Akademik

tertiär
aus drei bestehend

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ter|ti|är 〈[ -tsjɛ:r] Adj.〉
1. die dritte Stelle in einer Reihe einnehmend
2. 〈Geol.〉 zum Tertiär gehörig
3. 〈Chem.〉 mit drei weiteren Kohlenstoffatomen verbunden (für Kohlen- od. Stickstoffatome bzw. für von diesen abgeleitete Verbindungen)
[<frz. tertiaire „von einer dritten Epoche herrührend“ <lat. tertius „der dritte“]

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ter|ti|är [gleichbed. frz. tertiaire (lat. tertiarius = das Drittel enthaltend u. tertius = der Dritte)]:
1) im allg. u. wissenschaftlichen Sprachgebrauch Adjektiv u. Bestimmungswort von Zus. mit den Bed. »die dritte Stelle einer Reihe einnehmend, drittrangig«, z. B. Tertiärstadium, Tertiärstruktur, Tertiärzeitalter (Tertiär);
2) in der Chemie Funktionsadjektiv (Abk.: tert.) mit der Bed. »dritte[r/s], an drei gebunden, zu dritt« zur Bezeichnung bestimmter Verbindungsklassen oder Gruppen, z. B. sind tert. Phosphate Salze, in denen alle drei H-Atome der Phosphorsäure durch Metallatome ersetzt sind. Tertiäre Kohlenstoff- oder Stickstoff-Atome sind solche, die mit drei C-Atomen jeweils durch eine Einfachbindung verbunden sind (z. B. (H3C)3CH, N(CH3)3); auch das H-Atom in dem ersterwähnten Kohlenwasserstoff nennt man tertiär (vgl. tert-). In tert. Alkoholen oder Aminen sind die funktionellen Gruppen jeweils an das tertiäre C-Atom gebunden (z. B. (H3C)3C—OH, R1R2R3C—NH2); es sei darauf hingewiesen, dass auch eine Verb. wie R3N (Trialkylamin) als tertiäres Amin bezeichnet wird. Vgl. primär, sekundär.

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ter|ti|är <Adj.>:
1. [frz. tertiaire < lat. tertiarius = das Drittel enthaltend, zu: tertius, Tertia] (bildungsspr.)
a) die dritte Stelle in einer Reihe einnehmend;
b) drittrangig.
2. [zu Tertiär] (Geol.) das Tertiär betreffend.

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Tertiär
 
das, -s, Geologie: ältere Periode des Känozoikums; von der unterlagernden Kreide meist durch Schichtlücken und Fazieswechsel sowie auffällige Faunenschnitte, vom überlagernden Quartär v. a. paläoklimatisch abgegrenzt. Stratigraphisch wichtig sind Mikrofossilien (Nannoplankton, Foraminiferen, Pollen, Sporen), Weichtiere und Wirbeltiere.
 
Paläogeographie:
 
Im Tertiär entstand weitgehend das heutige Erdbild; Pole und Kontinente näherten sich ihrer heutigen Lage. Die alpinen orogenen und außeralpinen epirogenen Bewegungen des Tertiärs prägen heute die mitteleuropäische Landschaft. In der Tethys, die noch zu Beginn des Tertiärs Eurasien von Afrika (einschließlich Arabien und Vorderindien) als breiter Meeresraum trennte, kam es zu intensiver Tektonik, in deren Verlauf die alpidischen Gebirge entstanden, deren Kernzonen sich bereits in der Kreide gebildet hatten, in Afrika (Atlas), in Eurasien (Pyrenäen, Alpen, Apenninen, Karpaten, Kaukasus, Himalaja u. a.) und an der Westküste Amerikas (Kordilleren). Ihre Vortiefen wurden mit Abtragsschutt (Flysch, Molasse) gefüllt und den entstehenden Gebirgen angefaltet. Auf den Festländern transgredierte das Meer und hinterließ Flachmeerablagerungen (z. B. Londoner, Pariser, Belgisches, Wiener und Mainzer Becken, Oberrheingraben). Durch Sea-Floor-Spreading und Kontinentalverschiebung verbreiterten sich der Atlantische, Indische und Pazifische Ozean, während die Tethys weitgehend verschwand, bis auf das Mittelmeer, das aber zeitweise abgeschlossen wurde und austrocknete (Ende Miozän). Große Grabensysteme bildeten sich (v. a. Ostafrikanisches Grabensystem, Oberrhein-Rhône-Graben, Baikalgraben), Ansatzstellen für die Aufspaltung kontinentaler Platten (v. a. Rotes Meer). Die Erdkrustenbewegungen hatten starken Vulkanismus im Gefolge mit riesigen Basaltergüssen (Flutbasalte) auf den konsolidierten Schollen und Ozeanböden (z. B. Mittelatlantischer Rücken, Island); junge Granite intrudierten in den Geosynklinalen.
 
Die Horstschollen der deutschen Mittelgebirge wurden gehoben, und die Salzstöcke Norddeutschlands setzten ihren Aufstieg fort. Im Oberrheingraben kam es zwischen Schwarzwald/Odenwald und Vogesen zu den Hauptbewegungen. Höhepunkt der vulkanischen Tätigkeit (u. a. Vogelsberg) war im Miozän, in dem auch die Meteoritenkrater Ries und Steinheimer Becken entstanden. Norddeutschland war im Alttertiär weitgehend vom Meer bedeckt. Nur kurzfristig bestand im tieferen Oligozän eine Meeresstraße zwischen der damaligen Nordsee und dem alpinen Molassemeer über die Hessische Senke und den Oberrheingraben (Stein- und Kalisalzablagerungen). Dann setzte in Norddeutschland die Regression ein. Sie beschleunigte sich im Obermiozän, und im Pliozän zog sich das Meer auch aus dem Raum der Nordfriesischen Inseln zurück. Nach dem untermiozänen Meeresvorstoß (Klifflinie in der Schwäbischen Alb) nahm die Regression im nördlichen Alpenvorland im Westen ihren Ausgangspunkt; das Wiener Becken begann mit Ende des oberen Miozän zu verbracken, süßte während des Pont aus und verlandete schließlich.
 
Tier- und Pflanzenwelt weisen gegenüber der Kreidezeit große Unterschiede auf. Die weltbeherrschenden Gruppen der Ammoniten, Belemniten und v. a. Saurier gingen durch ein katastrophales Ereignis am Ende des Mesozoikums zugrunde (Dinosaurier).
 
Flora:
 
Die Nacktsamer hatten den Höhepunkt ihrer Entwicklung hinter sich, waren aber als Waldbildner noch von Bedeutung. Aus dem Harz der unteroligozänen Bernsteinkiefer entstand der Bernstein der Ostseeküste. Die Bedecktsamigen kamen in allen Kontinenten zur vollen Entfaltung, vielleicht bedingt durch die Entfaltung der Insekten und Vögel (Bestäubung, Verfrachtung von Samen). Bis ins Miozän waren in Mitteleuropa Maulbeerbaumgewächse, Magnolien, Lorbeergewächse und Palmen (im Paläozän noch bis Nordgrönland) verbreitet, daneben zunehmend Weiden-, Birken-, Buchengewächse sowie Nussbäume, Ulmen und Ahorne. Infolge der fortschreitenden Temperaturerniedrigung zogen sich seit dem Miozän die Wärme liebenden Pflanzen Mitteleuropas in südlichere Breiten zurück. In limnischen Senkungsgebieten oder in randlichen Meeresbuchten führte das üppige Pflanzenwachstum (Sumpfwälder, Busch- und Riedmoore; u. a. mit Sumpfzypresse und Mammutbaum, auch Nadelhölzer) über das Torfstadium zur Kohlebildung (Eozän bis Miozän), wobei Flözmächtigkeiten von 10 bis 20 m häufig sind (überwiegend Braunkohle, daher Tertiär als Braunkohlezeit bezeichnet; aber auch Steinkohle). Gelegentlich werden die Flöze auch 100 m mächtig (Mitteldeutschland, Niederrheinische Bucht).
 
Fauna:
 
Im Alttertiär enwickelten sich die Großforaminiferen (Nummuliten, Alveolinen u. a.) zu wichtigen Leitfossilien. Die Kieselschwämme wanderten in größere Meerestiefen ab. Formenreich und riffbildend waren Korallen und Moostierchen. Die noch in der Kreide häufigen Armfüßer wurden selten. Unter den Krebsen eroberten die Krabben fast alle Lebensgebiete des Meeres. Insektenfunde im baltischen Bernstein, im Geiseltal bei Halle (Saale) (hier wurden außerdem ähnlich wie in Messel Weichteilzellgewebe einer artenreichen eozänen Fauna und Flora konserviert) und in Mergeln bei Öhningen am Bodensee beweisen einen großen Formenreichtum. Schnecken und Muscheln entwickelten neue Formen, ihr zunehmender Bestand an lebenden Arten erschwert die biostratigraphische Gliederung. Die Existenz von Knorpelfischen ist v. a. durch Funde von Haifischzähnen belegt. Die Knochenfische wiesen alle wichtigen heute noch lebenden Gruppen auf. Reste von Amphibien (Fröschen und Salamandern) sind selten erhalten, häufiger die von Reptilien (Schildkröten und Krokodilen). Die vorherrschenden Gruppen der Vögel entwickelten sich bereits im Alttertiär. Nach dem Untergang der Saurier besetzten die Säugetiere deren Lebensräume und erhielten einen Entwicklungsschub. Im Eozän traten die ersten Halb-, im Miozän die ersten Menschenaffen (beide auch in Europa) und gegen Ende des Tertiärs die ersten Australopithecinen auf (nur in Afrika). Wichtig für die Entwicklung und Verbreitung von Landwirbeltieren waren neben Kontinentalverschiebungen auch Landbrücken beziehungsweise Unterbrechungen zwischen den Kontinenten, z. B. im Bereich des Beringmeers oder Zentralamerikas oder die Thule-Landbrücke zwischen Grönland und Nordwesteuropa, andererseits die frühe Isolierung Australiens (seit Ende der Kreide) oder die zeitweise Südamerikas.
 
Das Klima des Tertiärs lässt sich infolge der noch heute vorhandenen Lebewelt (»Klimazeugen«: Wärme liebende Tiere und Pflanzen) verhältnismäßig gut rekonstruieren. Nach der etwas kühleren Epoche im Paläozän erreichte das tropische Klima im Mitteleozän seinen Höhepunkt. Der tropische Gürtel reichte vom Pariser Becken bis ins südliche Afrika und von Japan bis Neuseeland. Im Oligozän begann die Abkühlung; Ende des Miozäns verschwanden die Palmen aus Mitteldeutschland, die Nordgrenze der Riffkorallen wich gegen den Äquator zurück. Paläotemperatur-Bestimmungen nach der Sauerstoffisotopen-Methode ergeben eine Temperatursenkung zum Ende des Tertiärs hin um etwa 10 ºC. Gleichzeitig wurden die jahreszeitlichen Klimaschwankungen immer deutlicher (Jahresringe der Holzgewächse). Im Oligozän setzte die Vergletscherung der Antarktis, im Pliozän die Grönlands ein.
 
Literatur:
 
T., bearb. v. A. Papp u. a., 2 Bde. (1959);
 A. M. Davies u. F. E. Eames: Tertiary faunas, 2 Bde. (Neuausg. London 1971-75);
 C. Pomerol: The Cenozoic era. Tertiary and quaternary (a. d. Frz., Chichester 1982);
 
Nordwest-Dtl. im T., hg. v. H. Tobien (1986);
 D. H. Mai: Tertiäre Vegetationsgesch. Europas (1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Evolution: Die Entwicklung der Säugetiere
 

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Ter|ti|är, das; -s [eigtl. = die dritte (Formation), nach der älteren Zählung des Paläozoikums als Primär] (Geol.): ältere Formation des Känozoikums.

Universal-Lexikon. 2012.