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Nürnberger Prozesse
Tribunal von Nürnberg; Kriegsverbrechertribunal; Kriegsverbrecherprozesse

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Nụ̈rnberger Prozẹsse,
 
Gerichtsverfahren, die 1945-49 von einem Internationalen Militärtribunal oder von amerikanischen Militärgerichten in Nürnberg zur Ahndung von nationalsozialistischen Verbrechen durchgeführt wurden.
 
Auf der Grundlage der Moskauer Dreimächteerklärung vom 30. 10. 1943, des Potsdamer Abkommens vom 2. 8. 1945 und des Londoner Abkommens vom 8. 8. 1945 bildeten Frankreich, Großbritannien, die USA und die UdSSR einen Internationalen Militärgerichtshof (Abkürzung IMG), vor dem am 18. 10. 1945 in Berlin Anklage gegen ursprünglich 24 »Hauptkriegsverbrecher« erhoben wurde (R. Ley beging vor Prozessbeginn Selbstmord; G. Krupp von Bohlen und Halbach wurde für nicht verhandlungsfähig erklärt). Amerikanische Hauptankläger war R. H. Jackson (später auch R. Kempner). Dieser Hauptprozess, der in Nürnberg vom 20. 11. 1945 bis zum 1. 10. 1946 stattfand, schloss mit 12 Todesurteilen gegen hohe NS-Funktionäre und Militärs (davon zehn am 16. 10. 1946 vollstreckt) sowie sieben Urteile zu Haftstrafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglich und drei Freisprüchen (Kriegsverbrecherprozesse, Übersicht). Als verbrecherische Gruppen und Organisationen wurden SS, SD, Gestapo und Führerkorps der NSDAP, nicht jedoch Reichsregierung, Generalstab, OKW und SA eingestuft.
 
In den Nürnberger Folgeprozessen standen mit 177 Einzelpersonen jeweils bestimmte politische, militärische oder wirtschaftliche Führungsgruppen im Mittelpunkt der Anklage. Gegenstand der Anklage waren u. a. medizinische Versuche an KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen sowie die Euthanasie-Aktion ([Nürnberger] Ärzteprozess, 27. 10. 1946-20. 8. 1947), rechtswidrige Verfolgung von Juden und NS-Gegnern durch hohe Justizbeamte (Juristen-Prozess, 4. 1.-4. 12. 1947) sowie »Arisierung« jüdischen Vermögens (Flick-Prozess, 15. 4.-22. 12. 1947), die Verwaltung von Konzentrationslagern (Pohl-Prozess, 8. 4.-3. 11. 1947), die Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiter und von KZ-Häftlingen (IG-Farben-Prozess, 8. 8. 1947-30. 7. 1948; Krupp-Prozess, 8. 12. 1947-31. 7. 1948; Milch-Prozess, 2. 1.-17. 4. 1947), Geiselnahmen und -erschießungen im Partisanenkrieg (Generals-Prozess, 10. 5. 1947-9. 2. 1948), Mordtaten von SS-Einsatzgruppen (Ohlendorf-Prozess, 3. 7. 1947-10. 4. 1948), Anwendung des Kommissarbefehls (OKW-Prozess, 4. 2.-27. 10. 1948). Der Holocaust spielte im RSHA-Prozess (20. 10. 1947-10. 3. 1948) sowie im Wilhelmstraßen-Prozess (6. 1. 1948-11. 4. 1949) eine vorrangige Rolle. Von 24 Todesurteilen wurden zwölf vollstreckt, 35 Angeklagte wurden freigesprochen, die verhängten Haftstrafen bis 1956 aufgehoben.
 
Von den drei Verbrechenskomplexen, die in den Nürnberger Prozessen verhandelt wurden, waren Kriegsverbrechen (wie Mord und Misshandlung von Kriegsgefangenen und Zivilpersonen, Deportation der ausländischen Zivilbevölkerung, Plünderung) vom geltenden Völkerrecht definiert, die Zulässigkeit ihrer Ahndung durch die Sieger stand außer Frage. Auch bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die nun als völkerrechtliches Verbrechen definiert wurden, handelte es sich um grundsätzlich schon immer strafbare Taten. Zweifelhaft war allerdings, ob nach dem bis 1945 geltenden Völkerrecht die deutschen Angriffskriege als »Verbrechen gegen den Frieden« strafbar waren (Abkehr vom Prinzip »nulla poena sine lege«). Obwohl die Nürnberger Prozesse ein beträchtliches Element an »politischer Justiz« enthielten (Nichtbeteiligung deutscher Richter, Verurteilung ausschließlich deutscher Kriegsverbrechen) und daher im Rahmen der Entnazifizierung nur begrenzt positiv wirkten, stellen sie einen bedeutenden Einschnitt in der Entwicklung des Völkerrechts dar. Nach ihrem Vorbild richteten die UN, die mit ihrer Resolution vom 11. 12. 1946 die durch die Nürnberger Prozesse begründeten neuen Prinzipien des Völkerrechts ausdrücklich anerkannt hatten, 1993 beziehungsweise 1994 neue internationale Strafgerichte ein (Kriegsverbrechertribunal).
 
Literatur:
 
Das Dritte Reich im Kreuzverhör, bearb. v. R. M. W. Kempner (1969, Nachdr. 1980);
 B. F. Smith: Der Jahrhundertprozeß. Die Motive der Richter von Nürnberg (a. d. Amerikan., Neuausg. 13.-15. Tsd. 1983);
 S. Jung: Die Rechtsprobleme der N. P. Dargest. am Verfahren gegen Friedrich Flick (1992);
 
Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, hg. v. A. Mitscherlich u. F. Mielke (Neuausg. 116.-117. Tsd. 1993);
 R. H. Jackson: Der Nürnberger Prozeß. Die Anklagereden des Hauptanklagevertreters der Vereinigten Staaten von Amerika (Neuausg. 1995);
 T. Taylor: Die N. P. Hintergründe, Analysen u. Erkenntnise aus heutiger Sicht (a. d. Amerikan., 21996).
 
Weitere Literatur: Kriegsverbrecherprozesse.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Kriegsverbrechen: Prozesse zur Durchsetzung des Rechts
 
Deutschland nach 1945: Die Besatzungspolitik der Siegermächte
 

Universal-Lexikon. 2012.