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Kaschmir
Kạsch|mir 〈m. 1; Textilw.〉
1. aus dem feinen, glänzenden Flaumhaar der Kaschmirziege hergestellte Wolle (für Pullover, Strickjacken); Sy Kaschmirwolle
2. daraus hergestellter, fester Kammgarnkleiderstoff
[nach der Kaschmirziege im Kaschmirgebirge]

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1Kạsch|mir ; -s:
zwischen Indien u. Pakistan geteiltes Gebiet im Himalaja.
2Kạsch|mir , der; -s, -e [nach 1Kaschmir]:
1. (Textilind.) feines, weiches, bes. glattes, glänzendes Kammgarngewebe.
2. Kaschmirwolle.

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I
Kạschmir
 
[nach der Landschaft Kaschmir] der, -s/-e, Kạschmirwolle, das weiße bis graue oder bräunliche, sehr feine und weiche Flaumhaar (Durchmesser des Einzelhaares 5 μm) der Kaschmirziege; vorwiegend für Strickgarne höchster Qualität verwendet.
 
II
Kạschmir,
 
Gebirgslandschaft und ehemaliger Fürstenstaat (bis 1947) im nordwestlichen Himalaja und im Karakorum, kleinere Gebiete liegen im Hindukusch; von der Gesamtfläche Kaschmirs entfallen 136 943 km2 auf das heute von Indien verwaltete Gebiet (Bundesstaat Jammu and Kashmir), 121 667 km2 sind von Pakistan (Azad Kashmir) und China (v. a. in Ladakh) besetzt. Hauptsiedlungsgebiet in dem großenteils schwer zugänglichen und stark vergletscherten Gebirgsland ist der Südwesten, besonders das im indischen Teil zwischen Vorder- und Hohem Himalaja gelegene Hochbecken von Kaschmir (1 500-1 900 m über dem Meeresspiegel), die rd. 130 km lange, 40 km breite, fruchtbare Aufschüttungsebene des oberen Jhelum und seiner Nebenflüsse. Die vielen Seen des Hochbeckens (größter ist der Wularsee) sind zum Teil ehemalige Flussarme. Das Hochbecken von Kaschmir wird landwirtschaftlich intensiv genutzt, als Nasskultur wird Reis angebaut, als Trockenkulturen sind Mais, Weizen und Gerste am wichtigsten, hinzu kommen Safranfelder, Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht, Obstkulturen und als besonderer Typ der Kulturlandschaft die schwimmenden Gärten (ähnlich den Chinampas) mit Gemüseanbau auf dem Dalsee in Srinagar. In den höheren Lagen am Beckenrand ist sommerlicher Maisanbau mit Almwirtschaft gekoppelt; darüber folgen die Sommerweidegebiete von Wasserbüffelherden und Ziegen. Die in Transhumanz betriebene Schafhaltung liefert den Rohstoff für eine bedeutende Wollindustrie; wichtig ist außerdem das Kunsthandwerk (Teppiche, Holzschnitzereien, Lackarbeiten u. a.). In dem landschaftlich reizvollen und klimatisch begünstigten Hochbecken von Kaschmir spielt der Tourismus eine Rolle. Den natürlichen Eingang in das Hochbecken von Kaschmir bildet von Pakistan aus das Tal des Jhelum, von Indien aus ist das Hochbecken durch die Straße über den Banihal (2 840 m über dem Meeresspiegel) erreichbar. - Zu dem von Pakistan besetzten Teil Kaschmirs gehören Baltistan am oberen Indus (im indischen Teil Kaschmirs schließt sich Ladakh an), Gilgit 2) und Hunza; über Gilgit 1) führt die Karakorumstraße nach China.
 
Geschichte:
 
Die Abgeschlossenheit des Landes, dessen alte Geschichte im Werk des Kalhana überliefert ist, begünstigte bis zum Eindringen des Islam im 14. Jahrhundert seine politische und kulturelle Selbstständigkeit. 1586 wurde Kaschmir vom Mogulherrscher Akbar erobert, kam 1756 an Afghanistan und 1819 an die Sikh. Nach dem 1. Sikhkrieg (1846) annektierten die Briten Kaschmir und übergaben es, trotz der muslimischen Bevölkerungsmehrheit, einem Hinduherrscher, der die britische Oberhoheit anerkannte und dessen Nachkommen (Dogradynastie) im Rahmen Britisch-Indiens herrschten.
 
Nach der Teilung Britisch-Indiens (August 1947) erklärte der Maharadscha Hari Singh im Oktober 1947 den Beitritt Kaschmirs zur Indischen Union gegen den Protest Pakistans, das Kaschmir als ein Gebiet mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung für sich beanspruchte. Indische Truppen besetzten den (größeren) südöstlichen, pakistanischen Truppen den (kleineren) nordwestlichen Teil. Nachdem die UNO einen Waffenstillstand (1. 1. 1949 vermittelt hatte, entwickelte sich die Waffenstillstandslinie zur Demarkationslinie zwischen dem von Pakistan beherrschten Azad Kashmir und dem von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs. Unter Berufung auf einen entsprechenden Vorschlag der UNO und im Vertrauen auf die muslimische Bevölkerungsmehrheit in Kaschmir forderte Pakistan in beiden Teilen der umstrittenen Region eine Volksabstimmung. Indien (Ministerpräsident J. Nehru) sicherte dem von ihm beherrschten Teil Kaschmirs weitgehende Autonomie zu. Mit der Abschaffung der Monarchie (1952) beschleunigte sich die Eingliederung des indischen Teils von Kaschmir in die Indische Union. Eine einflussreiche Rolle im Spannungsfeld zwischen Indien und Pakistan spielte seit dem Ende der 40er-Jahre Mohammed Abdullah (der »Löwe von Kaschmir«, * 1905, ✝ 1982); seine Forderung nach Durchführung eines Plebiszits über die staats- und völkerrechtliche Stellung Kaschmirs erregten indischen Zweifel an seiner Loyalität gegenüber der Indischen Union und lösten 1953 seinen Sturz als Regierungschef von Kaschmir aus. Im indisch-chinesischen Grenzkonflikt (1962) besetzte die Volksrepublik China einen Teil dieses Unionsterritoriums im Bereich von Ladakh. 1963 trat Pakistan einen kleinen Streifen von Azad Kashmir an die Volksrepublik China ab.
 
Im September 1965 kam es zwischen Indien und Pakistan zu einem weiteren militärischen Konflikt um Kaschmir, der auf Vermittlung der UdSSR im Vertrag von Taschkent (Januar 1966) auf der Basis des militärischen Status quo beigelegt wurde. Im indisch-pakistanischen Krieg um Bangladesh (Dezember 1971) fanden auch an der Grenze zwischen Azad Kashmir und Jammu and Kashmir Kämpfe statt. Auf der Konferenz zu Simla (1972) erklärten sich Indien (Ministerpräsident Indira Gandhi) und Pakistan (Z. A. Bhutto) bereit, die Waffenstillstandslinie in Kaschmir zu respektieren. Dennoch wurden 1984-89 militärische Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan um den Siachengletscher (Teil des Karakorumgebirges, in dem die Demarkationslinie nicht eindeutig gezogen worden war) geführt.
 
1975 hatte Mohammed Abdullah erneut das Amt des Regierungschefs in Jammu and Kashmir erhalten. Nach seinem Tode (1982) übernahm sein Sohn Faruk Abdullah (1983/84, 1986-90 sowie ab 1996 Chefminister) die Führung der kaschmirischen Autonomiebewegung.
 
In den 80er-Jahren kam es in Kaschmir zu heftigen, teils blutigen Auseinandersetzungen um die Autonomiefrage sowie zu Spannungen zwischen der Regierung in Neu-Delhi und den Kräften um Faruk Abdullah. Trotz einer Abmachung zwischen Ministerpräsidenten R. Gandhi und Faruk Abdullah (November 1986), die eine Stabilisierung der innenpolitischen Lage erhoffen ließ, verstärkten sich die Unruhen nach den Bundesstaatswahlen im März 1987, erneut 1989. Dazu trugen v. a. die sich für ein säkulares, unabhängiges Kaschmir einsetzende »Jammu and Kashmir Liberation Front«, die für den Anschluss an Pakistan kämpfende »Hizbullah Mujahedin« sowie die All-Party Hurriyat Conference (Dachorganisation separatistischer Kampfgruppen) bei. Pakistan schleuste afghanische Söldner nach Kaschmir ein. 1990 wurde Jammu and Kashmir direkt der indischen Zentralgewalt unterstellt. Sie stationierte mehrere Divisionen des indischen Heeres, die aber die Guerillabewegungen nicht unter Kontrolle bringen konnten; dabei kam es zu Menschenrechtsverletzungen. Gezielte Terroranschläge auf islamische heilige Stätten verhinderten die Normalisierung des politischen Prozesses. Die Besetzung der Hazratbal-Moschee im Oktober 1993 konnte friedlich beendet werden, die Besetzung des Heiligtums von Chrar-e-Sharief im Sommer 1995 endete mit einer Brandstiftung durch afghanische Terroristen. Die Übergriffe machten auch nicht vor Touristen halt, wie die Entführung von fünf Ausländern (darunter einem Deutschen) im Juli 1995 durch die Guerillagruppe »Al-Faran« zeigte (Ermordung einer norwegischen Geisel, die anderen blieben verschollen). 1996 wurde die direkte Unterstellung von Jammu and Kashmir unter die Zentralgewalt wieder aufgehoben (unter starken Sicherheitsvorkehrungen Parlamentswahlen und Einsetzung einer neuen Regierung). Auch in den nachfolgenden Jahren flammte der einer Normalisierung der indisch-pakistanischen Beziehungen im Wege stehende Kaschmirkonflikt immer wieder auf. Während Pakistan die Lösung der Kaschmirfrage (besonders durch Einbeziehung der USA und China) zu internationalisieren suchte, lehnte Indien weiterhin die Einschaltung anderer Staaten ab. Die anlässlich eines Treffens der Premierminister beider Staaten, A. B. Vajpayee und M. Nawaz Sharif, am 21. 2. 1999 verabschiedete Erklärung von Lahore schien mit der Einigung über neue Gespräche bezüglich der Zukunft Kaschmirs den Streit zunächst zu entschärfen; doch schon im Mai 1999 erfuhr der Konflikt eine neue Zuspitzung, als muslimische Rebellen mit offenkundiger Unterstützung durch die pakistanische Armee die Waffenstillstandslinie überschritten und sich in der Gebirgsregion von Kargil mit indischen Truppen heftige Gefechte lieferten. Der auf Druck der USA von Nawaz Sharif angeordnete pakistanische Rückzug vom Juli 2000 war einer der Gründe für seinen späteren Sturz durch einen Militärputsch; am 18. 7. 2000 erklärte Indien offiziell das Ende der Kämpfe, die aber auch danach wiederholt aufbrachen. Separatisten verübten weiterhin zahlreiche, insbesondere gegen das indische Militär gerichtete Anschläge; diese Auseinandersetzungen führten auf beiden Seiten zu großen Verlusten. Angesichts der Aussichtslosigkeit einer militärischen Lösung, der wachsenden Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung in Kaschmir und nicht zuletzt aufgrund der sich verstärkenden internationalen Forderungen nach einer politischen Regelung kam es zu neuen Versuchen einer Verständigung. Ein im August 2000 von der pakistanischen Militärregierung unter Pervez Musharraf unterbreitetes Dialogangebot zur Kaschmirkrise lehnte Indien zwar zunächst noch ab, es rief aber am 28. 11. 2000 eine (allerdings von muslimischen Rebellen umgehend wieder gebrochene) Waffenruhe in Kaschmir aus. Im Mai 2001 kündigte die indische Regierung den einseitigen Waffenstillstand wieder auf, zugleich lud sie die pakistanische Militäradministration zu Gesprächen über eine Konfliktlösung ein. Nach einem erfolglosen indisch-pakistanischen Gipfeltreffen im Juli 2001 zum Kaschmirproblem und einer Verstärkung der Aktivitäten islamistischer Rebellen (u. a. am 1. 10. 2001 terroristischer Anschlag auf das Regionalparlament in Srinagar, am 13. 12. 2001 auf das indische Bundesparlament in Neu-Delhi, blutige Attacke auf einen indischen Militärstützpunkt Mitte Mai 2002) eskalierte der Kaschmirkonflikt erneut (massiver Truppenaufmarsch und Gefechte an der indisch-pakistanischen Grenze); daraufhin bemühten sich v. a. die USA um Vermittlung.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Indien: Die Teilung des indischen Subkontinents nach dem Zweiten Weltkrieg
 

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1Kạsch|mir; -s: Land in Vorderindien.
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2Kạsch|mir, der; -s, -e [nach der gleichnamigen Landschaft im Himalaja]: 1. feines, weiches, bes. glattes, glänzendes Kammgarngewebe. 2. Kaschmirwolle.

Universal-Lexikon. 2012.