichen Mittelmeerraum eine Übergangsstufe zu den Reichsbildungen der frühen Bronzezeit im Fruchtbaren Halbmond und in Ägypten, denen auch eine bedeutende Rolle zukam bei der kulturellen Entwicklung im ägäischen Raum: auf den Kykladen, auf Kreta, in der Argolis (Lerna) und an der anatolischen Küste (Troja). Es handelt sich um schriftlose Stadtkultur oft kleiner Zentren. Um 2000 v. Chr. wurde der östliche Mittelmeerraum durch Einwanderungswellen wohl indogermanischer Menschengruppen erschüttert, doch bestand in Vorderasien die Stadtkultur fort, und nach vorübergehendem Niedergang bildete sich in Kleinasien die hethitische Kultur. Auf Kreta erblühte die minoische Kultur. Der westliche Mittelmeerraum verblieb auf vorgeschichtlicher Kulturstufe. Die Stadtkultur von Los Millares (Los-Millares-Kultur) u. a. Plätzen blieb ohne Nachfolge. Von der Pyrenäenhalbinsel drang die Glockenbecherkultur nach Westeuropa, aber auch über die Balearen, Korsika und Sardinien nach Italien (Remedello) vor. Während der späten Bronzezeit verlagerte sich der Schwerpunkt im ägäischen Raum zum griechischen Festland (Mykene); Handelsbeziehungen erfassten das westliche Kleinasien, Italien und den östlichen Mittelmeerraum. Zypern behielt erst eine Eigenentwicklung (in Anlehnung an Syrien und Ägypten) bei, geriet in spätmyken. Zeit aber unter mykenischer Herrschaft. Um 1200 v. Chr. brach nach traditioneller Auffassung die Unruhezeit der ägäischen Wanderung über den Mittelmeerraum herein. Die Seevölker vernichteten bis auf Ägypten alle Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeerraums. Der westliche Mittelmeerraum war kaum betroffen.
In Italien bestanden bronzezeitliche Kulturen bis um die Jahrtausendwende fort, gefolgt von der eisenzeitlichen Villanovakultur. Im Gefolge der dorischen Wanderung bildete sich seit etwa 1000 v. Chr. die griechische Kultur heraus, die vom 8. Jahrhundert v. Chr. an durch Koloniegründungen in alle Teile des Mittelmeerraums getragen wurde. In Italien trat die Stadtkultur der Etrusker in Erscheinung, in Nordafrika die phönikische Kolonie Karthago.
Beitr. zur Kulturgeographie der Mittelmeerländer, 4 Bde. (1970-81);
F. K. Kienitz: Das Mittelmeer. Schauplatz der Weltgesch.. .. (1976);
Dieter Müller: Wo Europas Wiege stand. Ein Streifzug durch die Kulturgesch. des östl. Mittelmeeres (1992);
F. Braudel u. a.: Die Welt des Mittelmeeres. Zur Gesch. u. Geographie kultureller Lebensformen (a. d. Frz., Neuausg. 11.-12. Tsd. 1993).
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Mịt|tel|meer|raum, der <o. Pl.>: [Kultur]raum um das Mittelmeer.
Universal-Lexikon. 2012.