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Selbsthilfe
Selbst|hil|fe ['zɛlpsthɪlfə], die; -:
das Sich-selbst-Helfen (ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe):
in der Notwehr griff, schritt er zur Selbsthilfe; Entwicklungshilfe soll eine Hilfe zur Selbsthilfe sein; sie haben ihr gesamtes Haus in Selbsthilfe gebaut.

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Sẹlbst|hil|fe 〈f. 19; unz.〉
1. Durchsetzung von Rechtsansprüchen, ohne die Behörde in Anspruch zu nehmen, notfalls mit Gewalt
2. Mitarbeit des Bauherrn am eigenen Bau
● zur \Selbsthilfe greifen; bei seinem Hausbau war \Selbsthilfe notwendig

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Sẹlbst|hil|fe, die:
1. <o. Pl.> das Sich-selbst-Helfen:
sie haben in S. (ohne fremde Hilfe) gebaut;
zur S. schreiten.
2. Selbsthilfeorganisation.

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Selbsthilfe,
 
1) Recht: der eigenmächtige Eingriff in einen fremden Rechtsbereich zur Sicherung oder Befriedigung eines Anspruchs. Die Selbsthilfe ist, da der Rechtsschutz grundsätzlich Sache der Behörden und Gerichte ist, grundsätzlich unzulässig, im bürgerlichen Recht (§ 229 BGB) aber erlaubt in Form von Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache sowie Festnahme eines fluchtverdächtigen Schuldners, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Selbsthilfe darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung dieser Gefahr erforderlich ist, die weitere Durchsetzung des Anspruchs hat mithilfe der Gerichte zu erfolgen (§ 230 BGB). Wer eine Selbsthilfehandlung in der irrigen Annahme vornimmt, dass die für deren Rechtmäßigkeit erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, macht sich, auch wenn der Irrtum unverschuldet war, schadensersatzpflichtig (§ 231 BGB). Selbsthilferecht ist auch das Recht des Besitzers, sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt zu erwehren und eine weggenommene bewegliche Sache dem verfolgten Täter wieder abzunehmen (§ 859 BGB), ferner das Recht des Grundstücksvermieters (-verpächters) und des Gastwirts, die Entfernung der ihrem gesetzlichen Pfandrecht unterliegenden Sachen zu verhindern (§§ 561, 581, 704 BGB). - Über Selbsthilfe im Strafrecht Notwehr.
 
Ähnlich geregelt ist die Selbsthilfe im österreichischen (in §§ 19, 344 ABGB) und im schweizerischen Recht (in Art. 52 Absatz 3 OR; Art. 926 ZGB).
 
Im Völkerrecht bedeutet Selbsthilfe Maßnahmen der Rechtswahrung eines Staates gegenüber einem anderen Staat im Fall einer Rechtsverletzung und mangels einer regulären Möglichkeit der Abhilfe. Die Selbsthilfe kann in der Selbstverteidigung gegen einen Angriff oder eine sonstige Rechtsbeeinträchtigung und in der gewaltlosen Rechtsdurchsetzung, besonders durch Repressalien, bestehen.
 
 2) Sozialpädagogik und Sozialpolitik:Begriff, der die auf Eigeninitiative, Selbstorganisation und Selbstbestimmung beruhende Arbeit von Personen und Gruppen bezeichnet und diese v. a. gegenüber (sozial-)staatlichen Hilfsangeboten und Interventionen absetzt. Indem sich Selbsthilfe auf ein überindividuelles, auf soziale Erscheinungen und auch fremden Bedarf gerichtetes Handeln bezieht, unterscheidet sie sich von Eigenarbeit (zur Selbstversorgung). In dem Maß, wie sie nicht primär an Erwerbszielen, sondern an »gemeinschaftlicher Wohlfahrtsproduktion« (F. Schulz-Nieswandt) orientiert beziehungsweise auf gegenseitige Hilfe ausgerichtet ist, kann Selbsthilfe auch von Bereichen wie Alternativökonomie (alternative Unternehmen) und Schattenwirtschaft unterschieden werden, wenngleich sich in der Wirklichkeit zahlreiche Überschneidungen finden.
 
Historisch bildeten nichtstaatliche Hilfeformen und Unterstützungssysteme in Europa vor der industriellen Revolution die Grundlage gemeinschaftlicher und individueller Nothilfe und Sicherungssysteme. Sowohl in den ländlichen Gemeinschaften als auch in den Städten Alteuropas, ebenso noch heute in vor- oder wenig industrialisierten Gesellschaften dienten vielfältige Nachbarschafts-, Verwandtschafts-, Berufs-, Genossenschafts- und Altersgruppen der gegenseitigen Nothilfe und stellten ein - freilich löchriges - Netz sozialer Sicherungen dar, das aber durch die Auflösung altständischer Ordnungen im Übergang zur Industriegesellschaft völlig funktionsunfähig wurde. Öffentliche und private Träger der Wohlfahrt sowie sozialstaatliche Einrichtungen und Interessenorganisationen (Gewerkschaften, Genossenschaften, Konsumvereine) traten an die Stelle der Selbsthilfe. Lange Zeit ließ sich die Idee der Selbsthilfe nur noch in der Vorstellung »ehrenamtlicher Tätigkeiten« wiederfinden und trat erst im Laufe der 1960er- und 70er-Jahre wieder stärker in Erscheinung. Den Anfang machten Selbsthilfegruppen, die ein spezifisches Problem in dezentraler, individuellen Bedürfnissen entsprechender Weise angehen wollten und damit zugleich auf Lücken im staatlichen Angebot sozialer Hilfen reagierten. Die Selbsthilfeidee fand darüber hinaus im Umfeld der Studentenbewegung und der aufkommenden Alternativbewegung Widerhall, zumal sich hier auch politische Ideen der selbstbestimmten Arbeit, der Selbstorganisation von Betroffenen und der unmittelbaren Befriedigung konkreter Bedürfnisse sowie antistaatliche Impulse realisieren ließen. Von hier aus führte der Weg sowohl zu den Bürgerinitiativen der 70er-Jahre als auch zur entwicklungspolitischen Diskussion der 80er-Jahre (»Hilfe zur Selbsthilfe«) sowie zu den Projektkonzeptionen der neuen sozialen Bewegungen, besonders der Frauenbewegung. In der Folge dieser auf gesellschaftlicher Selbstorganisation bezogenen Entwicklungen haben sich die mit dem Konzept der Selbsthilfe verbundenen gruppenspezifischen, dezentralen und flexiblen Organisationsformen noch ausgeweitet und erfahren z. B. auch im Rahmen kommunitaristischer Sozialphilosophie Wertschätzung. Damit erstreckt sich Selbsthilfe nicht nur auf den (sozial-)therapeutischen und karitativen Bereich, sondern umfasst neben den Bereichen des Zusammenlebens (z. B. Männer-Frauen-Gruppen), der Ökologie und der Arbeitswelt auch die Bereiche Kultur und Bildung (freie Schulen, freie Theater), Politik und Verwaltung (selbst verwaltete Kultur- und Jugendzentren, Frauenhäuser, Dritte-Welt-Initiativen), Gesundheit (z. B. Gesundheitsläden) und Medien (freie Radios, Stadtteilzeitungen).
 
In der aktuellen Diskussion um die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Hilfesysteme wird den Möglichkeiten der Selbsthilfe verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Gestützt wird diese Tendenz durch die Einsicht, dass viele gerade im zwischenmenschlichen Bereich notwendigen Hilfeleistungen, z. B. die Begleitung Sterbender, nicht oder nicht primär durch öffentliche Einrichtungen geleistet werden können, allerdings sehr wohl staatlicher Unterstützung bedürfen. Auch zeigen Untersuchungen, dass Selbsthilfe keineswegs durchgängig als Gegensatz zu Professionalität und institutionalisierter Hilfe aufzufassen ist, sondern vielfach in Wechselbeziehung zu vorhandenen Institutionen und in einem Komplementaritätsverhältnis zu den Möglichkeiten des Sozialstaats steht (Subsidiarität). Die Einschätzungen der gesamtgesellschaftlichen Effekte der Selbsthilfe und ihrer Bedeutung für die Zukunft sind widersprüchlich; sie reichen von der positiven Würdigung der Selbsthilfe, die in modernen Gesellschaften »die Entwicklung und Ausbreitung freiheitlich-demokratischer und solidarisch-kooperativer Einstellungen, Verhaltensweisen und Lebensformen« begünstige (K.-H. Hillmann), über die grundsätzliche Einschränkung, Selbsthilfe sei »keineswegs denkbar als umfassende Ordnungsidee für Wirtschaft und Gesellschaft, eher als situationsgebundenes »Kind der Not« « (Schulz-Nieswandt), bis hin zur Kritik der Selbsthilfe als Kompensation mangelnder Sozialpolitik und neoliberaler Zerstörung sozialstaatlicher Sicherungen.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Alternativkultur · Partizipation · Solidarität · Sozialstaat
 
Literatur:
 
B. Runge u. F. Vilmar: Hb. S. (Neuausg. 1988);
 K.-H. Hillmann: Wertwandel. Zur Frage soziokultureller Voraussetzungen alternativer Lebensformen (21989);
 F. Schulz-Nieswandt: Wirkungen von S. u. freiwilliger Fremdhilfe auf öffentl. Leistungssysteme (1989);
 
Formen der Eigenarbeit, hg. v. R. G. Heinze u. C. Offe (1990);
 L. Böhnisch: Gespaltene Normalität. Lebensbewältigung u. Sozialpädagogik an den Grenzen der Wohlfahrtsgesellschaft (1994).
 

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Sẹlbst|hil|fe, die <o. Pl.>: 1. das Sich-selbst-Helfen: sie haben in S. (ohne fremde Hilfe) gebaut; zur S. schreiten; sie wollen Hilfe zur S. leisten beim Anpflanzen von Bäumen (E + Z 7, 1981, 34). 2. (Rechtsspr.) rechtmäßige, eigenmächtige Durchsetzung od. Sicherung eines Anspruchs, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht schnell genug zu erlangen ist.

Universal-Lexikon. 2012.