Rụss|land|deut|sche(r) 〈f. 30 (m. 29)〉 deutsche(r) Volkszugehörige(r), der in Russland lebt ● die Umsiedlung von Russlanddeutschen
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in Russland geborene [u. dort lebende] ethnische Deutsche.
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Rụsslanddeutsche,
(ungenaue) Sammelbezeichnung für die Menschen deutscher Volkszugehörigkeit, die in Russland (etwa 0,85 Mio.) und in mit ihm historisch-politisch verbundenen Gebieten leben: Kasachstan (etwa 960 000), Kirgistan (etwa 100 000), Usbekistan (etwa 40 000), Ukraine (etwa 40 000), Tadschikistan (etwa 33 000) u. a. Republiken der GUS (etwa 14 000).
Die Wolgadeutschen wurden unter Katharina II. 1763-74 angesiedelt. Die meisten Ansiedlungen der Schwarzmeerdeutschen entstanden erst während der 2. Einwanderungswelle unter Alexander I. 1804-24. In Großstädten - u. a. Sankt Petersburg, Moskau (Sloboda), Odessa - lebten schon vorher zahlreiche Deutsche. Um 1850 gab es insgesamt 300 deutsche Kolonien: 104 an der Wolga, 182 im Schwarzmeerraum und 14 im Gebiet von Sankt Petersburg. Zwischen 1830 und 1870 wurden die Wolhyniendeutschen angesiedelt. Ab 1881 lebten Deutsche auch im asiatischen Teil Russlands, im Südural, in Sibirien (Sibiriendeutsche) und Turkestan. Vor 1914 bestanden im Gebiet westlich des Urals insgesamt 3 000 geschlossene deutsche Dörfer mit 1,7 Mio. Russlanddeutsche (95 % Bauern).
Ende des 19. Jahrhunderts verloren die Russlanddeutschen fast alle Privilegien und gerieten unter Russifizierungsdruck. Während des Ersten Weltkriegs waren sie erstmals auch Pressionen ausgesetzt (v. a. Deportationen aus den westlichen Grenzgebieten und Pogromen). Bedingt durch die Kriegsereignisse sowie die Hungerjahre 1921/22 und 1932/33 kamen etwa 400 000 Russlanddeutsche um. Am 19. 10. 1918 war ein autonomes Gebiet, am 6. 1. 1924 die ASSR der Wolgadeutschen (Wolgadeutsche Republik) gebildet worden. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion (22. 6. 1941 wurde die Wolgadeutsche Republik am 28. 8. 1941 aufgelöst (offiziell erst am 25. 9. 1945), 400 000 Wolgadeutsche wurden zu Unrecht kollektiv der Kollaboration mit Deutschland beschuldigt, entrechtet und unter hohen Opfern nach Kasachstan (etwa die Hälfte aller Russlanddeutschen), Kirgisien und Tadschikistan deportiert (seitdem bis 1991 auch Sowjetdeutsche genannt); am 10. 1. 1942 Verfügung von Zwangsarbeit für alle Russlanddeutschen. Die Schwarzmeerdeutschen wurden während der deutschen Besetzung 1943/44 in den Warthegau umgesiedelt.
Der Amnestie vom Dezember 1955 und dem Dekret von 1964 über partielle Wiedereingliederung folgte die Rehabilitierung, ohne dass den Russlanddeutschen die Rückkehr in ihre traditionellen Gebiete ermöglicht wurde. - Die sowjetische Volkszählung von 1959 wies 1,62 Mio. Russlanddeutsche aus (von diesen etwa 90 % im asiatischen, 10 % im europäischen Teil der UdSSR); seit Ende der 1970er-Jahre wird eine offizielle Zahl von etwa 2 Mio. genannt. - Nach Gründung politischer Organisationen der Russlanddeutschen (v. a. »Wiedergeburt«, »Verband der Deutschen in der GUS«) 1989 wuchs der Wunsch nach Wiedererrichtung der Wolgadeutschen Republik. Dennoch sahen sich zuletzt immer mehr Russlanddeutsche veranlasst, in westliche Länder auszusiedeln, v. a. in die Bundesrepublik Deutschland (Aussiedler beziehungsweise Spätaussiedler; 1988-97 etwa 1,7 Mio.). Seit 1991 gewährt Deutschland umfangreiche finanzielle Hilfen, um die Abwanderung zu reduzieren. In Westsibirien (Gebiet Omsk), im Altai- und im Wolgagebiet erfolgt inzwischen eine verstärkte Ansiedlung von Russlanddeutschen in deutschen »National-Rayons«. Als erster Minderheit in Russland wurde den Russlanddeutschen 1998 kulturelle Autonomie gewährt. - Auch Kasachstan, Kirgistan und die Ukraine bemühen sich um Integration der in ihrem Gebiet lebenden deutsch-stämmigen Bevölkerung (Kasachstan-, Kirgisien- und Ukrainedeutsche genannt).
Deutsche in Rußland, hg. v. H. Rothe (1996);
V. Dönninghaus: Die Deutschen in der Moskauer Gesellschaft. Symbiose und Konflikte (1494-1941). (2002.
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Rụss|land|deut|sche, der u. die: in Russland (2) geborene [u. dort lebende] Person mit deutscher Volkszugehörigkeit: Jährlich 35 000 Aussiedler, vorwiegend R. und jüdische Flüchtlinge, werden in einem dreiwöchigen Crashkurs auf den Alltag vorbereitet (Focus 37, 1997, 100).
Universal-Lexikon. 2012.