Ver|fạs|sungs|än|de|rung 〈f. 20; Rechtsw.〉 Änderung der Verfassung, Änderung des geltenden Verfassungsrechts (durch ein vorgegebenes Verfahren)
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Ver|fạs|sungs|än|de|rung, die:
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Verfassungs|änderung,
Verfassungsrevision, die Änderung des geltenden Verfassungsrechts in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren. In der Regel geschieht die Verfassungsänderung durch einen Akt der Gesetzgebung, für den jedoch häufig erschwerte Bedingungen im Vergleich zur einfachen Gesetzgebung gelten (verfassungsänderndes Gesetz). Eine Verfassungsänderung ist denkbar 1) als Verfassungstextänderung: Ein bisher geltender Verfassungs-Artikel wird aufgehoben oder neu gefasst, oder ein neuer Artikel wird in die Verfassung aufgenommen; Art. 79 GG lässt die Änderung des GG nur in der Form der Verfassungstextänderung zu; 2) als Verfassungs-Zusatz (Amendment, die Praxis der Verfassungsänderung in den USA); 3) als Verfassungsänderung außerhalb der Verfassung: Der Verfassungstext bleibt unverändert; durch selbstständig neben ihm stehende »verfassungsändernde Gesetze« wird abweichendes oder ergänzendes Verfassungsrecht geschaffen (weithin die Praxis der Weimarer Republik; sie führte zu Verfassungs-Durchbrechungen, d. h., dem Verfassungstext konnte nicht entnommen werden, ob ein mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenes Gesetz für bestimmte Fälle etwas vom Verfassungstext Abweichendes anordnete).
Das GG fordert für die Verfassungsänderung die Zustimmung von zwei Dritteln der Gesamtmitgliederzahl des Bundestages und von zwei Dritteln der Gesamtstimmen des Bundesrats (Art. 79). Eine Verfassungsänderung durch Volksentscheid ist für Deutschland durch das GG ausgeschlossen. In manchen Verfassungen ist dagegen zur Verfassungsänderung ein Volksentscheid zwingend vorgeschrieben (z. B. in der Schweiz und in einigen Ländern Deutschlands); in anderen Ländern kann sie durch einen Beschluss des Parlaments mit qualifizierter Mehrheit und durch Volksentscheid (z. B. in Frankreich) zustande kommen.
Das GG setzt auch der Verfassungsänderung Schranken. Ausgehend von dem Gedanken, dass bestimmte grundlegende Entscheidungen des GG nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers stehen, sondern allenfalls durch einen vom Volk als Ursprung der verfassunggebenden Gewalt ausgehenden Akt der Verfassungsneuschöpfung überwunden werden können, erklärt es Änderungen des GG für unzulässig, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze (z. B. Menschenwürde, Volkssouveränität, Gewaltentrennung, Sozialstaat, Demokratie, Rechtsstaat) berührt werden. Verfassungsänderungen sind im Übrigen in der Regel Partialrevisionen, betreffen also nur einen oder einige wenige Bestimmungen. Dem steht die Totalrevision gegenüber, bei der der Verfassungstext insgesamt, ohne dass die Grundentscheidungen der Verfassung angetastet werden müssten, neu gefasst wird. Die Schaffung einer neuen Verfassung, nicht eine Verfassungsänderung, ist in Art. 146 GG angesprochen.
Aufgrund des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurde eine Verfassungs-Kommission aus je 32 Mitglieder von Bundestag und Bundesrat gebildet, die sich mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung und Ergänzung des GG befasst hat. Ergebnis dieser Arbeit waren u. a. folgende Neuerungen: Aufnahme von neuen Staatszielbestimmungen (Umweltschutz, Schutz der Behinderten, Förderung der Gleichberechtigung); ausdrückliche Festlegung, dass die Selbstverwaltung der Gemeinden auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst; Schaffung der Möglichkeit, Neugliederungsmaßnahmen für das Gebiet der Länder durch Staatsvertrag zu regeln; Änderungen im Bereich der Gesetzgebung. Die Neufassung des Art. 23 GG (Gesetz vom 21. 12. 1992), die den Abschluss des Vertrags über eine Europäische Union (Vertrag von Maastricht) ermöglichte und das Zusammenwirken von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie von Bund und Ländern im Rahmen der europäischen Einigung regelt, beruht auf einem Vorschlag dieser Kommission.
In Österreich können Verfassungsänderungen auch außerhalb der Verfassungs-Urkunde vorgenommen werden. Für eine Verfassungsänderung genügt zusätzlich zur Zweidrittelmehrheit des Nationalrats bei Anwesenheit mindestens der Hälfte seiner Mitglieder die ausdrückliche Bezeichnung als »Verfassungsgesetz« oder »Verfassungs-Bestimmung« (in einem sonst einfachen Gesetz). Wird die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung eingeschränkt, ist überdies die Zustimmung des Bundesrats nötig. Verfassungsänderungen sind einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrats oder des Bundesrats verlangt wird. »Gesamtänderungen« der Verfassung (d. h. Änderungen der tragenden Bestimmungen der Verfassung: Demokratie, Republik, Rechtsstaat und Bundesstaat) bedürfen obligatorisch einer Volksabstimmung (Art. 44 B-VG).
In der Schweiz unterliegt jede Verfassungsänderung dem obligatorischen Referendum und bedarf der Zustimmung der Mehrheit sowohl des Volkes als auch der Kantone. Eine Verfassungsänderung kann von der Bundesversammlung oder von 100 000 Stimmberechtigten verlangt werden. Änderungen der Kantonsverfassung bedürfen der Zustimmung des Volkes und der Gewährleistung (Genehmigung) durch die schweizerische Bundesversammlung.
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Ver|fạs|sungs|än|de|rung, die: Änderung der ↑Verfassung (1).
Universal-Lexikon. 2012.