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Zola
Zola
 
[zo'la], Émile, französischer Schriftsteller, * Paris 2. 4. 1840, ✝ ebenda 29. 9. 1902; seit 1866 freier Journalist und Schriftsteller; engagierte sich als Kunstkritiker für den Impressionismus in der Malerei (»Mon salon«, 1866; deutsch »Schriften zur Kunst«). Mit dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 ging er nach Marseille, dann nach Bordeaux, wo er Parlamentsberichterstatter war, 1871 kehrte er nach Paris zurück. Der einflussreiche Autor war Mittelpunkt eines Kreises, zu dem auch J. K. Huysmans und G. de Maupassant gehörten und der in Zolas Landhaus in Médan zusammenkam. In das öffentliche Leben Frankreichs griff Zola entscheidend ein durch seine leidenschaftliche Stellungnahme in der Dreyfusaffäre mit dem offenen Brief »J'accuse« an den Präsidenten der Republik (abgedruckt in der Zeitung »L'Aurore« am 13. 1. 1898); um sich der Verhaftung zu entziehen, lebte er von Juli 1898 bis Juni 1899 im Exil in England.
 
Zolas Frühwerk steht in der Nachfolge der Romantik (V. Hugo, A. de Musset), beinhaltet aber bereits wesentliche Positionen des späteren naturalistischen Literaturkonzepts (v. a. »Les contes à Ninon«, 1864; deutsch »Erzählungen an Ninon«, Novellenzyklus; »La confession de Claude«, 1865; deutsch u. a. als »Die Beichte eines Knaben«, ein bekenntnishafter Briefroman; »Les mystères de Marseille«, 3 Bände, 1867; deutsch »Die Geheimnisse von Marseille«, 2 Bände, Roman). Die theoretischen Auseinandersetzung mit der neuen Ästhetik findet sich bereits in den Essays des Bandes »Mes haines« (1866; deutsch »Was ich nicht leiden mag«), als ihr erstes Manifest gilt die Vorrede zur 2. Auflage von Zolas Roman »Thérèse Raquin« (1868; 1. Auflage 1867; deutsch).
 
Zolas Hauptwerk, der zwanzigbändige Romanzyklus »Les Rougon-Macquart« (1871-93; deutsch »Die Rougon-Macquart«), ist das wichtigste Zeugnis des europäischen Naturalismus; seine theoretischen Grundlegungen sind in dem Essayband »Le roman expérimental« (1880; deutsch »Der Experimentalroman«) zusammengefasst. Gemäß der Milieutheorie H. Taines und der Experimentalmedizin C. Bernards ist Literatur für Zola ein Experiment, das durch genaueste Beobachtung und Beschreibung lückenlos die ursächlichen Zusammenhänge des determinierten menschlichen Daseins beweisen muss. Dem Schriftsteller bleiben jedoch Stoffauswahl und -anordnung vorbehalten (»Kunst ist ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament«). Demzufolge weist der Romanzyklus bereits in seinem Untertitel »Histoire naturelle et sociale d'une famille sous le second Empire« (deutsch »Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem 2. Kaiserreich«) auf die wissenschaftliche Intention des Werkes hin. Zola verfolgt das Schicksal der Familien Rougon, Macquart und Mouret über fünf Generationen hinweg und stellt auf diese Weise die Einflüsse von Milieu und (kranker) Erbmasse auf menschliches Leben dar. Zugleich entsteht ein breit gefächertes, die verschiedensten Schichten und Berufsgruppen umfassendes Fresko des Zweiten Kaiserreiches, dessen Details genauestens recherchiert sind. Der Zyklus beginnt mit »La fortune des Rougon« (1870; deutsch »Das Glück der Familie Rougon«), wo Zola mit künstlerischer Meisterschaft die Verquickung von politischer mit Familiengeschichte darstellt. Beispielhaft für die naturalistische Ästhetik sind besonders »L'assommoir« (1877; deutsch u. a. »Der Totschläger«), die Beschreibung der unwürdigen Lebensverhältnisse des Proletariats in den Elendsvierteln von Paris und des deterministischen Wirkens von Erbmasse und Milieu sowie »Germinal« (1885; deutsch), wo Zola das Milieu der Bergarbeiter und ihrer Familien (in einem Kohlenrevier in Nordfrankreich) zusammen mit dem Prozess ihrer politischen Bewusstwerdung schildert. Dabei geht er weit über die naturalistische Reportage hinaus: Das Bergwerk erscheint als das Schattenreich eines Mythos der Moderne. Weitere besonders bekannte Romane des schon beim zeitgenössischen Publikum erfolgreichen Zyklus sind »Nana« (1880; deutsch, 2 Bände) und »La débâcle« (1892; deutsch »Der Zusammenbruch«, 3 Bände). Eine eher idealistisch-optimistische Einstellung zeigt die Romantrilogie »Les trois villes« (deutsch »Die drei Städte«): »Lourdes« (1894; deutsch, 3 Bände), »Rome« (1896; deutsch »Rom«, 3 Bände), »Paris« (1898; deutsch, 3 Bände). Auch in seinem hochsymbolischen Spätwerk »Les quatre évangiles« (deutsch »Die vier Evangelien«): »Fécondité« (1899; deutsch »Fruchtbarkeit«, 2 Bände), »Travail« (1901; deutsch »Arbeit«, 2 Bände), »Vérité« (1903; deutsch »Wahrheit«, 2 Bände), »Justice« (unvollendet, herausgegeben 1927) reflektiert Zola ausführlich über die soziale Misere des vierten Standes, propagiert aber nun sozialutopische Heilsbotschaften (anknüpfend an C. Fourier); erneut wird naturalistische Wirklichkeitsbeschreibung in einen engen Zusammenhang mit symbolischer Wirklichkeitsgestaltung gerückt.
 
Zola, einer der meistgelesenen französischen Schriftsteller, erschloss der Literatur neue Wirklichkeits- und Sprachbereiche (er verwendete erstmals den Wortschatz des Pariser Argot). Besonders unter literaturtheoretischem Aspekt beeinflusste er den gesamten europäischen Naturalismus (u. a. A. Holz, G. Hauptmann, G. Verga, C. Lemonnier); auch in der Literatur des 20. Jahrhunderts wirkte er weiter (u. a. bei L.-F. Céline und den Neorealisten).
 
Weitere Werke: Romane: Le vœu d'une morte (1866; deutsch u. a. als Der Wunsch der Toten); Madeleine Férat (1868; deutsch).
 
Novellen: Nouveaux contes à Ninon (1874; deutsch Neue Erzählungen an Ninon).
 
Ausgaben: Œuvres complètes, herausgegeben von H. Mitterand, 15 Bände (1966-70); Correspondance, herausgegeben von B. H. Bakker, auf zahlreiche Bände berechnet (1978 folgende); Contes et nouvelles, herausgegeben von R. Ripoll (Neuausgabe 1989); Les Rougon-Macquart. Histoire naturelle et sociale d'une famille sous le second Empire, herausgegeben von A. Lanoux und anderen, 5 Bände (Neuausgabe 1990-93).
 
Die Rougon-Macquart, herausgegeben von R. Schober, 20 Bände (Neuausgabe 1986); E. Zola - die Dreyfus-Affäre, herausgegeben von A. Pagès (1998).
 
Literatur:
 
G. Robert: E. Z. Principes et caractères généraux de son œuvre (Paris 1952);
 F. W. J. Hemmings: É. Z. (Oxford 21970);
 R. Daus: Z. u. der frz. Naturalismus (1976);
 A. Lanoux: Bonjour Monsieur Z. (Neuausg. Paris 1978);
 H.-J. Neuschäfer: Der Naturalismus in der Romania (1978);
 R. Ripoll: Réalité et mythe chez Z., 2 Tle. (Paris 1981);
 M. van Buuren: »Les Rougon-Macquart« d'Émile Z. De la métaphore au mythe (ebd. 1986);
 R.-P. Colin: Z., renégats et alliés. La République naturaliste (Lyon 1988);
 H. Mitterand: Z. et le naturalisme (Paris 21989);
 H. Mitterand: Z. L'histoire et la fiction (ebd. 1990);
 H. Mitterand: Z. - la vérité en marche (ebd. 1995);
 
Z. and the craft of fiction, hg. v. R. Lethbridge u. a. (Leicester 1990);
 M. Braun: É. Z. u. die Romantik. Erblast oder Erbe? Studium einer komplexen Naturalismuskonzeption (1993);
 
100 Jahre Rougon-Macquart im Wandel der Rezeptionsgesch., hg. v. W. Engler u. R. Schober (1995);
 M. Bernard: É. Z. (a. d. Frz., 33.-34. Tsd. 1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Zola und der Naturalismus: Die Wissenschaft als Vorbild
 

Universal-Lexikon. 2012.