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Kollaboration
Zusammenarbeit mit dem Feind

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Kol|la|bo|ra|ti|on 〈f. 20das Kollaborieren, Zusammenarbeit mit dem Feind od. der Besatzungsmacht [<frz. collaboration „Mitarbeit“]

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Kol|la|bo|ra|ti|on, die; -, -en [frz. collaboration]:
gegen die Interessen des eigenen Landes gerichtete Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner, mit der Besatzungsmacht.

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Kollaboration
 
[französisch, von spätlateinisch collaborer] die, -/-en, Bezeichnung für die Zusammenarbeit von Einzelpersonen und Gruppen mit dem Kriegsgegner des eigenen Landes. 1940 in Frankreich geprägt, hatte dieser Begriff anfänglich im État Français - nach dem Treffen zwischen Hitler und P. Pétain (1940) - einen wertneutralen Sinn, gewann jedoch bald über Frankreich hinaus einen negativen Akzent im Sinn eines gegen elementare Interessen des eigenen Landes gerichteten Zusammenspiels mit dem Gegner des eigenen Staates. Die Motive und Hintergründe für Kollaborationen waren sehr verschieden und reichten von der Unterstützung aus politischer Überzeugung (z. B. durch Mitglieder und Anhänger faschistischer und rechtsradikaler Parteien) über das Bestreben, persönliche Vorteile oder Gewinn zu erzielen, und die Hoffnung, sich durch Mitläufertum den harten Bedingungen der Fremdherrschaft teilweise entziehen zu können, bis hin zu Opportunismus und einem von den Besatzern ausgehenden Zwang. Bei der Eroberung von Gebieten, die zuvor unter Kolonial- oder Fremdherrschaft standen, arbeiteten Teile der Bevölkerung nicht zuletzt auch deshalb mit der Besatzungsmacht zusammen, weil sie glaubten, nationale Interessen stärker verfolgen und die Lage ihres Volkes verbessern zu können (z. B. in verschiedenen britischen und französischen Besitzungen in Südostasien, die während des Zweiten Weltkriegs von Japan besetzt wurden). Solche Illusionen wurden allerdings zumeist schnell durch die brutale Okkupationsherrschaft beseitigt.
 
Die Grenzen zwischen tatsächlicher Kollaboration und dem durch die Umstände erzwungenen Kontakt mit der Besatzungsmacht sind nur schwer zu bestimmen; die Anschuldigung, kollaboriert zu haben, traf auch manchen Unschuldigen.
 
Die Kollaboration der Regierung Pétain in Frankreich (nach ihrem Sitz »Vichy-Regierung« genannt) erstreckte sich auch auf die Judendeportationen und auf die Internierung der deutschen Emigranten (Frankreich, Geschichte). Mit dem Einzug der provisorischen Regierung in Paris (August 1944) wurden französische Politiker, Offiziere, Journalisten u. a. der Kollaboration beschuldigt, vor Militär- oder Sondergerichte gestellt und zu schweren Strafen verurteilt. Herausragende Prozesse waren die Verfahren gegen Pétain und P. Laval.
 
Auch in anderen, während des Zweiten Weltkriegs von Deutschland besetzten Ländern kam es zur Kollaboration, u. a. in Belgien, Dänemark, den Niederlanden sowie in Norwegen, wo der Name des Führers der faschistischen Partei V. Quisling zum Synonym für einen Kollaborateur und Landesverräter wurde. Oft stellten sich in diesen Ländern Kräfte für den militärischen Kampf an der Seite der Deutschen zur Verfügung (u. a. die »Wallonische Legion« unter L. Degrelle und der aus dänischen, norwegischen und niederländischen Freiwilligen bestehende Verband der Waffen-SS »Wiking«). Die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Besatzungsmacht und Teilen der Bevölkerung in der UdSSR war v. a. in der Ukraine und im (erst 1940 von der Sowjetunion annektierten) Baltikum nennenswert (u. a. Beteiligung an der Ermordung von Juden). Mit dem erklärten Ziel, die Herrschaft Stalins zu stürzen, bot der 1942 in deutscher Kriegsgefangenschaft geratene russische General A. A. Wlassow dem nationalsozialistischen Deutschland seine Unterstützung an und stellte ab 1944 v. a. aus russischen und ukrainischen Kriegsgefangenen sowie »Hilfswilligen« eine »Russische Befreiungsarmee« auf, die nach ihrer Festsetzung durch US-amerikanische Streitkräfte in Böhmen (1945) an die Sowjetunion ausgeliefert wurde. Stalin ließ nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion unter der Beschuldigung einer kollektiven Kollaboration 1941/42 die Wolgadeutschen und 1943/44 mehrere nordkaukasische Völker, die Kalmücken und Mescheten nach Zentralasien und Sibirien deportieren (etwa 3 Millionen Menschen) und Zwangsarbeit leisten (Rehabilitierung erst in den 50er- und 60er-Jahren). Die nach Kriegsende aus Deutschland in die Sowjetunion zurückkehrenden Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter wurden oft unter der Anklage der Kollaboration gleich wieder in Lagern festgehalten.
 
Nach der Befreiung von der deutschen Besatzungsmacht wurden in einer Reihe von Ländern Personen der Kollaboration beschuldigt und zum Tod oder zu schweren Freiheitsstrafen verurteilt; viele waren der Selbstjustiz einer aufgebrachten Bevölkerung preisgegeben (häufig Frauen, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten). Unmittelbar nach Abzug der deutschen Truppen wurden viele der Kollaboration verdächtigte Menschen ohne Verfahren getötet.
 
Als Kollaborationsliteratur wird die in Frankreich während der deutschen Besetzung 1940-44 verfasste Literatur bezeichnet, deren Autoren als Kollaborateure der Besatzungsmacht nationalsozialistisch-faschistische Ideologien propagierten. Sie gingen v. a. aus der Anhängerschaft der nationalistisch-antisemitisch orientierten Action française hervor. Zu ihren Hauptvertretern gehörten P. Drieu la Rochelle, R. Brasillach, A. de Chateaubriant und L.-F. Céline. Der Kollaborationsliteratur stand die Résistanceliteratur (Résistance) gegenüber.
 
Literatur:
 
M. Boveri: Der Verrat im 20. Jh., 4 Bde. (1956-60);
 P. Sérant: Die polit. Säuberungen in Westeuropa am Ende des Zweiten Weltkrieges (a. d. Frz., 1966);
 M.-I. Sicard: Histoire de la collaboration (Paris 1969);
 
Lit. der Résistance u. K. in Frankreich, hg. v. K. Kohout, 3 Bde. (1982-84);
 G. Loiseaux: La littérature de la défaite et de la collaboration (Paris 1984);
 
Widerstand, Flucht, K. Literar. Intelligenz u. Politik in Frankreich, hg. v. J. Siess (1984);
 
Polit. Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus u. K. nach dem Zweiten Weltkrieg, hg. v. K.-D. Henke u. H. Woller (1991);
 R. Brender: K. in Frankreich im Zweiten Weltkrieg. Marcel Déat u. das Rassemblement national populaire (1992).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Weltkrieg, Zweiter: Kollaboration und Widerstand unter deutscher Herrschaft
 

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Kol|la|bo|ra|ti|on, die; -, -en <Pl. selten> [frz. collaboration]: 1. gegen die Interessen des eigenen Landes gerichtete Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner, mit der Besatzungsmacht: Der ... Priester ... war nach dem Krieg in Belgien wegen K. in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden (MM 20. 6. 73, 5). 2. (bildungsspr. selten) Zusammenarbeit: ... beklagten die CDU-Protestanten ungenügende K. katholischer Autoritäten (Spiegel 30, 1966, 18).

Universal-Lexikon. 2012.