Akademik

therapeutisches Klonen
therapeutisches Klonen,
 
Erzeugen individueller menschlicher Zellen beziehungsweise Gewebe und deren Klonierung (identische Vervielfältigung) in vitro (d. h. im Labor, außerhalb des menschlichen Körpers) zur Unterstützung oder zum Ersatz unzureichend arbeitender Organe eines Patienten. Für die Entwicklung spezialisierter Zellen in vitro werden zum therapeutischen Klonen undifferenzierte (unspezialisierte) Zellen, so genannte embryonale Stammzellen, benötigt. Embryonale Stammzellen sind in adulten (erwachsenen) Organismen nicht mehr vorhanden. Voraussetzung für die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus dem erwachsenen Organismus ist, dass sich in jedem Zellkern einer menschlichen Zelle alle Erbinformationen befinden, die den Gesamtorganismus definieren. Die Informationseinheiten sind in DNA-Molekülen verschlüsselt niedergelegt und werden als Gene bezeichnet. In den verschiedenen Zellarten des erwachsenen Körpers sind jedoch nur die Gene aktiv, d. h., es werden nur die Informationen umgesetzt, die für die entsprechenden Funktionen der Zelle von Bedeutung sind. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen unterscheidet man 200 bis 300 verschiedene Zelltypen innerhalb eines humanen Organismus (z. B. Haut-, Leber-, Nervenzellen). Welches genetische Programm eine Zelle prägt, wird durch so genannte Entwicklungskontrollgene gesteuert, deren molekulare Wirkungsweise zurzeit nur teilweise bekannt ist.
 
Für das therapeutische Klonen werden Stammzellen benötigt. Deren genetisches Programm ist noch nicht festgelegt, sodass noch alle vorhandenen Erbinformationen zugänglich sind. Die Erzeugung dieser embryonalen Stammzellen für einen Patienten erfolgt durch Kerntransfer. Hierbei wird ein isolierter Zellkern des Patienten in eine Spender-Eizelle eingebracht, deren eigentlicher Zellkern zuvor entfernt wurde. Die neue Umgebung der entkernten Eizelle ist nun in der Lage, den eingebrachten, differenzierten Zellkern zu »entdifferenzieren«, während sich die Zelle zu teilen beginnt und somit ein »Klon« entsteht. Wird dieser Klon in vitro kultiviert, entsteht durch die weitere Embryonalentwicklung die so genannte Blastozyste. Aus dem Inneren dieses kugeligen Gebildes können nun Zellen isoliert werden, die man als embryonale Stammzellen bezeichnet. Embryonale Stammzellen sind pluri- beziehungsweise multipotent. Dies bedeutet, dass sie die Fähigkeit besitzen, sich in alle erdenklichen spezialisierten Zelltypen eines Organismus (beispielsweise Haut-, Muskel-, Nervenzellen) zu differenzieren (auszureifen).
 
Durch zielgerichtete Differenzierung von embryonalen Stammzellen des Patienten in vitro sollen nun die zu ersetzenden Zellen oder Gewebe gewonnen und anschließend transplantiert werden. Da diese Zellen hinsichtlich der Grundstruktur ihres Erbgutes mit der des Transplantationsempfängers identisch sind, ist mit keiner immunologischen Abstoßungsreaktion zu rechnen. Demnach wäre eine medikamentöse Versorgung des Patienten, die nach einer Transplantation die Abstoßung im Empfängerorganismus verhindern soll, nicht mehr notwendig.
 
Ein weiteres Problem der Transplantationsmedizin ist ein Mangel an transplantierbaren Spenderorganen. Die beschriebene Methode des therapeutischen Klonens verspricht diesen Organmangel, der durch eine nicht ausreichende Anzahl von Fremdspendern hervorgerufen wird, zu kompensieren.
 
Wegen des Eingriffs in die Entwicklung des Embryos zur Stammzellengewinnung wird das therapeutische Klonen in Bezug auf ethische Fragestellungen gegenwärtig sehr kontrovers diskutiert. Das in Deutschland geltende Embryonenschutzgesetz verbietet eine derartige »Embryonen verbrauchende« Forschung an menschlichen Zellen. Auch die Hormonbehandlung einer Frau zur Gewinnung reifer Eizellen für das therapeutische Klonen ist verboten. Über die sich aus einer Nutzung überzähliger humaner Eizellen, die während der erlaubten In-vitro-Fertilisation (Kinderwunschbehandlung) entstehen, ergebenden Möglichkeiten wird noch nachgedacht.
 
Ein weiterer Ansatz in diesem Zusammenhang könnte die Verwendung von Eizellen anderer Spezies sein. Hier sind die Wechselwirkungen zwischen dem Zytoplasma der Eizelle und dem Erbgut des Patienten jedoch zurzeit noch nicht absehbar. Innerhalb der Artengrenze (Spezies) ist es bereits schottischen Wissenschaftlern bei Schafen und einer japanischen Arbeitsgruppe bei Schweinen gelungen, durch Transfer eines Zellkerns in eine Eizelle derselben Art Klone (d. h. genetisch identische Tiere) des Zellkernspenders zu erzeugen.
 
Im November 2001 klonten amerikanische Wissenschaftler des Biotech-Unternehmens Avanced Cell Technology (ACT) in Worcester (Massachusetts) erstmals einen menschlichen Embryo. In Deutschland ist die Nachricht von diesen Klonversuchen auf breite Ablehnung gestoßen.
 
Welche mögliche Bedeutung das therapeutische Klonen in der Humanmedizin aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage und weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse bekommen wird, ist gegenwärtig unklar.

Universal-Lexikon. 2012.