Syn|di|ka|lịs|mus 〈m.; -; unz.〉 sozialist. Arbeiterbewegung mit genossenschaftlich-gewerkschaftl. Charakter [→ Syndikus]
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gegen Ende des 19. Jh.s in der Arbeiterbewegung entstandene Richtung, die in den gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen der Lohnarbeiter u. nicht in einer politischen Partei den Träger revolutionärer Bestrebungen sah.
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Syndikalịsmus
[französisch, zu syndicat »Gewerkschaft«] der, -, gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Lehre einer gewerkschaftlich getragenen revolutionären Arbeiterbewegung, dem Anarchismus eng verbunden (Anarchosyndikalismus). Der Syndikalismus vertritt das Prinzip, durch die »direkte Aktion« (Boykott, Sabotage, Fabrikbesetzung, besonders Generalstreik) den Klassenkampf unmittelbar im ökonomischen Bereich durch die Gewerkschaften (Syndikate) zu führen. Er lehnt den Staat und jegliche parlamentarische Aktion ab. Der Syndikalismus erstrebt auf dem Wege der sozialen Revolution die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die nicht von oben durch den Staat, sondern von unten - nach dem Prinzip der Arbeiterselbstverwaltung - durch demokratische Leitungsorgane der Arbeiter gelenkt werden sollen. Überbetriebliche Aufgaben sollen durch die Gewerkschaften - örtlich in Arbeitsbörsen oder Kommunen und übergebietlich in Föderationen - gelöst werden. Mit der Übernahme der ökonomischen Macht sollen auch die politischen Institutionen einer kapitalistischen Gesellschaft gestürzt werden.
Geistesgeschichtlich wurzelt der Syndikalismus in den Ideen P. J. Proudhons, er entwickelte sich zuerst in Frankreich und verbreitete sich besonders in Italien, Spanien und Lateinamerika. Seit den 1920er-Jahren verlor er als eigenständig organisierte Bewegung an Bedeutung, lebt jedoch in unterschiedlicher Form in anderen politischen und gewerkschaftlichen Strukturen fort.
In Frankreich hatte der Syndikalismus 1890-1914 seinen Höhepunkt; er wirkte stark auf die gesamte Gewerkschaftsbewegung. Einflussreich war besonders Fernand Pelloutier (* 1867, ✝ 1901), ab 1895 Sekretär der 1892 gegründeten »Fédération Nationale des Bourses du Travail« (»Nationaler Bund der Arbeitsbörsen«). Der erste bedeutende Vertreter des Syndikalismus in Italien war Arturo Labriola (* 1873, ✝ 1959), der in seiner Zeitung »L'Avanguardia Socialista« die reformistischen Ideen innerhalb der sozialistischen Bewegung Italiens angriff. 1912 gründeten die italienischen Syndikalisten eine eigene Gewerkschaft, die »Unione Sindicale Italiana« (USI). Seit dem Ersten Weltkrieg spaltete sich jedoch der italienische Syndikalismus in gegensätzlichen Strömungen und verlor an Bedeutung. - 1907 entstand in Katalonien eine syndikalistische Föderation, die »Solidaritat Obrera« (»Arbeitersolidarität«). Ein 1909 unter ihrer Führung ausgerufener Generalstreik (anlässlich der Einberufung katalanischer Reservisten für den Marokkofeldzug) führte zu blutigen Unruhen. Die 1910 gegründete »Confederación Nacional del Trabajo« (CNT, »Nationaler Bund der Arbeit«) geriet jedoch stärker unter anarchistischen als unter syndikalistischen Einfluss und wurde später die Trägerin des Anarchosyndikalismus in Spanien (besonders im Spanischen Bürgerkrieg).
In Deutschland organisierten sich die Verfechter des Syndikalismus 1908 in der »Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften«. Nach dem Ersten Weltkrieg konstituierte sich diese im Dezember 1919 als »Freie Arbeiterunion Deutschlands (Syndikalisten)«, FAUD (S). Unter Einbeziehung anarchistischer Vorstellungen P. A. Fürst Kropotkins in ihr Grundsatzprogramm führte sie seit 1921 den Zusatz »Anarcho-Syndikalisten« (AS). Die FAUD (AS) grenzte sich sowohl gegenüber der SPD und dem ADGB als auch gegenüber der KPD scharf ab. Sie fand zeitweilig eine starke Anhängerschaft unter den Bergarbeitern des Ruhrgebiets. 1922 initiierte die FAUD (AS) die Gründung einer syndikalistischen Internationale, der »Internationalen Arbeiter-Assoziation« (IAA) in Berlin. Ihr trat auch die 1929 entstandene »Kontinental-Amerikanische Arbeiter-Assoziation« anarchosyndikalistischer Gruppen aus neun Staaten Lateinamerikas bei. Anarchist. und anarchosyndikalistische Einwanderer hatten insbesondere beträchtlichen Einfluss auf die Gründung der ersten lateinamerikanischen Gewerkschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
In den USA wurde der Syndikalismus von den »Industrial Workers of the World« (IWW, gegründet 1905) getragen, die die Vision der Arbeitersolidarität mit der Taktik des Streiks und der Sabotage verbanden und besonders ungelernte Arbeiter und Immigranten als Mitglieder gewannen. In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts fand der Syndikalismus auch in Großbritannien Eingang. 1909 gründeten Syndikalisten, die sich 1908 von den »British Advocates of Industrial Unionism« (BAIU, gegründet 1905) abgespalten hatten, die »Industrial Workers of Great Britain« (IWGB). 1910 entstand die »Industrial Syndicalist Education League« (ISEL), die sich besonders der Verbreitung syndikalistischer Ideen widmete. Dem Syndikalismus nahe stand der von Intellektuellen getragene Gildensozialismus.
W. Abendroth: Sozialgesch. der europ. Arbeiterbewegung (151986);
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Syn|di|ka|lịs|mus, der; - [frz. syndicalisme, zu: syndic < lat. syndicus, ↑Syndikus]: gegen Ende des 19. Jh.s in der Arbeiterbewegung entstandene Richtung, die in den gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen der Lohnarbeiter u. nicht in einer politischen Partei den Träger revolutionärer Bestrebungen sah.
Universal-Lexikon. 2012.